witzes zu finden glaubt, kommt zu ihnen, und versichert, er habe die wahre Ursach von Hamlets Verrücktheit ausfindig gemacht. Der König und die Mutter des Prinzen brennen vor Verlangen, dieselbe zu erfahren, und bitten dringend, sie ih- nen gleich mitzutheilen. Statt nun durch eine schnelle und kurze Eröfnung seiner Gedanken das Verlangen derselben zu stillen, fängt der Pedant folgende Oration an:
"Mein König und meine Königin, wollt' ich mich lange dabey aufhalten, was Majestät seyn muß, was Pflicht des Unterthanen ist, war- um der Tag, Tag, und die Nacht, Nacht, und die Zeit, Zeit ist, so hieße das weiter nichts, als Nacht, Tag und Zeit verschwenden. Darum da Kürze die Seele des Witzes ist, und langwie- rige Weitläuftigkeit nur das Aeußere der Rede aufschmückt, so will ich kurz seyn. Euer edler Sohn ist toll, toll nenn' ich es; denn, wenn man die wahre Tollheit beschreiben will, was ist sie anders, als, sonst nichts, als toll zu seyn? Aber das bey Seite gesetzt -- Königin. Mehr Sachen und weniger Um- schweife! Pol. Jch kann darauf schwören, Königin, ich brauche nicht die geringsten Umschweife. Daß er toll ist, das ist wahr; es ist wahr, es ist zu bedauren; und zu bedauren ist es, daß es wahr
ist.
Q 4
witzes zu finden glaubt, kommt zu ihnen, und verſichert, er habe die wahre Urſach von Hamlets Verruͤcktheit ausfindig gemacht. Der Koͤnig und die Mutter des Prinzen brennen vor Verlangen, dieſelbe zu erfahren, und bitten dringend, ſie ih- nen gleich mitzutheilen. Statt nun durch eine ſchnelle und kurze Eroͤfnung ſeiner Gedanken das Verlangen derſelben zu ſtillen, faͤngt der Pedant folgende Oration an:
„Mein Koͤnig und meine Koͤnigin, wollt' ich mich lange dabey aufhalten, was Majeſtaͤt ſeyn muß, was Pflicht des Unterthanen iſt, war- um der Tag, Tag, und die Nacht, Nacht, und die Zeit, Zeit iſt, ſo hieße das weiter nichts, als Nacht, Tag und Zeit verſchwenden. Darum da Kuͤrze die Seele des Witzes iſt, und langwie- rige Weitlaͤuftigkeit nur das Aeußere der Rede aufſchmuͤckt, ſo will ich kurz ſeyn. Euer edler Sohn iſt toll, toll nenn' ich es; denn, wenn man die wahre Tollheit beſchreiben will, was iſt ſie anders, als, ſonſt nichts, als toll zu ſeyn? Aber das bey Seite geſetzt — Koͤnigin. Mehr Sachen und weniger Um- ſchweife! Pol. Jch kann darauf ſchwoͤren, Koͤnigin, ich brauche nicht die geringſten Umſchweife. Daß er toll iſt, das iſt wahr; es iſt wahr, es iſt zu bedauren; und zu bedauren iſt es, daß es wahr
iſt.
Q 4
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witzes zu finden glaubt, kommt zu ihnen, und
verſichert, er habe die wahre Urſach von Hamlets
Verruͤcktheit ausfindig gemacht. Der Koͤnig und
die Mutter des Prinzen brennen vor Verlangen,
dieſelbe zu erfahren, und bitten dringend, ſie ih-
nen gleich mitzutheilen. Statt nun durch eine
ſchnelle und kurze Eroͤfnung ſeiner Gedanken das
Verlangen derſelben zu ſtillen, faͤngt der Pedant
folgende Oration an:
„Mein Koͤnig und meine Koͤnigin, wollt'
ich mich lange dabey aufhalten, was Majeſtaͤt
ſeyn muß, was Pflicht des Unterthanen iſt, war-
um der Tag, Tag, und die Nacht, Nacht, und
die Zeit, Zeit iſt, ſo hieße das weiter nichts, als
Nacht, Tag und Zeit verſchwenden. Darum
da Kuͤrze die Seele des Witzes iſt, und langwie-
rige Weitlaͤuftigkeit nur das Aeußere der Rede
aufſchmuͤckt, ſo will ich kurz ſeyn.
Euer edler Sohn iſt toll, toll nenn' ich es;
denn, wenn man die wahre Tollheit beſchreiben
will, was iſt ſie anders, als, ſonſt nichts, als
toll zu ſeyn? Aber das bey Seite geſetzt —
Koͤnigin. Mehr Sachen und weniger Um-
ſchweife!
Pol. Jch kann darauf ſchwoͤren, Koͤnigin,
ich brauche nicht die geringſten Umſchweife. Daß
er toll iſt, das iſt wahr; es iſt wahr, es iſt zu
bedauren; und zu bedauren iſt es, daß es wahr
iſt.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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