Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Bauhütte die Anerkennung, Privilegien, namentlich das Privilegium der eigenen Gerichtsbarkeit auswirken, wie dieses gewiss dem Meister Wilhelm und seinen etwaigen baukünstlerischen Begleitern gewährt wurde oder versprochen war. Den in seiner Bauhätte angestellten Steinmetzen, - his qui convenerant sculptoribus, übergab er (tradidit) Formsteine (formas), welche er selbst nach Bedürfniss und nach seinen Plänen anfertigte und nach denen die Steinmetzen weiter arbeiten mussten. Masswerk, von dessen Erfindung im nördlichen Frankreich Schnaase, V. S. 102 ff., handelt, sind zunächst die kreisförmigen Steinfiguren, mit welchen man in dem gothischen Style die bei der Vereinigung zweier kleinerer (innerer) Spitzbögen zu einem grössern Spitzbogenfenster oben zwischen den beiden divergirenden Schenkeln entstehende Lücke ausfüllte, welche Ausfüllungsfiguren und Kreise dann auch bei andern ähnlichen Lücken und Durchbrechungen angewandt wurden. Die kleinern Steinkreise innerhalb des grössern und äussern Spitzbogenfensters sind das eigentliche Masswerk. Auszüge,1) welche in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung dem Masswerke zur Seite gestellt werden, sind vermuthlich anderweitige Steinfiguren, welche nach bestimmten Planauszügen gefertigt werden mussten und weshalb das Planzeichnen in der gothischen Baukunst so wichtig war, wie z. B. auch die Visirung oder der Bauriss des Münsters zu Strassburg von Erwin noch jetzt vorhanden sein soll,2) und der romanische, vielleicht zu Fulda entworfene, auf Pergament gezeichnete Bauriss des Klosters St. Gallen vom J. 820 von Dr. F. Keller in Zürich herausgegeben ist, auch Moller die glücklich wieder aufgefundenen alten Baurisse der jetzt ihrer Vollendung entgegengehenden Thürme des Doms zu Cöln veröffentlicht hat.3) Lübke, Gesch., S. 390, versteht unter Masswerk die ganze Fensterkrönung im Gegensatze zu dem Stabwerke, den aufsteigenden Pfosten des Spitzbogenfensters. Die Kunst des Formens, der Auszüge und

1) Vergl. Krause, II. 1. S. 276, Anm. 2.
2) Krause, II. 2. S. 241.
3) Otte., a. a. O., S. 7, Anm. 2.

Bauhütte die Anerkennung, Privilegien, namentlich das Privilegium der eigenen Gerichtsbarkeit auswirken, wie dieses gewiss dem Meister Wilhelm und seinen etwaigen baukünstlerischen Begleitern gewährt wurde oder versprochen war. Den in seiner Bauhätte angestellten Steinmetzen, – his qui convenerant sculptoribus, übergab er (tradidit) Formsteine (formas), welche er selbst nach Bedürfniss und nach seinen Plänen anfertigte und nach denen die Steinmetzen weiter arbeiten mussten. Masswerk, von dessen Erfindung im nördlichen Frankreich Schnaase, V. S. 102 ff., handelt, sind zunächst die kreisförmigen Steinfiguren, mit welchen man in dem gothischen Style die bei der Vereinigung zweier kleinerer (innerer) Spitzbögen zu einem grössern Spitzbogenfenster oben zwischen den beiden divergirenden Schenkeln entstehende Lücke ausfüllte, welche Ausfüllungsfiguren und Kreise dann auch bei andern ähnlichen Lücken und Durchbrechungen angewandt wurden. Die kleinern Steinkreise innerhalb des grössern und äussern Spitzbogenfensters sind das eigentliche Masswerk. Auszüge,1) welche in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung dem Masswerke zur Seite gestellt werden, sind vermuthlich anderweitige Steinfiguren, welche nach bestimmten Planauszügen gefertigt werden mussten und weshalb das Planzeichnen in der gothischen Baukunst so wichtig war, wie z. B. auch die Visirung oder der Bauriss des Münsters zu Strassburg von Erwin noch jetzt vorhanden sein soll,2) und der romanische, vielleicht zu Fulda entworfene, auf Pergament gezeichnete Bauriss des Klosters St. Gallen vom J. 820 von Dr. F. Keller in Zürich herausgegeben ist, auch Moller die glücklich wieder aufgefundenen alten Baurisse der jetzt ihrer Vollendung entgegengehenden Thürme des Doms zu Cöln veröffentlicht hat.3) Lübke, Gesch., S. 390, versteht unter Masswerk die ganze Fensterkrönung im Gegensatze zu dem Stabwerke, den aufsteigenden Pfosten des Spitzbogenfensters. Die Kunst des Formens, der Auszüge und

