sterhaft, je nachdem ihm Redlichkeit oder Unred- lichkeit, Freundschaft oder Feindschaft, Tugend oder Laster, am meisten einbringen.
Aus der übertriebenen Begierde nach den äu- ßern Gütern des Lebens, kann sich auch sehr leicht die Neigung, fremdes Eigenthum heim- lich an sich zu bringen, die Neigung zum Steh- len erzeugen. Denn, wer von einer solchen Be- gierde verblendet ist, kümmert sich nicht um die Mittel, wodurch sie befriedigt werden kann. Er- laubt oder nicht erlaubt, wenn sie ihn zu seinem Zwecke verhelfen, sind sie gut, und er bedient sich derselben.
Jndeß ist es diese übertriebene Liebe zum Geld und Gut nicht allein, aus welcher die Lust zum Stehlen entspringen kann; die Gewohnheit kann sie auch ohnedies erzeugen. Noth zwingt vielleicht zum ersten Versuch gegen das Eigenthum eines Andern; der Versuch gelingt; die leichte Erwer- bungsart gefällt, wird öfter versucht, und so die Neigung, auf diese Weise sein Vermögen zu ver- mehren, natürlich.
Auch das Vergnügen Andre zu berücken, und sich also an List und Klugheit ihnen überlegen zu sehn, kann zum Stehlen verführen. Daher das Sprich- wort, daß das gestohlene Brodt vorzüglich gut schme- cke. Es wird nemlich von der Freude, durch List über Andre einen Vortheil erhalten zu haben, gewürzt.
Sieb-
Hh 4
ſterhaft, je nachdem ihm Redlichkeit oder Unred- lichkeit, Freundſchaft oder Feindſchaft, Tugend oder Laſter, am meiſten einbringen.
Aus der uͤbertriebenen Begierde nach den aͤu- ßern Guͤtern des Lebens, kann ſich auch ſehr leicht die Neigung, fremdes Eigenthum heim- lich an ſich zu bringen, die Neigung zum Steh- len erzeugen. Denn, wer von einer ſolchen Be- gierde verblendet iſt, kuͤmmert ſich nicht um die Mittel, wodurch ſie befriedigt werden kann. Er- laubt oder nicht erlaubt, wenn ſie ihn zu ſeinem Zwecke verhelfen, ſind ſie gut, und er bedient ſich derſelben.
Jndeß iſt es dieſe uͤbertriebene Liebe zum Geld und Gut nicht allein, aus welcher die Luſt zum Stehlen entſpringen kann; die Gewohnheit kann ſie auch ohnedies erzeugen. Noth zwingt vielleicht zum erſten Verſuch gegen das Eigenthum eines Andern; der Verſuch gelingt; die leichte Erwer- bungsart gefaͤllt, wird oͤfter verſucht, und ſo die Neigung, auf dieſe Weiſe ſein Vermoͤgen zu ver- mehren, natuͤrlich.
Auch das Vergnuͤgen Andre zu beruͤcken, und ſich alſo an Liſt und Klugheit ihnen uͤberlegen zu ſehn, kann zum Stehlen verfuͤhren. Daher das Sprich- wort, daß das geſtohlene Brodt vorzuͤglich gut ſchme- cke. Es wird nemlich von der Freude, durch Liſt uͤber Andre einen Vortheil erhalten zu haben, gewuͤrzt.
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[487/0203]
ſterhaft, je nachdem ihm Redlichkeit oder Unred-
lichkeit, Freundſchaft oder Feindſchaft, Tugend
oder Laſter, am meiſten einbringen.
Aus der uͤbertriebenen Begierde nach den aͤu-
ßern Guͤtern des Lebens, kann ſich auch ſehr
leicht die Neigung, fremdes Eigenthum heim-
lich an ſich zu bringen, die Neigung zum Steh-
len erzeugen. Denn, wer von einer ſolchen Be-
gierde verblendet iſt, kuͤmmert ſich nicht um die
Mittel, wodurch ſie befriedigt werden kann. Er-
laubt oder nicht erlaubt, wenn ſie ihn zu ſeinem
Zwecke verhelfen, ſind ſie gut, und er bedient
ſich derſelben.
Jndeß iſt es dieſe uͤbertriebene Liebe zum Geld
und Gut nicht allein, aus welcher die Luſt zum
Stehlen entſpringen kann; die Gewohnheit kann
ſie auch ohnedies erzeugen. Noth zwingt vielleicht
zum erſten Verſuch gegen das Eigenthum eines
Andern; der Verſuch gelingt; die leichte Erwer-
bungsart gefaͤllt, wird oͤfter verſucht, und ſo die
Neigung, auf dieſe Weiſe ſein Vermoͤgen zu ver-
mehren, natuͤrlich.
Auch das Vergnuͤgen Andre zu beruͤcken, und
ſich alſo an Liſt und Klugheit ihnen uͤberlegen zu ſehn,
kann zum Stehlen verfuͤhren. Daher das Sprich-
wort, daß das geſtohlene Brodt vorzuͤglich gut ſchme-
cke. Es wird nemlich von der Freude, durch Liſt uͤber
Andre einen Vortheil erhalten zu haben, gewuͤrzt.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/203>, abgerufen am 22.11.2024.
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