Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

begleitetem Zustande sehr leicht begreifen. Von
den Vorstellungen ihrer Jmagination geblendet,
sehen sie die Gefahren nicht, welche mit ihren Un-
ternehmungen verknüpft sind, und können sich also
auch vor denselben nicht fürchten, welche Furcht-
losigkeit ihnen einen desto ungehindertern Gebrauch
ihrer Kräfte erlaubt, und sie da sicher gehen und
steigen läßt, wo sie wachend furchtsam seyn, und
daher gewiß fallen würden.

Die Geschichten des Johann Baptista Ne-
gretti und des italiänischen Edelmanns, Signor
Augustin Forari, sind zu bekannt, als daß ich
sie hier noch einmal erzählen dürfte. Jch begnü-
ge mich damit, die Beschreibung der Schlafhand-
lungen eines Seilers aus der Richerzschen Ab-
handlung vom Schlafwandern hieher zu setzen,
welche zugleich einen Beweis meiner Meynung
abgeben kann, daß die Schlafwanderer eine Art
Verrückter sind; weil es von diesem Manne be-
kannt ist, daß er auch im wachenden Zustande
Spuren der Verrücktheit sehen ließ.

Einen Seiler, heißt es in der angeführten
Abhandlung, (in welche diese Geschichte aus dem
Aufsatz eines glaubwürdigen Mannes, des Weima-
rischen Raths und Oberleibarztes, D. Johann
Caspar Müllers aufgenommen ist,) welcher drey
und zwanzig Jahr alt und eines melancholischen
Temperaments ist, überfällt bey Tage oft ein

Schlaf

begleitetem Zuſtande ſehr leicht begreifen. Von
den Vorſtellungen ihrer Jmagination geblendet,
ſehen ſie die Gefahren nicht, welche mit ihren Un-
ternehmungen verknuͤpft ſind, und koͤnnen ſich alſo
auch vor denſelben nicht fuͤrchten, welche Furcht-
loſigkeit ihnen einen deſto ungehindertern Gebrauch
ihrer Kraͤfte erlaubt, und ſie da ſicher gehen und
ſteigen laͤßt, wo ſie wachend furchtſam ſeyn, und
daher gewiß fallen wuͤrden.

Die Geſchichten des Johann Baptiſta Ne-
gretti und des italiaͤniſchen Edelmanns, Signor
Auguſtin Forari, ſind zu bekannt, als daß ich
ſie hier noch einmal erzaͤhlen duͤrfte. Jch begnuͤ-
ge mich damit, die Beſchreibung der Schlafhand-
lungen eines Seilers aus der Richerzſchen Ab-
handlung vom Schlafwandern hieher zu ſetzen,
welche zugleich einen Beweis meiner Meynung
abgeben kann, daß die Schlafwanderer eine Art
Verruͤckter ſind; weil es von dieſem Manne be-
kannt iſt, daß er auch im wachenden Zuſtande
Spuren der Verruͤcktheit ſehen ließ.

Einen Seiler, heißt es in der angefuͤhrten
Abhandlung, (in welche dieſe Geſchichte aus dem
Aufſatz eines glaubwuͤrdigen Mannes, des Weima-
riſchen Raths und Oberleibarztes, D. Johann
Caſpar Muͤllers aufgenommen iſt,) welcher drey
und zwanzig Jahr alt und eines melancholiſchen
Temperaments iſt, uͤberfaͤllt bey Tage oft ein

