"lernen, und zittern vor dem Gedanken, die Be- "fehle Eurer Kirche zu verachten. Lasset Euren "strafenden Zorn über Heinrich schleunig ausbre- "chen, damit kein Zweifel übrig bleibe, daß sein "Unglück das Werk Eurer Gewalt und nicht des "Zufalls sey."
Bonifacius ließ durch einen Legaten, den Bischof von Pamiers, den König Philipp von Frankreich mit Bann und Jnterdict bedrohen, weil er mit Kaiser Albert von Oesterreich im Bündnisse stand. Philipp ließ den alle Gese- tze der einer Majestät schuldigen Ehrfurcht ver- letzenden Legaten auf die schonendste Weise in Ver- haft nehmen -- aber Bonifacius, darüber er- zürnt, fertigt eine wüthende Bulle wider [d]en Kö- nig aus, in welcher es unter andern heißt:
"Gott hat mich über die Könige und König- "reiche gesetzt, um in seinem Namen und durch "seine Lehre auszureißen, zu zerstören, zu verder- "ben, zu zerstreuen, zu bauen und zu pflanzen."
Dem Beyspiel ihres Oberhirten folgten die übrigen Geistlichen treulich nach. Sie mischten sich in alles, und keiner durfte sich, wenn es ih- nen zuwider war, selbst um das bekümmern, wor- auf er doch ein Recht hatte. Man durchlaufe die Geschichte der Schulen und Academien in den
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„lernen, und zittern vor dem Gedanken, die Be- „fehle Eurer Kirche zu verachten. Laſſet Euren „ſtrafenden Zorn uͤber Heinrich ſchleunig ausbre- „chen, damit kein Zweifel uͤbrig bleibe, daß ſein „Ungluͤck das Werk Eurer Gewalt und nicht des „Zufalls ſey.„
Bonifacius ließ durch einen Legaten, den Biſchof von Pamiers, den Koͤnig Philipp von Frankreich mit Bann und Jnterdict bedrohen, weil er mit Kaiſer Albert von Oeſterreich im Buͤndniſſe ſtand. Philipp ließ den alle Geſe- tze der einer Majeſtaͤt ſchuldigen Ehrfurcht ver- letzenden Legaten auf die ſchonendſte Weiſe in Ver- haft nehmen — aber Bonifacius, daruͤber er- zuͤrnt, fertigt eine wuͤthende Bulle wider [d]en Koͤ- nig aus, in welcher es unter andern heißt:
„Gott hat mich uͤber die Koͤnige und Koͤnig- „reiche geſetzt, um in ſeinem Namen und durch „ſeine Lehre auszureißen, zu zerſtoͤren, zu verder- „ben, zu zerſtreuen, zu bauen und zu pflanzen.„
Dem Beyſpiel ihres Oberhirten folgten die uͤbrigen Geiſtlichen treulich nach. Sie miſchten ſich in alles, und keiner durfte ſich, wenn es ih- nen zuwider war, ſelbſt um das bekuͤmmern, wor- auf er doch ein Recht hatte. Man durchlaufe die Geſchichte der Schulen und Academien in den
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„lernen, und zittern vor dem Gedanken, die Be-
„fehle Eurer Kirche zu verachten. Laſſet Euren
„ſtrafenden Zorn uͤber Heinrich ſchleunig ausbre-
„chen, damit kein Zweifel uͤbrig bleibe, daß ſein
„Ungluͤck das Werk Eurer Gewalt und nicht des
„Zufalls ſey.„
Bonifacius ließ durch einen Legaten, den
Biſchof von Pamiers, den Koͤnig Philipp von
Frankreich mit Bann und Jnterdict bedrohen,
weil er mit Kaiſer Albert von Oeſterreich im
Buͤndniſſe ſtand. Philipp ließ den alle Geſe-
tze der einer Majeſtaͤt ſchuldigen Ehrfurcht ver-
letzenden Legaten auf die ſchonendſte Weiſe in Ver-
haft nehmen — aber Bonifacius, daruͤber er-
zuͤrnt, fertigt eine wuͤthende Bulle wider den Koͤ-
nig aus, in welcher es unter andern heißt:
„Gott hat mich uͤber die Koͤnige und Koͤnig-
„reiche geſetzt, um in ſeinem Namen und durch
„ſeine Lehre auszureißen, zu zerſtoͤren, zu verder-
„ben, zu zerſtreuen, zu bauen und zu pflanzen.„
Dem Beyſpiel ihres Oberhirten folgten die
uͤbrigen Geiſtlichen treulich nach. Sie miſchten
ſich in alles, und keiner durfte ſich, wenn es ih-
nen zuwider war, ſelbſt um das bekuͤmmern, wor-
auf er doch ein Recht hatte. Man durchlaufe
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/162>, abgerufen am 23.11.2024.
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