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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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ruhigter Geist entwarf, übersieht, daß er beru-
fen sey, der Führer einer Versammlung zu seyn,
die die Gründung der Glückseligkeit einer Nation
zum Zweck hat? Aber wer wird nicht unwillig
über den Mißbrauch, den die Leidenschaft mit
den herrlichen Talenten macht; wenn er denselben
Mann für oder wider einen Vorschlag aus Haß,
Rachsucht und Privatinteresse streiten sieht? --

Die Wirkungen des Triebes zu herrschen
werden durch die Quelle, aus welcher er entspringt,
bestimmt. Der große und edle Mann wird durch
ihn aufgefordert werden, sich diejenigen Vorzüge
zu verschaffen, welche ihm ein Recht über Andre
verstatten; und in der Wahl der Mittel, sein
Recht geltend zu machen, von der Weisheit ge-
leitet werden. Er will keine Sclaven, sondern
Menschen, die ihm aus Einsicht und gern fol-
gen, und ist daher bemüht, jedermann davon zu
überzeugen, daß seine Herrschaft kein Joch, son-
dern eine Führerin zur Glückseligkeit ist.

Ganz anders der blinde Egoist, der wahren
Menschenwerth nicht kennt, und sich durch kleine
Vortheile, zu welchen er verhelfen kann, berech-
tigt glaubt, Menschen, wie Sclaven zu behan-
deln. Er will unbedingten Gehorsam, blinden
Glauben an seine Autorität. Er duldet keinen
Widerspruch, keine Weigerung, denn, weil
das Gefühl seiner eignen Kraft nicht sehr groß

seyn
Gg 2

ruhigter Geiſt entwarf, uͤberſieht, daß er beru-
fen ſey, der Fuͤhrer einer Verſammlung zu ſeyn,
die die Gruͤndung der Gluͤckſeligkeit einer Nation
zum Zweck hat? Aber wer wird nicht unwillig
uͤber den Mißbrauch, den die Leidenſchaft mit
den herrlichen Talenten macht; wenn er denſelben
Mann fuͤr oder wider einen Vorſchlag aus Haß,
Rachſucht und Privatintereſſe ſtreiten ſieht? —

Die Wirkungen des Triebes zu herrſchen
werden durch die Quelle, aus welcher er entſpringt,
beſtimmt. Der große und edle Mann wird durch
ihn aufgefordert werden, ſich diejenigen Vorzuͤge
zu verſchaffen, welche ihm ein Recht uͤber Andre
verſtatten; und in der Wahl der Mittel, ſein
Recht geltend zu machen, von der Weisheit ge-
leitet werden. Er will keine Sclaven, ſondern
Menſchen, die ihm aus Einſicht und gern fol-
gen, und iſt daher bemuͤht, jedermann davon zu
uͤberzeugen, daß ſeine Herrſchaft kein Joch, ſon-
dern eine Fuͤhrerin zur Gluͤckſeligkeit iſt.

Ganz anders der blinde Egoiſt, der wahren
Menſchenwerth nicht kennt, und ſich durch kleine
Vortheile, zu welchen er verhelfen kann, berech-
tigt glaubt, Menſchen, wie Sclaven zu behan-
deln. Er will unbedingten Gehorſam, blinden
Glauben an ſeine Autoritaͤt. Er duldet keinen
Widerſpruch, keine Weigerung, denn, weil
das Gefuͤhl ſeiner eignen Kraft nicht ſehr groß

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[467/0183] ruhigter Geiſt entwarf, uͤberſieht, daß er beru- fen ſey, der Fuͤhrer einer Verſammlung zu ſeyn, die die Gruͤndung der Gluͤckſeligkeit einer Nation zum Zweck hat? Aber wer wird nicht unwillig uͤber den Mißbrauch, den die Leidenſchaft mit den herrlichen Talenten macht; wenn er denſelben Mann fuͤr oder wider einen Vorſchlag aus Haß, Rachſucht und Privatintereſſe ſtreiten ſieht? — Die Wirkungen des Triebes zu herrſchen werden durch die Quelle, aus welcher er entſpringt, beſtimmt. Der große und edle Mann wird durch ihn aufgefordert werden, ſich diejenigen Vorzuͤge zu verſchaffen, welche ihm ein Recht uͤber Andre verſtatten; und in der Wahl der Mittel, ſein Recht geltend zu machen, von der Weisheit ge- leitet werden. Er will keine Sclaven, ſondern Menſchen, die ihm aus Einſicht und gern fol- gen, und iſt daher bemuͤht, jedermann davon zu uͤberzeugen, daß ſeine Herrſchaft kein Joch, ſon- dern eine Fuͤhrerin zur Gluͤckſeligkeit iſt. Ganz anders der blinde Egoiſt, der wahren Menſchenwerth nicht kennt, und ſich durch kleine Vortheile, zu welchen er verhelfen kann, berech- tigt glaubt, Menſchen, wie Sclaven zu behan- deln. Er will unbedingten Gehorſam, blinden Glauben an ſeine Autoritaͤt. Er duldet keinen Widerſpruch, keine Weigerung, denn, weil das Gefuͤhl ſeiner eignen Kraft nicht ſehr groß ſeyn Gg 2

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/183>, abgerufen am 25.11.2024.