Schlaf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="111"/>
begleitetem Zu&#x017F;tande &#x017F;ehr leicht begreifen. Von<lb/>
den Vor&#x017F;tellungen ihrer Jmagination geblendet,<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ie die Gefahren nicht, welche mit ihren Un-<lb/>
ternehmungen verknu&#x0364;pft &#x017F;ind, und ko&#x0364;nnen &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
auch vor den&#x017F;elben nicht fu&#x0364;rchten, welche Furcht-<lb/>
lo&#x017F;igkeit ihnen einen de&#x017F;to ungehindertern Gebrauch<lb/>
ihrer Kra&#x0364;fte erlaubt, und &#x017F;ie da &#x017F;icher gehen und<lb/>
&#x017F;teigen la&#x0364;ßt, wo &#x017F;ie wachend furcht&#x017F;am &#x017F;eyn, und<lb/>
daher gewiß fallen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;chichten des Johann Bapti&#x017F;ta Ne-<lb/>
gretti und des italia&#x0364;ni&#x017F;chen Edelmanns, Signor<lb/>
Augu&#x017F;tin Forari, &#x017F;ind zu bekannt, als daß ich<lb/>
&#x017F;ie hier noch einmal erza&#x0364;hlen du&#x0364;rfte. Jch begnu&#x0364;-<lb/>
ge mich damit, die Be&#x017F;chreibung der Schlafhand-<lb/>
lungen eines Seilers aus der Richerz&#x017F;chen Ab-<lb/>
handlung vom Schlafwandern hieher zu &#x017F;etzen,<lb/>
welche zugleich einen Beweis meiner Meynung<lb/>
abgeben kann, daß die Schlafwanderer eine Art<lb/>
Verru&#x0364;ckter &#x017F;ind; weil es von die&#x017F;em Manne be-<lb/>
kannt i&#x017F;t, daß er auch im wachenden Zu&#x017F;tande<lb/>
Spuren der Verru&#x0364;cktheit &#x017F;ehen ließ.</p><lb/>
          <p>Einen Seiler, heißt es in der angefu&#x0364;hrten<lb/>
Abhandlung, (in welche die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte aus dem<lb/>
Auf&#x017F;atz eines glaubwu&#x0364;rdigen Mannes, des Weima-<lb/>
ri&#x017F;chen Raths und Oberleibarztes, D. Johann<lb/>
Ca&#x017F;par Mu&#x0364;llers aufgenommen i&#x017F;t,) welcher drey<lb/>
und zwanzig Jahr alt und eines melancholi&#x017F;chen<lb/>
Temperaments i&#x017F;t, u&#x0364;berfa&#x0364;llt bey Tage oft ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schlaf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0135] begleitetem Zuſtande ſehr leicht begreifen. Von den Vorſtellungen ihrer Jmagination geblendet, ſehen ſie die Gefahren nicht, welche mit ihren Un- ternehmungen verknuͤpft ſind, und koͤnnen ſich alſo auch vor denſelben nicht fuͤrchten, welche Furcht- loſigkeit ihnen einen deſto ungehindertern Gebrauch ihrer Kraͤfte erlaubt, und ſie da ſicher gehen und ſteigen laͤßt, wo ſie wachend furchtſam ſeyn, und daher gewiß fallen wuͤrden. Die Geſchichten des Johann Baptiſta Ne- gretti und des italiaͤniſchen Edelmanns, Signor Auguſtin Forari, ſind zu bekannt, als daß ich ſie hier noch einmal erzaͤhlen duͤrfte. Jch begnuͤ- ge mich damit, die Beſchreibung der Schlafhand- lungen eines Seilers aus der Richerzſchen Ab- handlung vom Schlafwandern hieher zu ſetzen, welche zugleich einen Beweis meiner Meynung abgeben kann, daß die Schlafwanderer eine Art Verruͤckter ſind; weil es von dieſem Manne be- kannt iſt, daß er auch im wachenden Zuſtande Spuren der Verruͤcktheit ſehen ließ. Einen Seiler, heißt es in der angefuͤhrten Abhandlung, (in welche dieſe Geſchichte aus dem Aufſatz eines glaubwuͤrdigen Mannes, des Weima- riſchen Raths und Oberleibarztes, D. Johann Caſpar Muͤllers aufgenommen iſt,) welcher drey und zwanzig Jahr alt und eines melancholiſchen Temperaments iſt, uͤberfaͤllt bey Tage oft ein Schlaf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/135
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/135>, abgerufen am 24.11.2024.