wohner auf den Oster-Jnseln ohne Schaam und Scheu die schändlichsten Ausschweifungen erlaub- ten; aber, sagt Herr Vaillant, "der berühmte Mann hätte dreust hinzusetzen können, daß die wilden Weiber sich diesen schändlichen Europäern überlassen mußten, aus Furcht Schlachtopfer des viehischen und grausamen Verfahrens zu wer- den, dessen die Weißen sich mehr, als einmal, schuldig gemacht haben*).
Es ist wahr, daß eine ganze Familie nur eine gemeinschaftliche Hütte hat; wahr, daß der Vater mit der Tochter, der Bruder mit der Schwester und die Mutter mit dem Sohne auf ein und demselben Bette liegen; aber bey Anbruch der Morgenröthe, erwacht gewiß ein jeder mit reinem Herzen, ohne vor dem Urheber aller Din- ge oder einem seiner Geschöpfe, die er nach sei- nem Bilde schuf, erröthen zu dürfen**).
Männer und Weiber zeigen bey dieser Na- tion ein sittsames Betragen und feine Verschämt- heit. Sind sie gleich noch unschuldig genug, um ihre Nacktheit, ihr nahes Beysammenschlafen u. dergl. für unschuldig, verdacht- und gefahrlos zu halten; so geben sie doch nicht das, was die Na- tur selbst verbergen zu wollen scheint, öffentlich Preis. Nur nach vielen fruchtlosen Versuchen
ließen
*) Das. 2. Th. 97.
**) Das. 2. Th. 95 f.
wohner auf den Oſter-Jnſeln ohne Schaam und Scheu die ſchaͤndlichſten Ausſchweifungen erlaub- ten; aber, ſagt Herr Vaillant, „der beruͤhmte Mann haͤtte dreuſt hinzuſetzen koͤnnen, daß die wilden Weiber ſich dieſen ſchaͤndlichen Europaͤern uͤberlaſſen mußten, aus Furcht Schlachtopfer des viehiſchen und grauſamen Verfahrens zu wer- den, deſſen die Weißen ſich mehr, als einmal, ſchuldig gemacht haben*).
Es iſt wahr, daß eine ganze Familie nur eine gemeinſchaftliche Huͤtte hat; wahr, daß der Vater mit der Tochter, der Bruder mit der Schweſter und die Mutter mit dem Sohne auf ein und demſelben Bette liegen; aber bey Anbruch der Morgenroͤthe, erwacht gewiß ein jeder mit reinem Herzen, ohne vor dem Urheber aller Din- ge oder einem ſeiner Geſchoͤpfe, die er nach ſei- nem Bilde ſchuf, erroͤthen zu duͤrfen**).
Maͤnner und Weiber zeigen bey dieſer Na- tion ein ſittſames Betragen und feine Verſchaͤmt- heit. Sind ſie gleich noch unſchuldig genug, um ihre Nacktheit, ihr nahes Beyſammenſchlafen u. dergl. fuͤr unſchuldig, verdacht- und gefahrlos zu halten; ſo geben ſie doch nicht das, was die Na- tur ſelbſt verbergen zu wollen ſcheint, oͤffentlich Preis. Nur nach vielen fruchtloſen Verſuchen
ließen
*) Daſ. 2. Th. 97.
**) Daſ. 2. Th. 95 f.
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wohner auf den Oſter-Jnſeln ohne Schaam und
Scheu die ſchaͤndlichſten Ausſchweifungen erlaub-
ten; aber, ſagt Herr Vaillant, „der beruͤhmte
Mann haͤtte dreuſt hinzuſetzen koͤnnen, daß die
wilden Weiber ſich dieſen ſchaͤndlichen Europaͤern
uͤberlaſſen mußten, aus Furcht Schlachtopfer
des viehiſchen und grauſamen Verfahrens zu wer-
den, deſſen die Weißen ſich mehr, als einmal,
ſchuldig gemacht haben *).
Es iſt wahr, daß eine ganze Familie nur
eine gemeinſchaftliche Huͤtte hat; wahr, daß der
Vater mit der Tochter, der Bruder mit der
Schweſter und die Mutter mit dem Sohne auf
ein und demſelben Bette liegen; aber bey Anbruch
der Morgenroͤthe, erwacht gewiß ein jeder mit
reinem Herzen, ohne vor dem Urheber aller Din-
ge oder einem ſeiner Geſchoͤpfe, die er nach ſei-
nem Bilde ſchuf, erroͤthen zu duͤrfen **).
Maͤnner und Weiber zeigen bey dieſer Na-
tion ein ſittſames Betragen und feine Verſchaͤmt-
heit. Sind ſie gleich noch unſchuldig genug, um
ihre Nacktheit, ihr nahes Beyſammenſchlafen u.
dergl. fuͤr unſchuldig, verdacht- und gefahrlos zu
halten; ſo geben ſie doch nicht das, was die Na-
tur ſelbſt verbergen zu wollen ſcheint, oͤffentlich
Preis. Nur nach vielen fruchtloſen Verſuchen
ließen
*) Daſ. 2. Th. 97.
**) Daſ. 2. Th. 95 f.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/224>, abgerufen am 23.11.2024.
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