Aufwand, um für das Nöthige sorgen zu kön- nen. Aber nie schont er sein Geld auf Kosten der Pflichten gegen sich selbst und Andre. Er gönnt sich Vergnügungen und Erholungen; zieht seine Ehre dem Gelde vor, und theilt von dem Seinigen dem dürftigen Bruder gern so viel mit, als er kann. --
Wo sich übertriebene Werthschätzung und Liebe des Eigenthums bemerken läßt, da, sagen wir, ist Geiz. Die Arten desselben sind sehr verschieden. Zeigt er sich vorzüglich in einer ängstlichen Bewahrung des Eigenthums und dem Mangel der Mittheilung, so heißt er Geiz im engsten Sinne (tenacitas).
Geizige dieser Art kennen keinen wichtigern Gegenstand, Tugend und Ehre ausgenommen, welche bey dieser Art des Geizes doch noch geach- tet werden können, als das Geld, und was Gel- des Werth hat. Sind sie allein, so zählen und rechnen und revidiren sie; sind sie in der Gesell- schaft Andrer, so lenken sie, wo möglich die Un- terhaltung hierauf. Nichts ist ihnen empfindli- cher, als der Verlust eines Kapitals oder die Be- schädigung eines Kleidungsstückes*): nichts ih-
nen
*) Jch sah einmal einen angesehenen Mann in der größten Hitze gegen einen seiner Bedienten, der nichts versehen hatte. Jch gab einem in der Ge-
sell-
Aufwand, um fuͤr das Noͤthige ſorgen zu koͤn- nen. Aber nie ſchont er ſein Geld auf Koſten der Pflichten gegen ſich ſelbſt und Andre. Er goͤnnt ſich Vergnuͤgungen und Erholungen; zieht ſeine Ehre dem Gelde vor, und theilt von dem Seinigen dem duͤrftigen Bruder gern ſo viel mit, als er kann. —
Wo ſich uͤbertriebene Werthſchaͤtzung und Liebe des Eigenthums bemerken laͤßt, da, ſagen wir, iſt Geiz. Die Arten deſſelben ſind ſehr verſchieden. Zeigt er ſich vorzuͤglich in einer aͤngſtlichen Bewahrung des Eigenthums und dem Mangel der Mittheilung, ſo heißt er Geiz im engſten Sinne (tenacitas).
Geizige dieſer Art kennen keinen wichtigern Gegenſtand, Tugend und Ehre ausgenommen, welche bey dieſer Art des Geizes doch noch geach- tet werden koͤnnen, als das Geld, und was Gel- des Werth hat. Sind ſie allein, ſo zaͤhlen und rechnen und revidiren ſie; ſind ſie in der Geſell- ſchaft Andrer, ſo lenken ſie, wo moͤglich die Un- terhaltung hierauf. Nichts iſt ihnen empfindli- cher, als der Verluſt eines Kapitals oder die Be- ſchaͤdigung eines Kleidungsſtuͤckes*): nichts ih-
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*) Jch ſah einmal einen angeſehenen Mann in der groͤßten Hitze gegen einen ſeiner Bedienten, der nichts verſehen hatte. Jch gab einem in der Ge-
ſell-
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Aufwand, um fuͤr das Noͤthige ſorgen zu koͤn-
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der Pflichten gegen ſich ſelbſt und Andre. Er
goͤnnt ſich Vergnuͤgungen und Erholungen; zieht
ſeine Ehre dem Gelde vor, und theilt von dem
Seinigen dem duͤrftigen Bruder gern ſo viel mit,
als er kann. —
Wo ſich uͤbertriebene Werthſchaͤtzung und
Liebe des Eigenthums bemerken laͤßt, da, ſagen
wir, iſt Geiz. Die Arten deſſelben ſind ſehr
verſchieden. Zeigt er ſich vorzuͤglich in einer
aͤngſtlichen Bewahrung des Eigenthums und dem
Mangel der Mittheilung, ſo heißt er Geiz im
engſten Sinne (tenacitas).
Geizige dieſer Art kennen keinen wichtigern
Gegenſtand, Tugend und Ehre ausgenommen,
welche bey dieſer Art des Geizes doch noch geach-
tet werden koͤnnen, als das Geld, und was Gel-
des Werth hat. Sind ſie allein, ſo zaͤhlen und
rechnen und revidiren ſie; ſind ſie in der Geſell-
ſchaft Andrer, ſo lenken ſie, wo moͤglich die Un-
terhaltung hierauf. Nichts iſt ihnen empfindli-
cher, als der Verluſt eines Kapitals oder die Be-
ſchaͤdigung eines Kleidungsſtuͤckes *): nichts ih-
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*) Jch ſah einmal einen angeſehenen Mann in der
groͤßten Hitze gegen einen ſeiner Bedienten, der
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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