gewöhnlichen Bilder entwöhnen. Aber nachdem die Zeit der ersten Reue vorüber war, wo sich freylich noch öfters Gedanken an seinen vorherigen unglücklichen Zustand einfinden mußten; nachdem die Vorstellungen von der Würde und dem Se- gen der Tugend lebhafter in ihm wurden, als die von dem Elend des Lasters; da wurde er nur sel- ten noch von solchen Träumen beunruhigt, und endlich hörten sie ganz auf. Wessen Phantasie also oft seinen Schlaf durch unreine oder schänd- liche Traumbilder stört, der spreche sich wegen derselben doch ja nicht eher von aller Schuld frey, als bis er sich das Zeugniß geben kann, daß er im Zustande der Besonnenheit solche Vorstellungen von Herzen verabscheue, und sich aus allen Kräften bestrebe, dieselben aus seiner Seele zu verbannen.
Oft bedarf es nur des Arztes, um sich von beunruhigenden Traumgesichten zu befreyen. Ein gelehrter Theologe gerieth, besonders wenn er den Tag über sehr angestrengt studirt hatte, sehr oft des Nachts mit dem Teufel in Streit. Körper und Geist litten bey diesem ungleichen Kampfe un- aussprechlich. Er konnte es endlich nicht länger erdulden, und brach sein Studiren ab, um sich dadurch zu retten. Aber auch das verschaffte ihm noch nicht die völlige Ruhe. Endlich entdeckte er sich dem Arzte. Dieser merkte bald, wo der
Feind
F
gewoͤhnlichen Bilder entwoͤhnen. Aber nachdem die Zeit der erſten Reue voruͤber war, wo ſich freylich noch oͤfters Gedanken an ſeinen vorherigen ungluͤcklichen Zuſtand einfinden mußten; nachdem die Vorſtellungen von der Wuͤrde und dem Se- gen der Tugend lebhafter in ihm wurden, als die von dem Elend des Laſters; da wurde er nur ſel- ten noch von ſolchen Traͤumen beunruhigt, und endlich hoͤrten ſie ganz auf. Weſſen Phantaſie alſo oft ſeinen Schlaf durch unreine oder ſchaͤnd- liche Traumbilder ſtoͤrt, der ſpreche ſich wegen derſelben doch ja nicht eher von aller Schuld frey, als bis er ſich das Zeugniß geben kann, daß er im Zuſtande der Beſonnenheit ſolche Vorſtellungen von Herzen verabſcheue, und ſich aus allen Kraͤften beſtrebe, dieſelben aus ſeiner Seele zu verbannen.
Oft bedarf es nur des Arztes, um ſich von beunruhigenden Traumgeſichten zu befreyen. Ein gelehrter Theologe gerieth, beſonders wenn er den Tag uͤber ſehr angeſtrengt ſtudirt hatte, ſehr oft des Nachts mit dem Teufel in Streit. Koͤrper und Geiſt litten bey dieſem ungleichen Kampfe un- ausſprechlich. Er konnte es endlich nicht laͤnger erdulden, und brach ſein Studiren ab, um ſich dadurch zu retten. Aber auch das verſchaffte ihm noch nicht die voͤllige Ruhe. Endlich entdeckte er ſich dem Arzte. Dieſer merkte bald, wo der
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gewoͤhnlichen Bilder entwoͤhnen. Aber nachdem
die Zeit der erſten Reue voruͤber war, wo ſich
freylich noch oͤfters Gedanken an ſeinen vorherigen
ungluͤcklichen Zuſtand einfinden mußten; nachdem
die Vorſtellungen von der Wuͤrde und dem Se-
gen der Tugend lebhafter in ihm wurden, als die
von dem Elend des Laſters; da wurde er nur ſel-
ten noch von ſolchen Traͤumen beunruhigt, und
endlich hoͤrten ſie ganz auf. Weſſen Phantaſie
alſo oft ſeinen Schlaf durch unreine oder ſchaͤnd-
liche Traumbilder ſtoͤrt, der ſpreche ſich wegen
derſelben doch ja nicht eher von aller Schuld frey,
als bis er ſich das Zeugniß geben kann, daß er
im Zuſtande der Beſonnenheit ſolche Vorſtellungen
von Herzen verabſcheue, und ſich aus allen
Kraͤften beſtrebe, dieſelben aus ſeiner Seele zu
verbannen.
Oft bedarf es nur des Arztes, um ſich von
beunruhigenden Traumgeſichten zu befreyen. Ein
gelehrter Theologe gerieth, beſonders wenn er den
Tag uͤber ſehr angeſtrengt ſtudirt hatte, ſehr oft
des Nachts mit dem Teufel in Streit. Koͤrper
und Geiſt litten bey dieſem ungleichen Kampfe un-
ausſprechlich. Er konnte es endlich nicht laͤnger
erdulden, und brach ſein Studiren ab, um ſich
dadurch zu retten. Aber auch das verſchaffte ihm
noch nicht die voͤllige Ruhe. Endlich entdeckte
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/105>, abgerufen am 24.11.2024.
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