gelten kann, und nicht selten gefährlicher, als das Laster selbst ist*).
Eheliche Verbindungen werden bey diesen Natur-Völkern, nicht von Hochmuth oder der Habsucht, sondern von der Liebe geschlossen. Da- her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf- ter sind, als man glauben sollte, und Trennun- gen, zwar sehr leicht, aber selten statt finden; weil die Liebe, die sie zu ihren Kindern hegen, macht, daß Mann und Weib sich von Tage zu Tage unentbehrlicher werden**).
Die Naivität und unschuldigen Scherze der Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un- terhaltungen mit ihnen sehr angenehm. Ganze Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett- eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu belustigen***).
Bey diesen Unterhaltungen hatte Herr Vail- lant öfters Gelegenheit, das lebhafte Gefühl seiner Wilden für Recht und Unrecht, Gut und Böse, Schicklich- und Unschicklichkeit zu bemerken. Jch befragte mich, sagte unser Reiseschreiber, nach mehrern Umständen, die Kolbe und andere Rei- sende von den Hottentotten angeführt haben; wo- hin ich insbesondre das, was ihre Religion, ihre
Sitten
*) Das. 1. Th. 311 ff.
**) Das. 2. Th. 48 f.
***) Das. 1. Th. 114.
gelten kann, und nicht ſelten gefaͤhrlicher, als das Laſter ſelbſt iſt*).
Eheliche Verbindungen werden bey dieſen Natur-Voͤlkern, nicht von Hochmuth oder der Habſucht, ſondern von der Liebe geſchloſſen. Da- her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf- ter ſind, als man glauben ſollte, und Trennun- gen, zwar ſehr leicht, aber ſelten ſtatt finden; weil die Liebe, die ſie zu ihren Kindern hegen, macht, daß Mann und Weib ſich von Tage zu Tage unentbehrlicher werden**).
Die Naivitaͤt und unſchuldigen Scherze der Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un- terhaltungen mit ihnen ſehr angenehm. Ganze Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett- eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu beluſtigen***).
Bey dieſen Unterhaltungen hatte Herr Vail- lant oͤfters Gelegenheit, das lebhafte Gefuͤhl ſeiner Wilden fuͤr Recht und Unrecht, Gut und Boͤſe, Schicklich- und Unſchicklichkeit zu bemerken. Jch befragte mich, ſagte unſer Reiſeſchreiber, nach mehrern Umſtaͤnden, die Kolbe und andere Rei- ſende von den Hottentotten angefuͤhrt haben; wo- hin ich insbeſondre das, was ihre Religion, ihre
Sitten
*) Daſ. 1. Th. 311 ff.
**) Daſ. 2. Th. 48 f.
***) Daſ. 1. Th. 114.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0227"n="511"/>
gelten kann, und nicht ſelten gefaͤhrlicher, als das<lb/>
Laſter ſelbſt iſt<noteplace="foot"n="*)">Daſ. 1. Th. 311 ff.</note>.</p><lb/><p>Eheliche Verbindungen werden bey dieſen<lb/>
Natur-Voͤlkern, nicht von Hochmuth oder der<lb/>
Habſucht, ſondern von der Liebe geſchloſſen. Da-<lb/>
her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf-<lb/>
ter ſind, als man glauben ſollte, und Trennun-<lb/>
gen, zwar ſehr leicht, aber ſelten ſtatt finden;<lb/>
weil die Liebe, die ſie zu ihren Kindern hegen,<lb/>
macht, daß Mann und Weib ſich von Tage zu<lb/>
Tage unentbehrlicher werden<noteplace="foot"n="**)">Daſ. 2. Th. 48 f.</note>.</p><lb/><p>Die Naivitaͤt und unſchuldigen Scherze der<lb/><hirendition="#b">Hottentotten</hi> machten Herrn <hirendition="#b">Vaillant</hi> die Un-<lb/>
terhaltungen mit ihnen ſehr angenehm. Ganze<lb/>
Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett-<lb/>
eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu<lb/>
beluſtigen<noteplace="foot"n="***)">Daſ. 1. Th. 114.</note>.</p><lb/><p>Bey dieſen Unterhaltungen hatte Herr <hirendition="#b">Vail-<lb/>
lant</hi> oͤfters Gelegenheit, das lebhafte Gefuͤhl ſeiner<lb/>
Wilden fuͤr Recht und Unrecht, Gut und Boͤſe,<lb/>
Schicklich- und Unſchicklichkeit zu bemerken. Jch<lb/>
befragte mich, ſagte unſer Reiſeſchreiber, nach<lb/>
mehrern Umſtaͤnden, die <hirendition="#b">Kolbe</hi> und andere Rei-<lb/>ſende von den Hottentotten angefuͤhrt haben; wo-<lb/>
hin ich insbeſondre das, was ihre Religion, ihre<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sitten</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[511/0227]
gelten kann, und nicht ſelten gefaͤhrlicher, als das
Laſter ſelbſt iſt *).
Eheliche Verbindungen werden bey dieſen
Natur-Voͤlkern, nicht von Hochmuth oder der
Habſucht, ſondern von der Liebe geſchloſſen. Da-
her kommt es, daß die Ehen bey ihnen dauerhaf-
ter ſind, als man glauben ſollte, und Trennun-
gen, zwar ſehr leicht, aber ſelten ſtatt finden;
weil die Liebe, die ſie zu ihren Kindern hegen,
macht, daß Mann und Weib ſich von Tage zu
Tage unentbehrlicher werden **).
Die Naivitaͤt und unſchuldigen Scherze der
Hottentotten machten Herrn Vaillant die Un-
terhaltungen mit ihnen ſehr angenehm. Ganze
Abende verplauderte er mit ihnen, und jeder wett-
eyferte mit dem Andern, ihn zu erheitern und zu
beluſtigen ***).
Bey dieſen Unterhaltungen hatte Herr Vail-
lant oͤfters Gelegenheit, das lebhafte Gefuͤhl ſeiner
Wilden fuͤr Recht und Unrecht, Gut und Boͤſe,
Schicklich- und Unſchicklichkeit zu bemerken. Jch
befragte mich, ſagte unſer Reiſeſchreiber, nach
mehrern Umſtaͤnden, die Kolbe und andere Rei-
ſende von den Hottentotten angefuͤhrt haben; wo-
hin ich insbeſondre das, was ihre Religion, ihre
Sitten
*) Daſ. 1. Th. 311 ff.
**) Daſ. 2. Th. 48 f.
***) Daſ. 1. Th. 114.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/227>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.