nes geht ihm über alles, er will durchaus als ein solcher angesehen werden, den große, das Ganze befassende Absichten leiten. Darum verwendet er sich gern für das Jnteresse Anderer; schweigt, wenn dem Seinigen zuwider gehandelt wird, aber redet desto lauter und handelt desto nachdrückli- cher, wenn es für Andre gilt. Die Ehre seiner Freunde ist die seinige; ihre Kränkungen schmer- zen ihn doppelt. Wer den verachtet, der seine Achtung hat, schneidet in das Jnnerste seines Ge- fühls. Schmeicheley ist ihm verhaßt, aber vor wahrem Verdienst neigt er sich gern, weil die An- erkennung wahrer Ehre auch ihm Ehre giebt, und nur dann bezahlt er vielleicht nicht öffentlich dem Verdienst seinen Tribut, wenn er fürchtet, man werde ihn mißverstehen, und die Achtung des Verdienstes für schmeichelnde Demüthigung vor der Person halten. Er läßt sich gern von dem, welchem er freundschaftliche Theilnehmung zu- trauet, auf seine Fehler und Schwachheiten auf- merksam machen, aber erzürnt sich wider den Hämischen, und den, welcher ihn mit der Mine und dem Ansehn des Zuchtmeisters erinnert. Sein guter Name ist sein Stolz; geht dieser ver-
loren,
einer Vorstellung überlassen, aber sie erklärten öf- fentlich, daß sie keinen Sous für ihre That nehmen würden; denn, sagten sie, unser Patriotismus hat uns reichlich genug belohnt.
nes geht ihm uͤber alles, er will durchaus als ein ſolcher angeſehen werden, den große, das Ganze befaſſende Abſichten leiten. Darum verwendet er ſich gern fuͤr das Jntereſſe Anderer; ſchweigt, wenn dem Seinigen zuwider gehandelt wird, aber redet deſto lauter und handelt deſto nachdruͤckli- cher, wenn es fuͤr Andre gilt. Die Ehre ſeiner Freunde iſt die ſeinige; ihre Kraͤnkungen ſchmer- zen ihn doppelt. Wer den verachtet, der ſeine Achtung hat, ſchneidet in das Jnnerſte ſeines Ge- fuͤhls. Schmeicheley iſt ihm verhaßt, aber vor wahrem Verdienſt neigt er ſich gern, weil die An- erkennung wahrer Ehre auch ihm Ehre giebt, und nur dann bezahlt er vielleicht nicht oͤffentlich dem Verdienſt ſeinen Tribut, wenn er fuͤrchtet, man werde ihn mißverſtehen, und die Achtung des Verdienſtes fuͤr ſchmeichelnde Demuͤthigung vor der Perſon halten. Er laͤßt ſich gern von dem, welchem er freundſchaftliche Theilnehmung zu- trauet, auf ſeine Fehler und Schwachheiten auf- merkſam machen, aber erzuͤrnt ſich wider den Haͤmiſchen, und den, welcher ihn mit der Mine und dem Anſehn des Zuchtmeiſters erinnert. Sein guter Name iſt ſein Stolz; geht dieſer ver-
loren,
einer Vorſtellung uͤberlaſſen, aber ſie erklaͤrten oͤf- fentlich, daß ſie keinen Sous fuͤr ihre That nehmen wuͤrden; denn, ſagten ſie, unſer Patriotiſmus hat uns reichlich genug belohnt.
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nes geht ihm uͤber alles, er will durchaus als ein
ſolcher angeſehen werden, den große, das Ganze
befaſſende Abſichten leiten. Darum verwendet
er ſich gern fuͤr das Jntereſſe Anderer; ſchweigt,
wenn dem Seinigen zuwider gehandelt wird, aber
redet deſto lauter und handelt deſto nachdruͤckli-
cher, wenn es fuͤr Andre gilt. Die Ehre ſeiner
Freunde iſt die ſeinige; ihre Kraͤnkungen ſchmer-
zen ihn doppelt. Wer den verachtet, der ſeine
Achtung hat, ſchneidet in das Jnnerſte ſeines Ge-
fuͤhls. Schmeicheley iſt ihm verhaßt, aber vor
wahrem Verdienſt neigt er ſich gern, weil die An-
erkennung wahrer Ehre auch ihm Ehre giebt, und
nur dann bezahlt er vielleicht nicht oͤffentlich dem
Verdienſt ſeinen Tribut, wenn er fuͤrchtet, man
werde ihn mißverſtehen, und die Achtung des
Verdienſtes fuͤr ſchmeichelnde Demuͤthigung vor
der Perſon halten. Er laͤßt ſich gern von dem,
welchem er freundſchaftliche Theilnehmung zu-
trauet, auf ſeine Fehler und Schwachheiten auf-
merkſam machen, aber erzuͤrnt ſich wider den
Haͤmiſchen, und den, welcher ihn mit der Mine
und dem Anſehn des Zuchtmeiſters erinnert.
Sein guter Name iſt ſein Stolz; geht dieſer ver-
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*) einer Vorſtellung uͤberlaſſen, aber ſie erklaͤrten oͤf-
fentlich, daß ſie keinen Sous fuͤr ihre That nehmen
wuͤrden; denn, ſagten ſie, unſer Patriotiſmus hat
uns reichlich genug belohnt.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/102>, abgerufen am 05.08.2024.
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