Schlaf mitten unter seiner Handthierung beym Sitzen, Stehen oder Gehn. Wenn es ihm an- kömmt, zieht es ihm etlichemal die Stirn und Augen zusammen, bis diese vest zubleiben. Und sogleich hört der Gebrauch aller äußerlichen Sin- ne auf, hingegen fängt er schlafend an, dasjeni- ge zu thun, was er denselben ganzen Tag vom Morgen an, bis da ihn der Paroxismus überfiel, gethan hatte. Er betet z. B. den Morgensegen ganz andächtig, thut, als ob er Schuhe, Strüm- pfe und Kleider anzöge und sich wüsche, singet ein Morgenlied in gehöriger Melodie, und alle Verse in ihrer Ordnung, und das ganz vernehm- lich; wiederholet dann nach und nach alle Reden mit eben den Worten, womit er sie wachend aus- gesprochen, und drücket alle Geberden und Mi- nen sowohl im Gesicht als den übrigen Theilen des Leibes ganz natürlich aus. Er bleibt in dem Zim- mer, worin ihm sein Zufall begegnet, und wenn er wachend vorher gegangen war, geht er nun im Zimmer hin und her, ohne die Wände oder den Tisch darin zu berühren. Das Auf- und Absteigen von Treppen drückt er so aus, daß er die Schenkel einen um den andern, und zwar ziemlich derbe, so oft erhebt, als etwa Stufen in der Treppe gewesen seyn mögen. War es eine Wen- deltreppe, so geht er krumm herum, bey einer graden oder gebrochenen aber gerade oder winkelmäßig.
Wenn
Schlaf mitten unter ſeiner Handthierung beym Sitzen, Stehen oder Gehn. Wenn es ihm an- koͤmmt, zieht es ihm etlichemal die Stirn und Augen zuſammen, bis dieſe veſt zubleiben. Und ſogleich hoͤrt der Gebrauch aller aͤußerlichen Sin- ne auf, hingegen faͤngt er ſchlafend an, dasjeni- ge zu thun, was er denſelben ganzen Tag vom Morgen an, bis da ihn der Paroxiſmus uͤberfiel, gethan hatte. Er betet z. B. den Morgenſegen ganz andaͤchtig, thut, als ob er Schuhe, Struͤm- pfe und Kleider anzoͤge und ſich wuͤſche, ſinget ein Morgenlied in gehoͤriger Melodie, und alle Verſe in ihrer Ordnung, und das ganz vernehm- lich; wiederholet dann nach und nach alle Reden mit eben den Worten, womit er ſie wachend aus- geſprochen, und druͤcket alle Geberden und Mi- nen ſowohl im Geſicht als den uͤbrigen Theilen des Leibes ganz natuͤrlich aus. Er bleibt in dem Zim- mer, worin ihm ſein Zufall begegnet, und wenn er wachend vorher gegangen war, geht er nun im Zimmer hin und her, ohne die Waͤnde oder den Tiſch darin zu beruͤhren. Das Auf- und Abſteigen von Treppen druͤckt er ſo aus, daß er die Schenkel einen um den andern, und zwar ziemlich derbe, ſo oft erhebt, als etwa Stufen in der Treppe geweſen ſeyn moͤgen. War es eine Wen- deltreppe, ſo geht er krumm herum, bey einer graden oder gebrochenen aber gerade oder winkelmaͤßig.
Wenn
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Schlaf mitten unter ſeiner Handthierung beym
Sitzen, Stehen oder Gehn. Wenn es ihm an-
koͤmmt, zieht es ihm etlichemal die Stirn und
Augen zuſammen, bis dieſe veſt zubleiben. Und
ſogleich hoͤrt der Gebrauch aller aͤußerlichen Sin-
ne auf, hingegen faͤngt er ſchlafend an, dasjeni-
ge zu thun, was er denſelben ganzen Tag vom
Morgen an, bis da ihn der Paroxiſmus uͤberfiel,
gethan hatte. Er betet z. B. den Morgenſegen
ganz andaͤchtig, thut, als ob er Schuhe, Struͤm-
pfe und Kleider anzoͤge und ſich wuͤſche, ſinget
ein Morgenlied in gehoͤriger Melodie, und alle
Verſe in ihrer Ordnung, und das ganz vernehm-
lich; wiederholet dann nach und nach alle Reden
mit eben den Worten, womit er ſie wachend aus-
geſprochen, und druͤcket alle Geberden und Mi-
nen ſowohl im Geſicht als den uͤbrigen Theilen des
Leibes ganz natuͤrlich aus. Er bleibt in dem Zim-
mer, worin ihm ſein Zufall begegnet, und wenn
er wachend vorher gegangen war, geht er nun
im Zimmer hin und her, ohne die Waͤnde oder
den Tiſch darin zu beruͤhren. Das Auf- und
Abſteigen von Treppen druͤckt er ſo aus, daß er
die Schenkel einen um den andern, und zwar
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/136>, abgerufen am 21.11.2024.
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