1) Vergl. Krause, II. 1. S. 276, Anm. 2.
2) Krause, II. 2. S. 241.
3) Otte., a. a. O., S. 7, Anm. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0644" n="624"/>
Bauhütte die Anerkennung, Privilegien, namentlich das Privilegium der eigenen Gerichtsbarkeit auswirken, wie dieses gewiss dem Meister Wilhelm und seinen etwaigen baukünstlerischen Begleitern gewährt wurde oder versprochen war. Den in seiner Bauhätte angestellten Steinmetzen, &#x2013; his qui convenerant sculptoribus, übergab er (tradidit) Formsteine (formas), welche er selbst nach Bedürfniss und nach seinen Plänen anfertigte und nach denen die Steinmetzen weiter arbeiten mussten. Masswerk, von dessen Erfindung im nördlichen Frankreich Schnaase, V. S. 102 ff., handelt, sind zunächst die kreisförmigen Steinfiguren, mit welchen man in dem gothischen Style die bei der Vereinigung zweier kleinerer (innerer) Spitzbögen zu einem grössern Spitzbogenfenster oben zwischen den beiden divergirenden Schenkeln entstehende Lücke ausfüllte, welche Ausfüllungsfiguren und Kreise dann auch bei andern ähnlichen Lücken und Durchbrechungen angewandt wurden. Die kleinern Steinkreise innerhalb des grössern und äussern Spitzbogenfensters sind das eigentliche Masswerk. Auszüge,<note place="foot" n="1)">Vergl. Krause, II. 1. S. 276, Anm. 2.<lb/></note> welche in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung dem Masswerke zur Seite gestellt werden, sind vermuthlich anderweitige Steinfiguren, welche nach bestimmten Planauszügen gefertigt werden mussten und weshalb das Planzeichnen in der gothischen Baukunst so wichtig war, wie z. B. auch die Visirung oder der Bauriss des Münsters zu Strassburg von Erwin noch jetzt vorhanden sein soll,<note place="foot" n="2)">Krause, II. 2. S. 241.<lb/></note> und der romanische, vielleicht zu Fulda entworfene, auf Pergament gezeichnete Bauriss des Klosters St. Gallen vom J. 820 von Dr. F. Keller in Zürich herausgegeben ist, auch Moller die glücklich wieder aufgefundenen alten Baurisse der jetzt ihrer Vollendung entgegengehenden Thürme des Doms zu Cöln veröffentlicht hat.<note place="foot" n="3)">Otte., a. a. O., S. 7, Anm. 2.</note> Lübke, Gesch., S. 390, versteht unter Masswerk die ganze Fensterkrönung im Gegensatze zu dem <hi rendition="#g">Stabwerke</hi>, den aufsteigenden Pfosten des Spitzbogenfensters. Die Kunst des Formens, der Auszüge und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[624/0644] Bauhütte die Anerkennung, Privilegien, namentlich das Privilegium der eigenen Gerichtsbarkeit auswirken, wie dieses gewiss dem Meister Wilhelm und seinen etwaigen baukünstlerischen Begleitern gewährt wurde oder versprochen war. Den in seiner Bauhätte angestellten Steinmetzen, – his qui convenerant sculptoribus, übergab er (tradidit) Formsteine (formas), welche er selbst nach Bedürfniss und nach seinen Plänen anfertigte und nach denen die Steinmetzen weiter arbeiten mussten. Masswerk, von dessen Erfindung im nördlichen Frankreich Schnaase, V. S. 102 ff., handelt, sind zunächst die kreisförmigen Steinfiguren, mit welchen man in dem gothischen Style die bei der Vereinigung zweier kleinerer (innerer) Spitzbögen zu einem grössern Spitzbogenfenster oben zwischen den beiden divergirenden Schenkeln entstehende Lücke ausfüllte, welche Ausfüllungsfiguren und Kreise dann auch bei andern ähnlichen Lücken und Durchbrechungen angewandt wurden. Die kleinern Steinkreise innerhalb des grössern und äussern Spitzbogenfensters sind das eigentliche Masswerk. Auszüge, 1) welche in der gemeinen deutschen Steinmetzordnung dem Masswerke zur Seite gestellt werden, sind vermuthlich anderweitige Steinfiguren, welche nach bestimmten Planauszügen gefertigt werden mussten und weshalb das Planzeichnen in der gothischen Baukunst so wichtig war, wie z. B. auch die Visirung oder der Bauriss des Münsters zu Strassburg von Erwin noch jetzt vorhanden sein soll, 2) und der romanische, vielleicht zu Fulda entworfene, auf Pergament gezeichnete Bauriss des Klosters St. Gallen vom J. 820 von Dr. F. Keller in Zürich herausgegeben ist, auch Moller die glücklich wieder aufgefundenen alten Baurisse der jetzt ihrer Vollendung entgegengehenden Thürme des Doms zu Cöln veröffentlicht hat. 3) Lübke, Gesch., S. 390, versteht unter Masswerk die ganze Fensterkrönung im Gegensatze zu dem Stabwerke, den aufsteigenden Pfosten des Spitzbogenfensters. Die Kunst des Formens, der Auszüge und 1) Vergl. Krause, II. 1. S. 276, Anm. 2. 2) Krause, II. 2. S. 241. 3) Otte., a. a. O., S. 7, Anm. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/644
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/644>, abgerufen am 25.11.2024.