ist. Eine närrische Figur! Aber sie mag rei- sen; denn ich will keine künstlichen Umschweife brauchen. Laßt uns also annehmen, daß er toll ist; und nun ist noch übrig, daß wir die Ursa- che dieses Effekts, oder richtiger zu reden, die Ursache dieses Defekts ausfindig machen; denn dieser defekte Effekt hat seine Ursache. Das bleibt übrig; und dies ist das Uebriggebliebene."*) -- Nach diesen Träumereyen, mit welchen er den König und die Königin bis aufs äußerste quälte, kommt er endlich zu der Entdeckung, daß der Prinz seine Tochter liebe; kann aber doch nicht unterlassen auch hier noch oft seine Rede durch ähnliche Anmerkungen zu unterbrechen.
Nahe verwandt mit der philosophischen Schwärmerey ist die theologische, ein monstrum horrendum, informe, ingens, cui lumen ademtum.
Schrecklich sind die Gemählde, welche die Kirchengeschichte von den Greueln aufstellt, wel- che durch sie bewirkt worden sind: denn keine kömmt ihr an grausamer Jntoleranz gleich, weil sie der Gottheit einen Dienst zu thun glaubt, wenn sie diejenigen verfolgt und verketzert, welche ihren Glauben nicht annehmen.
Sie findet in jedem Wort eine mystische Be- deutung; grübelt über die unbedeutendsten Klei-
nig-
*) Shakesp. Hamlet. 2. Aufz. 2. Auftr.
iſt. Eine naͤrriſche Figur! Aber ſie mag rei- ſen; denn ich will keine kuͤnſtlichen Umſchweife brauchen. Laßt uns alſo annehmen, daß er toll iſt; und nun iſt noch uͤbrig, daß wir die Urſa- che dieſes Effekts, oder richtiger zu reden, die Urſache dieſes Defekts ausfindig machen; denn dieſer defekte Effekt hat ſeine Urſache. Das bleibt uͤbrig; und dies iſt das Uebriggebliebene.„*) — Nach dieſen Traͤumereyen, mit welchen er den Koͤnig und die Koͤnigin bis aufs aͤußerſte quaͤlte, kommt er endlich zu der Entdeckung, daß der Prinz ſeine Tochter liebe; kann aber doch nicht unterlaſſen auch hier noch oft ſeine Rede durch aͤhnliche Anmerkungen zu unterbrechen.
Nahe verwandt mit der philoſophiſchen Schwaͤrmerey iſt die theologiſche, ein monſtrum horrendum, informe, ingens, cui lumen ademtum.
Schrecklich ſind die Gemaͤhlde, welche die Kirchengeſchichte von den Greueln aufſtellt, wel- che durch ſie bewirkt worden ſind: denn keine koͤmmt ihr an grauſamer Jntoleranz gleich, weil ſie der Gottheit einen Dienſt zu thun glaubt, wenn ſie diejenigen verfolgt und verketzert, welche ihren Glauben nicht annehmen.
Sie findet in jedem Wort eine myſtiſche Be- deutung; gruͤbelt uͤber die unbedeutendſten Klei-
nig-
*) Shakeſp. Hamlet. 2. Aufz. 2. Auftr.
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iſt. Eine naͤrriſche Figur! Aber ſie mag rei-
ſen; denn ich will keine kuͤnſtlichen Umſchweife
brauchen. Laßt uns alſo annehmen, daß er toll
iſt; und nun iſt noch uͤbrig, daß wir die Urſa-
che dieſes Effekts, oder richtiger zu reden, die
Urſache dieſes Defekts ausfindig machen; denn
dieſer defekte Effekt hat ſeine Urſache. Das bleibt
uͤbrig; und dies iſt das Uebriggebliebene.„ *) —
Nach dieſen Traͤumereyen, mit welchen er den
Koͤnig und die Koͤnigin bis aufs aͤußerſte quaͤlte,
kommt er endlich zu der Entdeckung, daß der
Prinz ſeine Tochter liebe; kann aber doch nicht
unterlaſſen auch hier noch oft ſeine Rede durch
aͤhnliche Anmerkungen zu unterbrechen.
Nahe verwandt mit der philoſophiſchen
Schwaͤrmerey iſt die theologiſche, ein
monſtrum horrendum, informe, ingens,
cui lumen ademtum.
Schrecklich ſind die Gemaͤhlde, welche die
Kirchengeſchichte von den Greueln aufſtellt, wel-
che durch ſie bewirkt worden ſind: denn keine
koͤmmt ihr an grauſamer Jntoleranz gleich, weil
ſie der Gottheit einen Dienſt zu thun glaubt, wenn
ſie diejenigen verfolgt und verketzert, welche ihren
Glauben nicht annehmen.
Sie findet in jedem Wort eine myſtiſche Be-
deutung; gruͤbelt uͤber die unbedeutendſten Klei-
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*) Shakeſp. Hamlet. 2. Aufz. 2. Auftr.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/272>, abgerufen am 16.02.2025.
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