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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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nachsagen; aber wie nimmt denn nun die Seele
diese Jmpressionen aus dem Gehirn auf und wie
macht sie dieselben zu Vorstellungen? -- Davon
sagen uns die Nervenhypothesen so wenig, als
irgend eine andre. --

Das Vermögen der Seele, nach welchem
sie Eindrücke von Dingen aufnehmen kann, ist die
Sinnlichkeit, welche in so fern die auf den Men-
schen wirkende Dinge außerhalb seines Jchs sich
befinden, äußerer Sinn genannt wird, im
Gegensatz des innern Sinnes oder des Vermö-
gens, seine eignen Veränderungen wahrzunehmen.

Wir können aber vermittelst des äußern Sin-
nes auf fünf verschiedne Arten afficirt werden, da-
her zählet man fünf Sinne.

Von diesen giebt man dem Gesicht und Ge-
hör
den Namen der feinern und edlen Sinne,
weil durch sie das Herz vorzüglich zu feinen Ge-
fühlen geweckt wird, und sie überhaupt mit dem
edelsten Theil des Menschen, der Seele, im ge-
nauesten Zusammenhange stehen. -- Durch das
Auge erfreut uns die Natur, erfüllt uns die
Schönheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die
Erhabenheit mit Bewundrung und Erstaunen.
Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra-
che der Musik zu unserm Herzen und bewegt uns --
und Auge und Ohr machen es möglich, was un-

mög-

nachſagen; aber wie nimmt denn nun die Seele
dieſe Jmpreſſionen aus dem Gehirn auf und wie
macht ſie dieſelben zu Vorſtellungen? — Davon
ſagen uns die Nervenhypotheſen ſo wenig, als
irgend eine andre. —

Das Vermoͤgen der Seele, nach welchem
ſie Eindruͤcke von Dingen aufnehmen kann, iſt die
Sinnlichkeit, welche in ſo fern die auf den Men-
ſchen wirkende Dinge außerhalb ſeines Jchs ſich
befinden, aͤußerer Sinn genannt wird, im
Gegenſatz des innern Sinnes oder des Vermoͤ-
gens, ſeine eignen Veraͤnderungen wahrzunehmen.

Wir koͤnnen aber vermittelſt des aͤußern Sin-
nes auf fuͤnf verſchiedne Arten afficirt werden, da-
her zaͤhlet man fuͤnf Sinne.

Von dieſen giebt man dem Geſicht und Ge-
hoͤr
den Namen der feinern und edlen Sinne,
weil durch ſie das Herz vorzuͤglich zu feinen Ge-
fuͤhlen geweckt wird, und ſie uͤberhaupt mit dem
edelſten Theil des Menſchen, der Seele, im ge-
naueſten Zuſammenhange ſtehen. — Durch das
Auge erfreut uns die Natur, erfuͤllt uns die
Schoͤnheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die
Erhabenheit mit Bewundrung und Erſtaunen.
Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra-
che der Muſik zu unſerm Herzen und bewegt uns —
und Auge und Ohr machen es moͤglich, was un-

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[14/0038] nachſagen; aber wie nimmt denn nun die Seele dieſe Jmpreſſionen aus dem Gehirn auf und wie macht ſie dieſelben zu Vorſtellungen? — Davon ſagen uns die Nervenhypotheſen ſo wenig, als irgend eine andre. — Das Vermoͤgen der Seele, nach welchem ſie Eindruͤcke von Dingen aufnehmen kann, iſt die Sinnlichkeit, welche in ſo fern die auf den Men- ſchen wirkende Dinge außerhalb ſeines Jchs ſich befinden, aͤußerer Sinn genannt wird, im Gegenſatz des innern Sinnes oder des Vermoͤ- gens, ſeine eignen Veraͤnderungen wahrzunehmen. Wir koͤnnen aber vermittelſt des aͤußern Sin- nes auf fuͤnf verſchiedne Arten afficirt werden, da- her zaͤhlet man fuͤnf Sinne. Von dieſen giebt man dem Geſicht und Ge- hoͤr den Namen der feinern und edlen Sinne, weil durch ſie das Herz vorzuͤglich zu feinen Ge- fuͤhlen geweckt wird, und ſie uͤberhaupt mit dem edelſten Theil des Menſchen, der Seele, im ge- naueſten Zuſammenhange ſtehen. — Durch das Auge erfreut uns die Natur, erfuͤllt uns die Schoͤnheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die Erhabenheit mit Bewundrung und Erſtaunen. Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra- che der Muſik zu unſerm Herzen und bewegt uns — und Auge und Ohr machen es moͤglich, was un- moͤg-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/38>, abgerufen am 21.11.2024.