und Ausgabe nur auf seinen Geliebten; denn Lie- be ist sein nothwendigstes Bedürfniß.
Die Liebe also, in so fern sie aus Gefühl eig- ner Schwäche, eigner Unvollkommenheit entsteht, zeugt allemal Eyfersucht. Man fürchtet, daß jeder eher, als man selbst, den geliebten Gegen- stand an sich ziehen könne, und man dann wieder da stehe, als eine nichtsgeltende Null. Man kann auch nicht theilen; denn dann fühlt man sich wiederum nicht als ein Ganzes: die Einheit zwi- schen zwey Zero's ist nur ein Bruch.
Unser Wieland hat gewiß recht, wenn er von der Eyfersucht sagt: Sie ist
"Der ärgste Feind, der je sich aus der Hölle schlich, Die Sterblichen zu necken und zu quälen."
Der Eyfersüchtige, der so ganz allein ge- nießen will, kömmt eben darum nie zum Genuß. Er handelt den Trieben seiner Liebe grade entgegen, und verhält sich selbst die Erfüllung seiner Wün- sche. Er möchte so gern durch Bezeugungen sei- ner innigsten Liebe sich fest an das Herz des Ge- liebten schließen; aber der immerwährende Lerm, der von seiner Eyfersucht geweckten Affekten, läßt ihn nur selten dazu gelangen, seinen wohlwollen- den Sinn zu äußern; es werden wenigstens die Aeußerungen desselben durch die noch viel öfter hervorstürmenden eyfersüchtigen Launen alles Ein-
flusses
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und Ausgabe nur auf ſeinen Geliebten; denn Lie- be iſt ſein nothwendigſtes Beduͤrfniß.
Die Liebe alſo, in ſo fern ſie aus Gefuͤhl eig- ner Schwaͤche, eigner Unvollkommenheit entſteht, zeugt allemal Eyferſucht. Man fuͤrchtet, daß jeder eher, als man ſelbſt, den geliebten Gegen- ſtand an ſich ziehen koͤnne, und man dann wieder da ſtehe, als eine nichtsgeltende Null. Man kann auch nicht theilen; denn dann fuͤhlt man ſich wiederum nicht als ein Ganzes: die Einheit zwi- ſchen zwey Zero's iſt nur ein Bruch.
Unſer Wieland hat gewiß recht, wenn er von der Eyferſucht ſagt: Sie iſt
„Der aͤrgſte Feind, der je ſich aus der Hoͤlle ſchlich, Die Sterblichen zu necken und zu quaͤlen.„
Der Eyferſuͤchtige, der ſo ganz allein ge- nießen will, koͤmmt eben darum nie zum Genuß. Er handelt den Trieben ſeiner Liebe grade entgegen, und verhaͤlt ſich ſelbſt die Erfuͤllung ſeiner Wuͤn- ſche. Er moͤchte ſo gern durch Bezeugungen ſei- ner innigſten Liebe ſich feſt an das Herz des Ge- liebten ſchließen; aber der immerwaͤhrende Lerm, der von ſeiner Eyferſucht geweckten Affekten, laͤßt ihn nur ſelten dazu gelangen, ſeinen wohlwollen- den Sinn zu aͤußern; es werden wenigſtens die Aeußerungen deſſelben durch die noch viel oͤfter hervorſtuͤrmenden eyferſuͤchtigen Launen alles Ein-
fluſſes
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und Ausgabe nur auf ſeinen Geliebten; denn Lie-
be iſt ſein nothwendigſtes Beduͤrfniß.
Die Liebe alſo, in ſo fern ſie aus Gefuͤhl eig-
ner Schwaͤche, eigner Unvollkommenheit entſteht,
zeugt allemal Eyferſucht. Man fuͤrchtet, daß
jeder eher, als man ſelbſt, den geliebten Gegen-
ſtand an ſich ziehen koͤnne, und man dann wieder
da ſtehe, als eine nichtsgeltende Null. Man
kann auch nicht theilen; denn dann fuͤhlt man ſich
wiederum nicht als ein Ganzes: die Einheit zwi-
ſchen zwey Zero's iſt nur ein Bruch.
Unſer Wieland hat gewiß recht, wenn er
von der Eyferſucht ſagt: Sie iſt
„Der aͤrgſte Feind, der je ſich aus der Hoͤlle
ſchlich,
Die Sterblichen zu necken und zu quaͤlen.„
Der Eyferſuͤchtige, der ſo ganz allein ge-
nießen will, koͤmmt eben darum nie zum Genuß.
Er handelt den Trieben ſeiner Liebe grade entgegen,
und verhaͤlt ſich ſelbſt die Erfuͤllung ſeiner Wuͤn-
ſche. Er moͤchte ſo gern durch Bezeugungen ſei-
ner innigſten Liebe ſich feſt an das Herz des Ge-
liebten ſchließen; aber der immerwaͤhrende Lerm,
der von ſeiner Eyferſucht geweckten Affekten, laͤßt
ihn nur ſelten dazu gelangen, ſeinen wohlwollen-
den Sinn zu aͤußern; es werden wenigſtens die
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/269>, abgerufen am 16.02.2025.
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