(denn in der Meynung des Stolzen ist er immer groß) entweder ganz nichtig, oder gering, oder wirklich groß: und hiernach der Stolz entweder Einbildung, oder Eitelkeit, oder solider Stolz.
Eingebildet ist der Gelehrte, welcher nur in seiner Meynung gelehrt, glaubt, daß er allent- halben bekannt sey, und die Aufmerksamkeit Aller errege.
Eingebildet ist der Thor, welcher, ohne männ- liche Dignität zu besitzen, alle weibliche Herzen zu rühren meynt: jeden Blick für eine Huldigung seiner Würde, jedes Wort für ein Liebesgeständ- niß hält.
Eingebildet ist das Kind, welches im Ver- trauen auf die Beschützer, welche es umgeben, die Vorübergehenden höhnt, und weil diese groß- müthig vorbeygehen, meynt, die Furcht vor ihm halte sie ab, dem Hohne zu begegnen.
Auch dann kann der Stolz Einbildung ge- nannt werden, wenn zwar dasjenige, worauf er sich gründet, wirklich in oder an dem Stolzen sich findet, aber der Werth, den er darauf setzt, chi- märisch ist. Einbildung dieser Art bethört den Mann, welcher mit Andern verbunden ein Ge- schäft oder ein Amt führt, und aus Blindheit ge- gen sich selbst und die mit ihm Verbundnen, sich für den einzigen hält, durch den das beabsichtete Ziel erreicht werden könne.
Ein-
Cc 2
(denn in der Meynung des Stolzen iſt er immer groß) entweder ganz nichtig, oder gering, oder wirklich groß: und hiernach der Stolz entweder Einbildung, oder Eitelkeit, oder ſolider Stolz.
Eingebildet iſt der Gelehrte, welcher nur in ſeiner Meynung gelehrt, glaubt, daß er allent- halben bekannt ſey, und die Aufmerkſamkeit Aller errege.
Eingebildet iſt der Thor, welcher, ohne maͤnn- liche Dignitaͤt zu beſitzen, alle weibliche Herzen zu ruͤhren meynt: jeden Blick fuͤr eine Huldigung ſeiner Wuͤrde, jedes Wort fuͤr ein Liebesgeſtaͤnd- niß haͤlt.
Eingebildet iſt das Kind, welches im Ver- trauen auf die Beſchuͤtzer, welche es umgeben, die Voruͤbergehenden hoͤhnt, und weil dieſe groß- muͤthig vorbeygehen, meynt, die Furcht vor ihm halte ſie ab, dem Hohne zu begegnen.
Auch dann kann der Stolz Einbildung ge- nannt werden, wenn zwar dasjenige, worauf er ſich gruͤndet, wirklich in oder an dem Stolzen ſich findet, aber der Werth, den er darauf ſetzt, chi- maͤriſch iſt. Einbildung dieſer Art bethoͤrt den Mann, welcher mit Andern verbunden ein Ge- ſchaͤft oder ein Amt fuͤhrt, und aus Blindheit ge- gen ſich ſelbſt und die mit ihm Verbundnen, ſich fuͤr den einzigen haͤlt, durch den das beabſichtete Ziel erreicht werden koͤnne.
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(denn in der Meynung des Stolzen iſt er immer
groß) entweder ganz nichtig, oder gering, oder
wirklich groß: und hiernach der Stolz entweder
Einbildung, oder Eitelkeit, oder ſolider Stolz.
Eingebildet iſt der Gelehrte, welcher nur in
ſeiner Meynung gelehrt, glaubt, daß er allent-
halben bekannt ſey, und die Aufmerkſamkeit Aller
errege.
Eingebildet iſt der Thor, welcher, ohne maͤnn-
liche Dignitaͤt zu beſitzen, alle weibliche Herzen
zu ruͤhren meynt: jeden Blick fuͤr eine Huldigung
ſeiner Wuͤrde, jedes Wort fuͤr ein Liebesgeſtaͤnd-
niß haͤlt.
Eingebildet iſt das Kind, welches im Ver-
trauen auf die Beſchuͤtzer, welche es umgeben,
die Voruͤbergehenden hoͤhnt, und weil dieſe groß-
muͤthig vorbeygehen, meynt, die Furcht vor ihm
halte ſie ab, dem Hohne zu begegnen.
Auch dann kann der Stolz Einbildung ge-
nannt werden, wenn zwar dasjenige, worauf er
ſich gruͤndet, wirklich in oder an dem Stolzen ſich
findet, aber der Werth, den er darauf ſetzt, chi-
maͤriſch iſt. Einbildung dieſer Art bethoͤrt den
Mann, welcher mit Andern verbunden ein Ge-
ſchaͤft oder ein Amt fuͤhrt, und aus Blindheit ge-
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fuͤr den einzigen haͤlt, durch den das beabſichtete
Ziel erreicht werden koͤnne.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/119>, abgerufen am 22.11.2024.
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