Der eine trug alles Holz zum heimlichen Gemach, mit dem Vorgeben, daß er dort Branntwein bren- nen müsse. Der andre schlug zwey Aexte über einander, um auf die Art Holz zu spalten. Der dritte wühlte, gleich einem Schwein, mit dem Mund in der Erde. Der vierte gab vor, er wäre ein Rademacher, und fing an zu bohren. Auch setzte er ein Holz, worin ein Loch war, an den Mund, in der Meynung, er tränke den herrlichsten Trank. Der fünfte lief in die Schmie- deesse und wollte Fische fangen, die er darin her- umschwimmen sah. Das eine Mädchen, welches Spitzen machte, war überaus emsig, und warf die Klöppel unaufhörlich herum, verwirrte aber alles unter einander. Ein andres lief in die Stu- be, und schrie, daß alle böse Geister aus der Hölle hinter ihr herkämen.
Schlaflosigkeit ist ebenfalls hierbey nicht zu vergessen. Sie verwirrt die Phantasie und den Verstand. Man schläft nicht, drum will man sich mit Vorstellungen beschäftigen: man entbehrt aber doch der muntern Kraft, welche man bey gesundem Wachen hat, drum mischen sie sich un- ter einander, und werden zu Fratzen, Gespen- stern und Abentheuern. Wenn die Schlaflosig- keit nun lange anhält, so wird die Geisteskraft, weil sie sich nicht erholen kann, immer stumpfer,
und
Der eine trug alles Holz zum heimlichen Gemach, mit dem Vorgeben, daß er dort Branntwein bren- nen muͤſſe. Der andre ſchlug zwey Aexte uͤber einander, um auf die Art Holz zu ſpalten. Der dritte wuͤhlte, gleich einem Schwein, mit dem Mund in der Erde. Der vierte gab vor, er waͤre ein Rademacher, und fing an zu bohren. Auch ſetzte er ein Holz, worin ein Loch war, an den Mund, in der Meynung, er traͤnke den herrlichſten Trank. Der fuͤnfte lief in die Schmie- deeſſe und wollte Fiſche fangen, die er darin her- umſchwimmen ſah. Das eine Maͤdchen, welches Spitzen machte, war uͤberaus emſig, und warf die Kloͤppel unaufhoͤrlich herum, verwirrte aber alles unter einander. Ein andres lief in die Stu- be, und ſchrie, daß alle boͤſe Geiſter aus der Hoͤlle hinter ihr herkaͤmen.
Schlafloſigkeit iſt ebenfalls hierbey nicht zu vergeſſen. Sie verwirrt die Phantaſie und den Verſtand. Man ſchlaͤft nicht, drum will man ſich mit Vorſtellungen beſchaͤftigen: man entbehrt aber doch der muntern Kraft, welche man bey geſundem Wachen hat, drum miſchen ſie ſich un- ter einander, und werden zu Fratzen, Geſpen- ſtern und Abentheuern. Wenn die Schlafloſig- keit nun lange anhaͤlt, ſo wird die Geiſteskraft, weil ſie ſich nicht erholen kann, immer ſtumpfer,
und
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Der eine trug alles Holz zum heimlichen Gemach,
mit dem Vorgeben, daß er dort Branntwein bren-
nen muͤſſe. Der andre ſchlug zwey Aexte uͤber
einander, um auf die Art Holz zu ſpalten. Der
dritte wuͤhlte, gleich einem Schwein, mit dem
Mund in der Erde. Der vierte gab vor, er
waͤre ein Rademacher, und fing an zu bohren.
Auch ſetzte er ein Holz, worin ein Loch war, an
den Mund, in der Meynung, er traͤnke den
herrlichſten Trank. Der fuͤnfte lief in die Schmie-
deeſſe und wollte Fiſche fangen, die er darin her-
umſchwimmen ſah. Das eine Maͤdchen, welches
Spitzen machte, war uͤberaus emſig, und warf
die Kloͤppel unaufhoͤrlich herum, verwirrte aber
alles unter einander. Ein andres lief in die Stu-
be, und ſchrie, daß alle boͤſe Geiſter aus der
Hoͤlle hinter ihr herkaͤmen.
Schlafloſigkeit iſt ebenfalls hierbey nicht zu
vergeſſen. Sie verwirrt die Phantaſie und den
Verſtand. Man ſchlaͤft nicht, drum will man
ſich mit Vorſtellungen beſchaͤftigen: man entbehrt
aber doch der muntern Kraft, welche man bey
geſundem Wachen hat, drum miſchen ſie ſich un-
ter einander, und werden zu Fratzen, Geſpen-
ſtern und Abentheuern. Wenn die Schlafloſig-
keit nun lange anhaͤlt, ſo wird die Geiſteskraft,
weil ſie ſich nicht erholen kann, immer ſtumpfer,
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/206>, abgerufen am 25.11.2024.
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