schuldige -- gleich sorgfältig und ängstlich, jener damit er sich nicht verrathe, dieser da- mit er sich nicht verdächtig mache. --
Aber nicht den Untersucher allein, der nur Beweise des Verbrechens haben will, macht der vollkommene Richter in einer vorhaben- den Untersuchung; er erinnert sich vielmehr, dass er ausser dem Character des Justizbeam- ten, den noch höhern des Menschen hat, der gern statt eines Verbrechers einen Unschuldigen finden möchte. Auch die auf Entschuldigung führenden Aeusserungen liegen also in seinem Plan; und sollten bey jedem Untersuchungs- geschäfft des Geschäfftsführers vorzügliche Aufmerksamkeit haben. Denn gewiss ist über manchen schon der Stab gebrochen, der ein ein- stimmiges absolvo verdient, und auch von Rechts- wegen erhalten hätte, wenn er im Stande gewe- sen wäre, seine Handlung richtig darzustellen und zu erklären. Der menschenkennende Un- tersucher muss hier das Geschäfft auf sich neh-
men,
ſchuldige — gleich ſorgfältig und ängſtlich, jener damit er ſich nicht verrathe, dieſer da- mit er ſich nicht verdächtig mache. —
Aber nicht den Unterſucher allein, der nur Beweiſe des Verbrechens haben will, macht der vollkommene Richter in einer vorhaben- den Unterſuchung; er erinnert ſich vielmehr, daſs er auſser dem Character des Juſtizbeam- ten, den noch höhern des Menſchen hat, der gern ſtatt eines Verbrechers einen Unſchuldigen finden möchte. Auch die auf Entſchuldigung führenden Aeuſserungen liegen alſo in ſeinem Plan; und ſollten bey jedem Unterſuchungs- geſchäfft des Geſchäfftsführers vorzügliche Aufmerkſamkeit haben. Denn gewiſs iſt über manchen ſchon der Stab gebrochen, der ein ein- ſtimmiges abſolvo verdient, und auch von Rechts- wegen erhalten hätte, wenn er im Stande gewe- ſen wäre, ſeine Handlung richtig darzuſtellen und zu erklären. Der menſchenkennende Un- terſucher muſs hier das Geſchäfft auf ſich neh-
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[47/0049]
ſchuldige — gleich ſorgfältig und ängſtlich,
jener damit er ſich nicht verrathe, dieſer da-
mit er ſich nicht verdächtig mache. —
Aber nicht den Unterſucher allein, der
nur Beweiſe des Verbrechens haben will, macht
der vollkommene Richter in einer vorhaben-
den Unterſuchung; er erinnert ſich vielmehr,
daſs er auſser dem Character des Juſtizbeam-
ten, den noch höhern des Menſchen hat, der
gern ſtatt eines Verbrechers einen Unſchuldigen
finden möchte. Auch die auf Entſchuldigung
führenden Aeuſserungen liegen alſo in ſeinem
Plan; und ſollten bey jedem Unterſuchungs-
geſchäfft des Geſchäfftsführers vorzügliche
Aufmerkſamkeit haben. Denn gewiſs iſt über
manchen ſchon der Stab gebrochen, der ein ein-
ſtimmiges abſolvo verdient, und auch von Rechts-
wegen erhalten hätte, wenn er im Stande gewe-
ſen wäre, ſeine Handlung richtig darzuſtellen
und zu erklären. Der menſchenkennende Un-
terſucher muſs hier das Geſchäfft auf ſich neh-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/49>, abgerufen am 28.07.2024.
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