stande urtheilen, sondern mit der Phantasie träu- men; denen es nicht darum zu thun ist, sich rich- tige Einsicht in den Vorwurf der Erkenntniß zu verschaffen; sondern denselben nach ihrer chimä- rischen Vorstellung auszubilden: die über die Wahrheit nicht nach Gründen, sondern nach Gefühlen entscheiden, und den, welcher ihrer Meynung nicht ist, nach dem Augustinischen Grundsatz: Coge illos fustibus etc. nicht ruhig anhören, sondern verachten, verfolgen, verketzern. Jch könnte hier eine sehr volle Gallerie solcher Schwärmer aus unsrer Zeit aufstellen, wenn mich nicht die große Menge periodischer und andrer Schriften, durch welche viele hieher gehörige Fakta bekannt geworden sind, dieser Mühe über- höbe. Jch begnüge mich damit, ganz kurz eini- ge besondre Arten von intellektuellen Schwärmern zu nennen.
Schon oben ist bemerkt worden, daß jeder Gegenstand, auch der allerabstrakteste, die Phantasie zur Schwärmerey entflammen könne, sobald er auf irgend eine Weise mit dem Herzen des Menschen in Verbindung kommt. Und es ist auch wohl kaum eine Wissenschaft oder Kunst aufzufinden, welche nicht unter ihren Verehrern einen oder den andern Schwärmer aufzuweisen hätte. Die Astrologen, Thaumaturgen, Chi- romantisten und wie sie weiter heißen mögen, sind
Bey-
ſtande urtheilen, ſondern mit der Phantaſie traͤu- men; denen es nicht darum zu thun iſt, ſich rich- tige Einſicht in den Vorwurf der Erkenntniß zu verſchaffen; ſondern denſelben nach ihrer chimaͤ- riſchen Vorſtellung auszubilden: die uͤber die Wahrheit nicht nach Gruͤnden, ſondern nach Gefuͤhlen entſcheiden, und den, welcher ihrer Meynung nicht iſt, nach dem Auguſtiniſchen Grundſatz: Coge illos fuſtibus etc. nicht ruhig anhoͤren, ſondern verachten, verfolgen, verketzern. Jch koͤnnte hier eine ſehr volle Gallerie ſolcher Schwaͤrmer aus unſrer Zeit aufſtellen, wenn mich nicht die große Menge periodiſcher und andrer Schriften, durch welche viele hieher gehoͤrige Fakta bekannt geworden ſind, dieſer Muͤhe uͤber- hoͤbe. Jch begnuͤge mich damit, ganz kurz eini- ge beſondre Arten von intellektuellen Schwaͤrmern zu nennen.
Schon oben iſt bemerkt worden, daß jeder Gegenſtand, auch der allerabſtrakteſte, die Phantaſie zur Schwaͤrmerey entflammen koͤnne, ſobald er auf irgend eine Weiſe mit dem Herzen des Menſchen in Verbindung kommt. Und es iſt auch wohl kaum eine Wiſſenſchaft oder Kunſt aufzufinden, welche nicht unter ihren Verehrern einen oder den andern Schwaͤrmer aufzuweiſen haͤtte. Die Aſtrologen, Thaumaturgen, Chi- romantiſten und wie ſie weiter heißen moͤgen, ſind
Bey-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0268"n="244"/>ſtande urtheilen, ſondern mit der Phantaſie traͤu-<lb/>
men; denen es nicht darum zu thun iſt, ſich rich-<lb/>
tige Einſicht in den Vorwurf der Erkenntniß zu<lb/>
verſchaffen; ſondern denſelben nach ihrer chimaͤ-<lb/>
riſchen Vorſtellung auszubilden: die uͤber die<lb/>
Wahrheit nicht nach Gruͤnden, ſondern nach<lb/>
Gefuͤhlen entſcheiden, und den, welcher ihrer<lb/>
Meynung nicht iſt, nach dem Auguſtiniſchen<lb/>
Grundſatz: <hirendition="#aq">Coge illos fuſtibus etc.</hi> nicht ruhig<lb/>
anhoͤren, ſondern verachten, verfolgen, verketzern.<lb/>
Jch koͤnnte hier eine ſehr volle Gallerie ſolcher<lb/>
Schwaͤrmer aus unſrer Zeit aufſtellen, wenn<lb/>
mich nicht die große Menge periodiſcher und andrer<lb/>
Schriften, durch welche viele hieher gehoͤrige<lb/>
Fakta bekannt geworden ſind, dieſer Muͤhe uͤber-<lb/>
hoͤbe. Jch begnuͤge mich damit, ganz kurz eini-<lb/>
ge beſondre Arten von intellektuellen Schwaͤrmern<lb/>
zu nennen.</p><lb/><p>Schon oben iſt bemerkt worden, daß jeder<lb/>
Gegenſtand, auch der allerabſtrakteſte, die<lb/>
Phantaſie zur Schwaͤrmerey entflammen koͤnne,<lb/>ſobald er auf irgend eine Weiſe mit dem Herzen<lb/>
des Menſchen in Verbindung kommt. Und es<lb/>
iſt auch wohl kaum eine Wiſſenſchaft oder Kunſt<lb/>
aufzufinden, welche nicht unter ihren Verehrern<lb/>
einen oder den andern Schwaͤrmer aufzuweiſen<lb/>
haͤtte. Die Aſtrologen, Thaumaturgen, Chi-<lb/>
romantiſten und wie ſie weiter heißen moͤgen, ſind<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Bey-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[244/0268]
ſtande urtheilen, ſondern mit der Phantaſie traͤu-
men; denen es nicht darum zu thun iſt, ſich rich-
tige Einſicht in den Vorwurf der Erkenntniß zu
verſchaffen; ſondern denſelben nach ihrer chimaͤ-
riſchen Vorſtellung auszubilden: die uͤber die
Wahrheit nicht nach Gruͤnden, ſondern nach
Gefuͤhlen entſcheiden, und den, welcher ihrer
Meynung nicht iſt, nach dem Auguſtiniſchen
Grundſatz: Coge illos fuſtibus etc. nicht ruhig
anhoͤren, ſondern verachten, verfolgen, verketzern.
Jch koͤnnte hier eine ſehr volle Gallerie ſolcher
Schwaͤrmer aus unſrer Zeit aufſtellen, wenn
mich nicht die große Menge periodiſcher und andrer
Schriften, durch welche viele hieher gehoͤrige
Fakta bekannt geworden ſind, dieſer Muͤhe uͤber-
hoͤbe. Jch begnuͤge mich damit, ganz kurz eini-
ge beſondre Arten von intellektuellen Schwaͤrmern
zu nennen.
Schon oben iſt bemerkt worden, daß jeder
Gegenſtand, auch der allerabſtrakteſte, die
Phantaſie zur Schwaͤrmerey entflammen koͤnne,
ſobald er auf irgend eine Weiſe mit dem Herzen
des Menſchen in Verbindung kommt. Und es
iſt auch wohl kaum eine Wiſſenſchaft oder Kunſt
aufzufinden, welche nicht unter ihren Verehrern
einen oder den andern Schwaͤrmer aufzuweiſen
haͤtte. Die Aſtrologen, Thaumaturgen, Chi-
romantiſten und wie ſie weiter heißen moͤgen, ſind
Bey-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/268>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.