uns Weihrauch zu streuen. Was kann die So- lidität des Ruhms sichrer beweisen, als die lange Dauer desselben? Was herzerhebender und sü- ßer seyn, als der Gedanke, auch dann, wenn man nicht mehr unter den Menschen lebt, doch noch auf Menschen zu wirken? --
Ganz gemeine Seelen sind dieser Bestrebung um Nachruhm nicht fähig. Jhr Gesichtskreis wird von dem heutigen Tag und den sie zunächst umgebenden Gegenständen begränzt. Um durch solche Motive bestimmt zu werden, die über die Zeit des Genießens auf Erden hinaus liegen, wird Kraft erfordert zu Aufopferungen, Reizbarkeit des Herzens für große Gedanken, ein Blick in die Ewigkeit. Herostratische*) Bemühung um Nachruhm ist Unsinn; denn nur bey völlig ver- blendeter Vernunft und völliger Trunkenheit der Sinne kann man den Einfall bekommen, durch Zerstörung ohne Zweck und empörende Thaten, seinem Namen Unsterblichkeit zu verschaffen. Es giebt deren freylich Mehrere, die den Anschein ha- ben, als wollten sie durch ihre Unthaten bewirken, daß das Aufsehn, welches sie machen, auch nach ihrem Tode noch fortdaure; aber, wenn dies gleich geschieht, so glaub' ich doch kaum, daß sie
selbst
*) Herostratus wollte den Tempel der Diana zu Ephesus zerstören; wie man sagt, um sich nach dem Tode noch nennen zu lassen.
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uns Weihrauch zu ſtreuen. Was kann die So- liditaͤt des Ruhms ſichrer beweiſen, als die lange Dauer deſſelben? Was herzerhebender und ſuͤ- ßer ſeyn, als der Gedanke, auch dann, wenn man nicht mehr unter den Menſchen lebt, doch noch auf Menſchen zu wirken? —
Ganz gemeine Seelen ſind dieſer Beſtrebung um Nachruhm nicht faͤhig. Jhr Geſichtskreis wird von dem heutigen Tag und den ſie zunaͤchſt umgebenden Gegenſtaͤnden begraͤnzt. Um durch ſolche Motive beſtimmt zu werden, die uͤber die Zeit des Genießens auf Erden hinaus liegen, wird Kraft erfordert zu Aufopferungen, Reizbarkeit des Herzens fuͤr große Gedanken, ein Blick in die Ewigkeit. Heroſtratiſche*) Bemuͤhung um Nachruhm iſt Unſinn; denn nur bey voͤllig ver- blendeter Vernunft und voͤlliger Trunkenheit der Sinne kann man den Einfall bekommen, durch Zerſtoͤrung ohne Zweck und empoͤrende Thaten, ſeinem Namen Unſterblichkeit zu verſchaffen. Es giebt deren freylich Mehrere, die den Anſchein ha- ben, als wollten ſie durch ihre Unthaten bewirken, daß das Aufſehn, welches ſie machen, auch nach ihrem Tode noch fortdaure; aber, wenn dies gleich geſchieht, ſo glaub' ich doch kaum, daß ſie
ſelbſt
*) Heroſtratus wollte den Tempel der Diana zu Epheſus zerſtoͤren; wie man ſagt, um ſich nach dem Tode noch nennen zu laſſen.
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uns Weihrauch zu ſtreuen. Was kann die So-
liditaͤt des Ruhms ſichrer beweiſen, als die lange
Dauer deſſelben? Was herzerhebender und ſuͤ-
ßer ſeyn, als der Gedanke, auch dann, wenn
man nicht mehr unter den Menſchen lebt, doch
noch auf Menſchen zu wirken? —
Ganz gemeine Seelen ſind dieſer Beſtrebung
um Nachruhm nicht faͤhig. Jhr Geſichtskreis
wird von dem heutigen Tag und den ſie zunaͤchſt
umgebenden Gegenſtaͤnden begraͤnzt. Um durch
ſolche Motive beſtimmt zu werden, die uͤber die
Zeit des Genießens auf Erden hinaus liegen, wird
Kraft erfordert zu Aufopferungen, Reizbarkeit
des Herzens fuͤr große Gedanken, ein Blick in die
Ewigkeit. Heroſtratiſche *) Bemuͤhung um
Nachruhm iſt Unſinn; denn nur bey voͤllig ver-
blendeter Vernunft und voͤlliger Trunkenheit der
Sinne kann man den Einfall bekommen, durch
Zerſtoͤrung ohne Zweck und empoͤrende Thaten,
ſeinem Namen Unſterblichkeit zu verſchaffen. Es
giebt deren freylich Mehrere, die den Anſchein ha-
ben, als wollten ſie durch ihre Unthaten bewirken,
daß das Aufſehn, welches ſie machen, auch nach
ihrem Tode noch fortdaure; aber, wenn dies
gleich geſchieht, ſo glaub' ich doch kaum, daß ſie
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*) Heroſtratus wollte den Tempel der Diana zu
Epheſus zerſtoͤren; wie man ſagt, um ſich nach dem
Tode noch nennen zu laſſen.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/187>, abgerufen am 16.02.2025.
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