Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Freundschaft zwischen
Den beyden ist zu treu, als daß der eine
Nicht spielen sollte nach des andern Stimmung.

Daher ist auch der Einfluß des Körpers auf die
Einbildungskraft nicht zu leugnen. Ein Körper
mit festen Nerven, gesunden Säften und einem
regelmäßigen Blutumlauf ist nicht so reizbar, als
der vollblütige, kränkliche und schwache. Daher
auch bey jenem die Einbildungskraft regelmäßig
und gesetzt, bey diesem unordentlich und aus-
schweifend. Allenthalben sieht der Hypochondrist
Gespenster und Schreckbilder. Wenn ein hypo-
chondrischer Wind, läßt Buttler seinen Hudibras
sagen, in den Eingeweiden tobt; so kommt es
darauf an, welche Richtung er nimmt; geht er
abwärts, so wird daraus der Ton, mit welchem
Democrit das Gerede des Pöbels vergleicht; steigt
er aber aufwärts, so ist es eine Erscheinung.

Boerhave, Tissot, Zimmermann und meh-
rere Aerzte erzählen merkwürdige Beyspiele von
den Wirkungen des Körpers auf die Phantasie,
die ich hier nicht anführen will, da sie schon von
vielen nacherzählt sind und ich also die Bekannt-
schaft des Lesers mit ihnen voraussetzen kann.

Auch Speise und Trank und überhaupt
Diät wirken auf das itzt von uns betrachtete Ver-
mögen der Seele. Denn aus der Nahrung be-

reitet
D 4
Die Freundſchaft zwiſchen
Den beyden iſt zu treu, als daß der eine
Nicht ſpielen ſollte nach des andern Stimmung.

Daher iſt auch der Einfluß des Koͤrpers auf die
Einbildungskraft nicht zu leugnen. Ein Koͤrper
mit feſten Nerven, geſunden Saͤften und einem
regelmaͤßigen Blutumlauf iſt nicht ſo reizbar, als
der vollbluͤtige, kraͤnkliche und ſchwache. Daher
auch bey jenem die Einbildungskraft regelmaͤßig
und geſetzt, bey dieſem unordentlich und aus-
ſchweifend. Allenthalben ſieht der Hypochondriſt
Geſpenſter und Schreckbilder. Wenn ein hypo-
chondriſcher Wind, laͤßt Buttler ſeinen Hudibras
ſagen, in den Eingeweiden tobt; ſo kommt es
darauf an, welche Richtung er nimmt; geht er
abwaͤrts, ſo wird daraus der Ton, mit welchem
Democrit das Gerede des Poͤbels vergleicht; ſteigt
er aber aufwaͤrts, ſo iſt es eine Erſcheinung.

Boerhave, Tiſſot, Zimmermann und meh-
rere Aerzte erzaͤhlen merkwuͤrdige Beyſpiele von
den Wirkungen des Koͤrpers auf die Phantaſie,
die ich hier nicht anfuͤhren will, da ſie ſchon von
vielen nacherzaͤhlt ſind und ich alſo die Bekannt-
ſchaft des Leſers mit ihnen vorausſetzen kann.

Auch Speiſe und Trank und uͤberhaupt
Diaͤt wirken auf das itzt von uns betrachtete Ver-
moͤgen der Seele. Denn aus der Nahrung be-

