erreichen, und sich aus ihrer Verlegenheit zu se- tzen. Alle kannten die Neigung, welche Narina Herrn Vaillant eingeflößt hatte. Diese Nei- gung sollte sie erlösen. Narina hatte durch ihre Mutter ihre Schürze und übrige Kleidung erhal- ten, bekleidete sich damit im Wasser, näherte sich darauf Herrn Vaillant auf eine zärtliche und offenherzige Art, und bat ihn, sich auf einen Augenblick zu entfernen, und den übrigen Wei- bern ihre Kleidungsstücke verabfolgen zu lassen. Anfänglich widerstand er, doch ließ er sich bald von der schönen Narina vom Badeplatze weg- ziehn, und diese rief darauf, als sie schon eine ziemliche Strecke entfernt waren, den Uebrigen zu, daß sie nunmehr sicher aus dem Wasser stei- gen, und sich ankleiden könnten. --
Herr Vaillant ging mit Narina in sein La- ger, woselbst sich auch die übrigen Hottentottin- nen bald hernach einfanden. Ein Ueberrest von Schaam und Verlegenheit war auf ihren Gesich- tern gar deutlich zu bemerken. Jch selbst, setzt Herr Vaillant hinzu, fand mich ein wenig be- troffen, sie in diese Verlegenheit gesetzt zu haben. Uebrigens, so schließt er seine Erzählung, war die Art von Schaamhaftigkeit, die alle diese Wei- ber blicken ließen, das wahre Urbild der Unschuld und weit von der Art von Ziererey entfernt, die bey vielen Frauenzimmern für eine Einladung
gelten
erreichen, und ſich aus ihrer Verlegenheit zu ſe- tzen. Alle kannten die Neigung, welche Narina Herrn Vaillant eingefloͤßt hatte. Dieſe Nei- gung ſollte ſie erloͤſen. Narina hatte durch ihre Mutter ihre Schuͤrze und uͤbrige Kleidung erhal- ten, bekleidete ſich damit im Waſſer, naͤherte ſich darauf Herrn Vaillant auf eine zaͤrtliche und offenherzige Art, und bat ihn, ſich auf einen Augenblick zu entfernen, und den uͤbrigen Wei- bern ihre Kleidungsſtuͤcke verabfolgen zu laſſen. Anfaͤnglich widerſtand er, doch ließ er ſich bald von der ſchoͤnen Narina vom Badeplatze weg- ziehn, und dieſe rief darauf, als ſie ſchon eine ziemliche Strecke entfernt waren, den Uebrigen zu, daß ſie nunmehr ſicher aus dem Waſſer ſtei- gen, und ſich ankleiden koͤnnten. —
Herr Vaillant ging mit Narina in ſein La- ger, woſelbſt ſich auch die uͤbrigen Hottentottin- nen bald hernach einfanden. Ein Ueberreſt von Schaam und Verlegenheit war auf ihren Geſich- tern gar deutlich zu bemerken. Jch ſelbſt, ſetzt Herr Vaillant hinzu, fand mich ein wenig be- troffen, ſie in dieſe Verlegenheit geſetzt zu haben. Uebrigens, ſo ſchließt er ſeine Erzaͤhlung, war die Art von Schaamhaftigkeit, die alle dieſe Wei- ber blicken ließen, das wahre Urbild der Unſchuld und weit von der Art von Ziererey entfernt, die bey vielen Frauenzimmern fuͤr eine Einladung
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erreichen, und ſich aus ihrer Verlegenheit zu ſe-
tzen. Alle kannten die Neigung, welche Narina
Herrn Vaillant eingefloͤßt hatte. Dieſe Nei-
gung ſollte ſie erloͤſen. Narina hatte durch ihre
Mutter ihre Schuͤrze und uͤbrige Kleidung erhal-
ten, bekleidete ſich damit im Waſſer, naͤherte ſich
darauf Herrn Vaillant auf eine zaͤrtliche und
offenherzige Art, und bat ihn, ſich auf einen
Augenblick zu entfernen, und den uͤbrigen Wei-
bern ihre Kleidungsſtuͤcke verabfolgen zu laſſen.
Anfaͤnglich widerſtand er, doch ließ er ſich bald
von der ſchoͤnen Narina vom Badeplatze weg-
ziehn, und dieſe rief darauf, als ſie ſchon eine
ziemliche Strecke entfernt waren, den Uebrigen
zu, daß ſie nunmehr ſicher aus dem Waſſer ſtei-
gen, und ſich ankleiden koͤnnten. —
Herr Vaillant ging mit Narina in ſein La-
ger, woſelbſt ſich auch die uͤbrigen Hottentottin-
nen bald hernach einfanden. Ein Ueberreſt von
Schaam und Verlegenheit war auf ihren Geſich-
tern gar deutlich zu bemerken. Jch ſelbſt, ſetzt
Herr Vaillant hinzu, fand mich ein wenig be-
troffen, ſie in dieſe Verlegenheit geſetzt zu haben.
Uebrigens, ſo ſchließt er ſeine Erzaͤhlung, war
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und weit von der Art von Ziererey entfernt, die
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/226>, abgerufen am 23.11.2024.
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