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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

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cher ein Mensch ist, und als solcher alle un-
verlierbare Rechte des Menschen besitzt. Ein
solches unverlierbares und unveräusserliches
Recht des Menschen ist die Befugniss, zu for-
dern, dass ihm die bösen Handlungen andrer
nur in sofern zugerechnet werden, als er dazu
ursachlich mitgewirkt hat; und es ist mithin
unerlaubt, ihm Uebel zuzufügen oder das
verdiente Uebel zu schärfen, weil es möglich
ist, dass Andere -- ohne von ihm verfuhrt
zu werden -- sich ähnliche Handlungen zu
Schulden kommen lassen: denn das wird mir
doch niemand im Ernste einwerfen, dass ein
Verbrecher um des bösen Beyspiels willen,
das er gegeben hat, die Schuld künftiger Ver-
brecher tragen müsse? Ist denn Veranlassung
und Ursache eins? Hat die Obrigkeit keine an-
dre Mittel in Händen, den Einfluss des bösen
Beyspiels zu vernichten? und ist die Schär-
fung der Strafe das zweckmäsigste Mittel hie-
zu? -- Niemand hat ein Recht, einen Men-

schen,
E 5

cher ein Menſch iſt, und als ſolcher alle un-
verlierbare Rechte des Menſchen beſitzt. Ein
ſolches unverlierbares und unveräuſserliches
Recht des Menſchen iſt die Befugniſs, zu for-
dern, daſs ihm die böſen Handlungen andrer
nur in ſofern zugerechnet werden, als er dazu
urſachlich mitgewirkt hat; und es iſt mithin
unerlaubt, ihm Uebel zuzufügen oder das
verdiente Uebel zu ſchärfen, weil es möglich
iſt, daſs Andere — ohne von ihm verfuhrt
zu werden — ſich ähnliche Handlungen zu
Schulden kommen laſſen: denn das wird mir
doch niemand im Ernſte einwerfen, daſs ein
Verbrecher um des böſen Beyſpiels willen,
das er gegeben hat, die Schuld künftiger Ver-
brecher tragen müſſe? Iſt denn Veranlaſſung
und Urſache eins? Hat die Obrigkeit keine an-
dre Mittel in Händen, den Einfluſs des böſen
Beyſpiels zu vernichten? und iſt die Schär-
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zu? — Niemand hat ein Recht, einen Men-

ſchen,
E 5
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[73/0075] cher ein Menſch iſt, und als ſolcher alle un- verlierbare Rechte des Menſchen beſitzt. Ein ſolches unverlierbares und unveräuſserliches Recht des Menſchen iſt die Befugniſs, zu for- dern, daſs ihm die böſen Handlungen andrer nur in ſofern zugerechnet werden, als er dazu urſachlich mitgewirkt hat; und es iſt mithin unerlaubt, ihm Uebel zuzufügen oder das verdiente Uebel zu ſchärfen, weil es möglich iſt, daſs Andere — ohne von ihm verfuhrt zu werden — ſich ähnliche Handlungen zu Schulden kommen laſſen: denn das wird mir doch niemand im Ernſte einwerfen, daſs ein Verbrecher um des böſen Beyſpiels willen, das er gegeben hat, die Schuld künftiger Ver- brecher tragen müſſe? Iſt denn Veranlaſſung und Urſache eins? Hat die Obrigkeit keine an- dre Mittel in Händen, den Einfluſs des böſen Beyſpiels zu vernichten? und iſt die Schär- fung der Strafe das zweckmäſigſte Mittel hie- zu? — Niemand hat ein Recht, einen Men- ſchen, E 5

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/75>, abgerufen am 24.11.2024.