Et si fractus illabatur orbis Impavidum ferient ruinae*).
Fern von erniedrigendem Eigennutz und knechtischer Furcht, sucht er seinen Stolz in der Tugend -- und folgt keinen Maximen, als de- nen, welche die Vernunft für allgemeine Gesetze vernünftiger Wesen erkennt. Ernst und Würde sind in seinem Gesicht: und der Himmel in seiner Seele. Er sagt Wahrheit, und hört sie.
Edlen Stolz und hohes Gemüth zeigt der Marquis von Posa in Schillers vortreflichem Dom Karlos.
Rodrigo von Posa wuchs mit dem jungen Prinzen auf -- schon als Knabe so groß, daß selbst der edle Prinz den Muth verlor, ihm gleich zu seyn. Durch tausend Zärtlichkeiten suchte dieser den jungen Rodrigo, den er gränzenlos liebte, seine warme Bruderliebe zu bezeugen: aber der Stolze gab sie ihm kalt zurück -- kniete kalt und ernsthaft vor dem Prinzen nieder, indeß er Va- sallenkinder brüderlich in seine Arme schloß. So macht es der auf Kraftgefühl gegründete, edle, solide Stolz. Gern und willig giebt er den Gro- ßen der Erde den Zoll der äußern Ehrerbietung, den Er, der wahre Vorzüglichkeit kennt, so ge- ring hält: aber mit sich selbst geizt er gegen sie;
sich
*) Und stürzt die Welt in Trümmern zusammen, Sie zerschmettern den Edlen, aber schrecken ihn nicht.
Dd 2
Et ſi fractus illabatur orbis Impavidum ferient ruinae*).
Fern von erniedrigendem Eigennutz und knechtiſcher Furcht, ſucht er ſeinen Stolz in der Tugend — und folgt keinen Maximen, als de- nen, welche die Vernunft fuͤr allgemeine Geſetze vernuͤnftiger Weſen erkennt. Ernſt und Wuͤrde ſind in ſeinem Geſicht: und der Himmel in ſeiner Seele. Er ſagt Wahrheit, und hoͤrt ſie.
Edlen Stolz und hohes Gemuͤth zeigt der Marquis von Poſa in Schillers vortreflichem Dom Karlos.
Rodrigo von Poſa wuchs mit dem jungen Prinzen auf — ſchon als Knabe ſo groß, daß ſelbſt der edle Prinz den Muth verlor, ihm gleich zu ſeyn. Durch tauſend Zaͤrtlichkeiten ſuchte dieſer den jungen Rodrigo, den er graͤnzenlos liebte, ſeine warme Bruderliebe zu bezeugen: aber der Stolze gab ſie ihm kalt zuruͤck — kniete kalt und ernſthaft vor dem Prinzen nieder, indeß er Va- ſallenkinder bruͤderlich in ſeine Arme ſchloß. So macht es der auf Kraftgefuͤhl gegruͤndete, edle, ſolide Stolz. Gern und willig giebt er den Gro- ßen der Erde den Zoll der aͤußern Ehrerbietung, den Er, der wahre Vorzuͤglichkeit kennt, ſo ge- ring haͤlt: aber mit ſich ſelbſt geizt er gegen ſie;
ſich
*) Und ſtuͤrzt die Welt in Truͤmmern zuſammen, Sie zerſchmettern den Edlen, aber ſchrecken ihn nicht.
Dd 2
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Et ſi fractus illabatur orbis
Impavidum ferient ruinae *).
Fern von erniedrigendem Eigennutz und
knechtiſcher Furcht, ſucht er ſeinen Stolz in der
Tugend — und folgt keinen Maximen, als de-
nen, welche die Vernunft fuͤr allgemeine Geſetze
vernuͤnftiger Weſen erkennt. Ernſt und Wuͤrde
ſind in ſeinem Geſicht: und der Himmel in ſeiner
Seele. Er ſagt Wahrheit, und hoͤrt ſie.
Edlen Stolz und hohes Gemuͤth zeigt der
Marquis von Poſa in Schillers vortreflichem
Dom Karlos.
Rodrigo von Poſa wuchs mit dem jungen
Prinzen auf — ſchon als Knabe ſo groß, daß
ſelbſt der edle Prinz den Muth verlor, ihm gleich zu
ſeyn. Durch tauſend Zaͤrtlichkeiten ſuchte dieſer
den jungen Rodrigo, den er graͤnzenlos liebte,
ſeine warme Bruderliebe zu bezeugen: aber der
Stolze gab ſie ihm kalt zuruͤck — kniete kalt und
ernſthaft vor dem Prinzen nieder, indeß er Va-
ſallenkinder bruͤderlich in ſeine Arme ſchloß. So
macht es der auf Kraftgefuͤhl gegruͤndete, edle,
ſolide Stolz. Gern und willig giebt er den Gro-
ßen der Erde den Zoll der aͤußern Ehrerbietung,
den Er, der wahre Vorzuͤglichkeit kennt, ſo ge-
ring haͤlt: aber mit ſich ſelbſt geizt er gegen ſie;
ſich
*) Und ſtuͤrzt die Welt in Truͤmmern zuſammen,
Sie zerſchmettern den Edlen, aber ſchrecken ihn nicht.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/135>, abgerufen am 16.02.2025.
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