reitet
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0079" n="55"/>
          <cit>
            <quote>Die Freund&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen<lb/>
Den beyden i&#x017F;t zu treu, als daß der eine<lb/>
Nicht &#x017F;pielen &#x017F;ollte nach des andern Stimmung.</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Daher i&#x017F;t auch der Einfluß des <hi rendition="#b">Ko&#x0364;rpers</hi> auf die<lb/>
Einbildungskraft nicht zu leugnen. Ein Ko&#x0364;rper<lb/>
mit fe&#x017F;ten Nerven, ge&#x017F;unden Sa&#x0364;ften und einem<lb/>
regelma&#x0364;ßigen Blutumlauf i&#x017F;t nicht &#x017F;o reizbar, als<lb/>
der vollblu&#x0364;tige, kra&#x0364;nkliche und &#x017F;chwache. Daher<lb/>
auch bey jenem die Einbildungskraft regelma&#x0364;ßig<lb/>
und ge&#x017F;etzt, bey die&#x017F;em unordentlich und aus-<lb/>
&#x017F;chweifend. Allenthalben &#x017F;ieht der Hypochondri&#x017F;t<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;ter und Schreckbilder. Wenn ein hypo-<lb/>
chondri&#x017F;cher Wind, la&#x0364;ßt Buttler &#x017F;einen Hudibras<lb/>
&#x017F;agen, in den Eingeweiden tobt; &#x017F;o kommt es<lb/>
darauf an, welche Richtung er nimmt; geht er<lb/>
abwa&#x0364;rts, &#x017F;o wird daraus der Ton, mit welchem<lb/>
Democrit das Gerede des Po&#x0364;bels vergleicht; &#x017F;teigt<lb/>
er aber aufwa&#x0364;rts, &#x017F;o i&#x017F;t es eine <hi rendition="#b">Er&#x017F;cheinung</hi>.</p><lb/>
          <p>Boerhave, Ti&#x017F;&#x017F;ot, Zimmermann und meh-<lb/>
rere Aerzte erza&#x0364;hlen merkwu&#x0364;rdige Bey&#x017F;piele von<lb/>
den Wirkungen des Ko&#x0364;rpers auf die Phanta&#x017F;ie,<lb/>
die ich hier nicht anfu&#x0364;hren will, da &#x017F;ie &#x017F;chon von<lb/>
vielen nacherza&#x0364;hlt &#x017F;ind und ich al&#x017F;o die Bekannt-<lb/>
&#x017F;chaft des Le&#x017F;ers mit ihnen voraus&#x017F;etzen kann.</p><lb/>
          <p>Auch <hi rendition="#b">Spei&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#b">Trank</hi> und u&#x0364;berhaupt<lb/><hi rendition="#b">Dia&#x0364;t</hi> wirken auf das itzt von uns betrachtete Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen der Seele. Denn aus der Nahrung be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">reitet</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0079] Die Freundſchaft zwiſchen Den beyden iſt zu treu, als daß der eine Nicht ſpielen ſollte nach des andern Stimmung. Daher iſt auch der Einfluß des Koͤrpers auf die Einbildungskraft nicht zu leugnen. Ein Koͤrper mit feſten Nerven, geſunden Saͤften und einem regelmaͤßigen Blutumlauf iſt nicht ſo reizbar, als der vollbluͤtige, kraͤnkliche und ſchwache. Daher auch bey jenem die Einbildungskraft regelmaͤßig und geſetzt, bey dieſem unordentlich und aus- ſchweifend. Allenthalben ſieht der Hypochondriſt Geſpenſter und Schreckbilder. Wenn ein hypo- chondriſcher Wind, laͤßt Buttler ſeinen Hudibras ſagen, in den Eingeweiden tobt; ſo kommt es darauf an, welche Richtung er nimmt; geht er abwaͤrts, ſo wird daraus der Ton, mit welchem Democrit das Gerede des Poͤbels vergleicht; ſteigt er aber aufwaͤrts, ſo iſt es eine Erſcheinung. Boerhave, Tiſſot, Zimmermann und meh- rere Aerzte erzaͤhlen merkwuͤrdige Beyſpiele von den Wirkungen des Koͤrpers auf die Phantaſie, die ich hier nicht anfuͤhren will, da ſie ſchon von vielen nacherzaͤhlt ſind und ich alſo die Bekannt- ſchaft des Leſers mit ihnen vorausſetzen kann. Auch Speiſe und Trank und uͤberhaupt Diaͤt wirken auf das itzt von uns betrachtete Ver- moͤgen der Seele. Denn aus der Nahrung be- reitet D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/79
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/79>, abgerufen am 25.11.2024.