Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum Narren fehlt, bläst zur Karrikatur
Sich auf, und küßt den Rock, und pfeifet:
"Monseignour
Suis a vos ordres für fünftausend Gulden"
Betäubt, als säh er schon, zur Geißel seiner
Schulden,
Sich den Sequester nahn, erwiedert in C dur
Der Fürst: "Wie? was? Jhm Gurgler! Jhm?
fünftausend Gulden?
Mein Kanzler hat fünfhundert nur!"
"Mag seyn, spricht der Sopran mit unver-
schämten Lachen,
Die Kanzler können Sie auch dutzendweise
machen;
Doch ein Talent, wie meines, macht Natur."
*)

Nicht viel größer, als der Eingebildete ist
der Eitle, welcher in unbedeutenden Dingen sei-
ne Ehre sucht und auf dieselben seinen Stolz grün-
det. Putz, Titel, Ordensbänder und alles, was
äußern Schein, aber keinen innern Werth hat,
sind für ihn wichtige Sachen. Diese füllen sei-
nen Kopf, diese sind der immerwährende Ge-
genstand seiner Gespräche. Wenn er jemand
sieht, merkt er zuerst auf das, was an demselben
schimmert. Eine schöne Figur, ein herrlicher
Anzug, ein allerliebstes Compliment sind seine

Lobes-
*) Gotters Gedichte. 1. 198 ff.
Zum Narren fehlt, blaͤſt zur Karrikatur
Sich auf, und kuͤßt den Rock, und pfeifet:
„Monſeignour
Suis à vos ordres fuͤr fuͤnftauſend Gulden
Betaͤubt, als ſaͤh er ſchon, zur Geißel ſeiner
Schulden,
Sich den Sequeſter nahn, erwiedert in C dur
Der Fuͤrſt: „Wie? was? Jhm Gurgler! Jhm?
fuͤnftauſend Gulden?
Mein Kanzler hat fuͤnfhundert nur!„
„Mag ſeyn, ſpricht der Sopran mit unver-
ſchaͤmten Lachen,
Die Kanzler koͤnnen Sie auch dutzendweiſe
machen;
Doch ein Talent, wie meines, macht Natur.„
*)

Nicht viel groͤßer, als der Eingebildete iſt
der Eitle, welcher in unbedeutenden Dingen ſei-
ne Ehre ſucht und auf dieſelben ſeinen Stolz gruͤn-
det. Putz, Titel, Ordensbaͤnder und alles, was
aͤußern Schein, aber keinen innern Werth hat,
ſind fuͤr ihn wichtige Sachen. Dieſe fuͤllen ſei-
nen Kopf, dieſe ſind der immerwaͤhrende Ge-
genſtand ſeiner Geſpraͤche. Wenn er jemand
ſieht, merkt er zuerſt auf das, was an demſelben
ſchimmert. Eine ſchoͤne Figur, ein herrlicher
Anzug, ein allerliebſtes Compliment ſind ſeine

Lobes-
*) Gotters Gedichte. 1. 198 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <cit>
          <quote><pb facs="#f0127" n="411"/>
Zum Narren fehlt, bla&#x0364;&#x017F;t zur Karrikatur<lb/>
Sich auf, und ku&#x0364;ßt den Rock, und pfeifet:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">&#x201E;Mon&#x017F;eignour</hi></hi><lb/><hi rendition="#aq">Suis à vos ordres</hi> fu&#x0364;r <hi rendition="#b">fu&#x0364;nftau&#x017F;end Gulden</hi>&#x201E;<lb/>
Beta&#x0364;ubt, als &#x017F;a&#x0364;h er &#x017F;chon, zur Geißel &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#et">Schulden,</hi><lb/>
Sich den Seque&#x017F;ter nahn, erwiedert in <hi rendition="#aq">C</hi> dur<lb/>
Der Fu&#x0364;r&#x017F;t: &#x201E;Wie? was? Jhm Gurgler! Jhm?<lb/><hi rendition="#et">fu&#x0364;nftau&#x017F;end Gulden?</hi><lb/>
Mein Kanzler hat <hi rendition="#b">fu&#x0364;nfhundert</hi> nur!&#x201E;<lb/>
&#x201E;Mag &#x017F;eyn, &#x017F;pricht der Sopran mit unver-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;cha&#x0364;mten Lachen,</hi><lb/>
Die Kanzler ko&#x0364;nnen Sie auch dutzendwei&#x017F;e<lb/><hi rendition="#et">machen;</hi><lb/>
Doch ein Talent, wie meines, macht Natur.&#x201E;</quote>
        </cit>
        <note place="foot" n="*)">Gotters Gedichte. 1. 198 ff.</note><lb/>
        <p>Nicht viel gro&#x0364;ßer, als der Eingebildete i&#x017F;t<lb/>
der <hi rendition="#b">Eitle</hi>, welcher in unbedeutenden Dingen &#x017F;ei-<lb/>
ne Ehre &#x017F;ucht und auf die&#x017F;elben &#x017F;einen Stolz gru&#x0364;n-<lb/>
det. Putz, Titel, Ordensba&#x0364;nder und alles, was<lb/>
a&#x0364;ußern Schein, aber keinen innern Werth hat,<lb/>
&#x017F;ind fu&#x0364;r ihn wichtige Sachen. Die&#x017F;e fu&#x0364;llen &#x017F;ei-<lb/>
nen Kopf, die&#x017F;e &#x017F;ind der immerwa&#x0364;hrende Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand &#x017F;einer Ge&#x017F;pra&#x0364;che. Wenn er jemand<lb/>
&#x017F;ieht, merkt er zuer&#x017F;t auf das, was an dem&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;chimmert. Eine &#x017F;cho&#x0364;ne Figur, ein herrlicher<lb/>
Anzug, ein allerlieb&#x017F;tes Compliment &#x017F;ind &#x017F;eine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Lobes-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0127] Zum Narren fehlt, blaͤſt zur Karrikatur Sich auf, und kuͤßt den Rock, und pfeifet: „Monſeignour Suis à vos ordres fuͤr fuͤnftauſend Gulden„ Betaͤubt, als ſaͤh er ſchon, zur Geißel ſeiner Schulden, Sich den Sequeſter nahn, erwiedert in C dur Der Fuͤrſt: „Wie? was? Jhm Gurgler! Jhm? fuͤnftauſend Gulden? Mein Kanzler hat fuͤnfhundert nur!„ „Mag ſeyn, ſpricht der Sopran mit unver- ſchaͤmten Lachen, Die Kanzler koͤnnen Sie auch dutzendweiſe machen; Doch ein Talent, wie meines, macht Natur.„ *) Nicht viel groͤßer, als der Eingebildete iſt der Eitle, welcher in unbedeutenden Dingen ſei- ne Ehre ſucht und auf dieſelben ſeinen Stolz gruͤn- det. Putz, Titel, Ordensbaͤnder und alles, was aͤußern Schein, aber keinen innern Werth hat, ſind fuͤr ihn wichtige Sachen. Dieſe fuͤllen ſei- nen Kopf, dieſe ſind der immerwaͤhrende Ge- genſtand ſeiner Geſpraͤche. Wenn er jemand ſieht, merkt er zuerſt auf das, was an demſelben ſchimmert. Eine ſchoͤne Figur, ein herrlicher Anzug, ein allerliebſtes Compliment ſind ſeine Lobes- *) Gotters Gedichte. 1. 198 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/127
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/127>, abgerufen am 22.11.2024.