sich also nicht selbst bestimmt, sondern von den Gegenständen seiner Begierde fortgerissen wird, heißt Leidenschaft.
Zweyte Unterhaltung. Ueber die Selbstliebe.
Es ist über den letzten Grund der Bestimmung des Willens, den Beweger des Begehrungsver- mögens eine große Verschiedenheit der Meynun- gen gewesen. Jeder von den Philosophen, wel- cher darüber dachte, suchte ihn mit seinen übrigen Hypothesen in Zusammenhang zu bringen, und wich daher, wie in diesen, so auch in jenem, von andern ab. Diejenigen, welche die Seelenlehre metaphysisch behandelten, wählten zur Bezeichnung des letzten Grundes des Begehrens wenigstens ei- nen metaphysischen Namen, Trieb nach Vollkom- menheit, nach Jdeenbeschäftigung u. dergl.; andre, welche die Seele sich nicht so geistig dach- ten, nahmen die körperliche Empfindung (Sensi- bilite physique) als dasjenige an, wornach sich der Mensch im Begehren oder Zurückstoßen rich- te. Jch will hier nicht alle verschiedne Meynun- gen der Weltweisen über diese Sache beybringen, noch weniger mich in eine Kritik derselben ein-
lassen,
ſich alſo nicht ſelbſt beſtimmt, ſondern von den Gegenſtaͤnden ſeiner Begierde fortgeriſſen wird, heißt Leidenſchaft.
Zweyte Unterhaltung. Ueber die Selbſtliebe.
Es iſt uͤber den letzten Grund der Beſtimmung des Willens, den Beweger des Begehrungsver- moͤgens eine große Verſchiedenheit der Meynun- gen geweſen. Jeder von den Philoſophen, wel- cher daruͤber dachte, ſuchte ihn mit ſeinen uͤbrigen Hypotheſen in Zuſammenhang zu bringen, und wich daher, wie in dieſen, ſo auch in jenem, von andern ab. Diejenigen, welche die Seelenlehre metaphyſiſch behandelten, waͤhlten zur Bezeichnung des letzten Grundes des Begehrens wenigſtens ei- nen metaphyſiſchen Namen, Trieb nach Vollkom- menheit, nach Jdeenbeſchaͤftigung u. dergl.; andre, welche die Seele ſich nicht ſo geiſtig dach- ten, nahmen die koͤrperliche Empfindung (Senſi- bilité phyſique) als dasjenige an, wornach ſich der Menſch im Begehren oder Zuruͤckſtoßen rich- te. Jch will hier nicht alle verſchiedne Meynun- gen der Weltweiſen uͤber dieſe Sache beybringen, noch weniger mich in eine Kritik derſelben ein-
laſſen,
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[306/0022]
ſich alſo nicht ſelbſt beſtimmt, ſondern von den
Gegenſtaͤnden ſeiner Begierde fortgeriſſen wird,
heißt Leidenſchaft.
Zweyte Unterhaltung.
Ueber die
Selbſtliebe.
Es iſt uͤber den letzten Grund der Beſtimmung
des Willens, den Beweger des Begehrungsver-
moͤgens eine große Verſchiedenheit der Meynun-
gen geweſen. Jeder von den Philoſophen, wel-
cher daruͤber dachte, ſuchte ihn mit ſeinen uͤbrigen
Hypotheſen in Zuſammenhang zu bringen, und
wich daher, wie in dieſen, ſo auch in jenem, von
andern ab. Diejenigen, welche die Seelenlehre
metaphyſiſch behandelten, waͤhlten zur Bezeichnung
des letzten Grundes des Begehrens wenigſtens ei-
nen metaphyſiſchen Namen, Trieb nach Vollkom-
menheit, nach Jdeenbeſchaͤftigung u. dergl.;
andre, welche die Seele ſich nicht ſo geiſtig dach-
ten, nahmen die koͤrperliche Empfindung (Senſi-
bilité phyſique) als dasjenige an, wornach ſich
der Menſch im Begehren oder Zuruͤckſtoßen rich-
te. Jch will hier nicht alle verſchiedne Meynun-
gen der Weltweiſen uͤber dieſe Sache beybringen,
noch weniger mich in eine Kritik derſelben ein-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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