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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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nicht getraue! Fühle ein Jeder in seinen Busen,
ob die Liebe so platonisch ist, wie Manche sie,
schwärmerisch genug, gern schildern möchten. Und
fragt Euch selbst, Edle Weiber und Männer, die
ihr länger, als der Reiz der Sinnlichkeit und der
Zauber der Phantasie währt, einer in dem An-
dern Euch selig fühltet, was gab Eurem Glücke die
Dauer, die Liebe des Mannes zum Weibe und
dieses zu jenem, oder die Liebe des Herzens zum
Herzen?

Was die Liebe Edles hat, hat sie von der
Freundschaft, denn diese paart sich mit jener,
und das Weib kann einen Freund, der Mann
eine Freundin haben. Wenn in der Liebe nicht
der Geist der Freundschaft lebt, dann verwelkt
sie mit den Rosen der Wangen, verlischt mit dem
Feuer der Augen, und verschwindet mit den Far-
ben der Jugend. Aber von dem Geist der Freund-
schaft beseelt wird die Liebe unsterblich, wie der
Geist, den sie umfaßt. Keine Sättigung, kein
Ueberdruß, kein Ekel; denn reine, geistige, edle
Freuden quillen aus der ewigen Quelle, welche
die Freundschaft nährt. Nur gute Menschen
können Freunde seyn*), die Liebe verbindet auch

Andere;
*) Wenn ich sage, daß nur unter Guten Freundschaft
statt finden kann; so verstehe ich hier wahre, d. h.
ewige Vereinigung des Menschen, und will hie-
mit

nicht getraue! Fuͤhle ein Jeder in ſeinen Buſen,
ob die Liebe ſo platoniſch iſt, wie Manche ſie,
ſchwaͤrmeriſch genug, gern ſchildern moͤchten. Und
fragt Euch ſelbſt, Edle Weiber und Maͤnner, die
ihr laͤnger, als der Reiz der Sinnlichkeit und der
Zauber der Phantaſie waͤhrt, einer in dem An-
dern Euch ſelig fuͤhltet, was gab Eurem Gluͤcke die
Dauer, die Liebe des Mannes zum Weibe und
dieſes zu jenem, oder die Liebe des Herzens zum
Herzen?

Was die Liebe Edles hat, hat ſie von der
Freundſchaft, denn dieſe paart ſich mit jener,
und das Weib kann einen Freund, der Mann
eine Freundin haben. Wenn in der Liebe nicht
der Geiſt der Freundſchaft lebt, dann verwelkt
ſie mit den Roſen der Wangen, verliſcht mit dem
Feuer der Augen, und verſchwindet mit den Far-
ben der Jugend. Aber von dem Geiſt der Freund-
ſchaft beſeelt wird die Liebe unſterblich, wie der
Geiſt, den ſie umfaßt. Keine Saͤttigung, kein
Ueberdruß, kein Ekel; denn reine, geiſtige, edle
Freuden quillen aus der ewigen Quelle, welche
die Freundſchaft naͤhrt. Nur gute Menſchen
koͤnnen Freunde ſeyn*), die Liebe verbindet auch

Andere;
*) Wenn ich ſage, daß nur unter Guten Freundſchaft
ſtatt finden kann; ſo verſtehe ich hier wahre, d. h.
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[548/0264] nicht getraue! Fuͤhle ein Jeder in ſeinen Buſen, ob die Liebe ſo platoniſch iſt, wie Manche ſie, ſchwaͤrmeriſch genug, gern ſchildern moͤchten. Und fragt Euch ſelbſt, Edle Weiber und Maͤnner, die ihr laͤnger, als der Reiz der Sinnlichkeit und der Zauber der Phantaſie waͤhrt, einer in dem An- dern Euch ſelig fuͤhltet, was gab Eurem Gluͤcke die Dauer, die Liebe des Mannes zum Weibe und dieſes zu jenem, oder die Liebe des Herzens zum Herzen? Was die Liebe Edles hat, hat ſie von der Freundſchaft, denn dieſe paart ſich mit jener, und das Weib kann einen Freund, der Mann eine Freundin haben. Wenn in der Liebe nicht der Geiſt der Freundſchaft lebt, dann verwelkt ſie mit den Roſen der Wangen, verliſcht mit dem Feuer der Augen, und verſchwindet mit den Far- ben der Jugend. Aber von dem Geiſt der Freund- ſchaft beſeelt wird die Liebe unſterblich, wie der Geiſt, den ſie umfaßt. Keine Saͤttigung, kein Ueberdruß, kein Ekel; denn reine, geiſtige, edle Freuden quillen aus der ewigen Quelle, welche die Freundſchaft naͤhrt. Nur gute Menſchen koͤnnen Freunde ſeyn *), die Liebe verbindet auch Andere; *) Wenn ich ſage, daß nur unter Guten Freundſchaft ſtatt finden kann; ſo verſtehe ich hier wahre, d. h. ewige Vereinigung des Menſchen, und will hie- mit

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/264>, abgerufen am 25.11.2024.