Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Dass kein Meister oder Genosse einen Formstein1) mit dem Winkelmass und Richtscheit für einen Pfuscher bearbeite, noch einen Pfuscher in oder ausserhalb der Loge Steine formen lasse."2)

Aus dieser Bestimmung ergibt sich mit aller Gewissheit, dass der Formstein ein geformter Stein und nicht etwa gebrannter, die Steinformen nur nachahmender Thon oder Backstein gewesen sei, in welchem Sinne in dem Gebiete des norddeutschen Ziegelbaues von Formsteinen geredet wird, z. B. von Schnaase, VI. S. 329. Auch meisselte man im Norden Steinfiguren, Capitäle aus grossen Backsteinblöcken, z. B. beim Dome zu Brandenburg.3) In der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563, welche darin nur die frühere Verordnung wiederholt, ist unter der Ueberschrift: "Wen man ausszug oder sonst masswerk aus dem Grund underweisen soll", verordnet:

"Es soll auch kein Werckmann, Parlier oder Geselle, noch niemandts, wie der genandt ist, der nicht unsers Handwercks sei, auss keinen ausszügen oder Steinwercksgebrauch, keins ausgenommen, underweisen, aus dem Grund zu nemmen: der sich Steinwercks seine Tage nicht gebraucht, auch nicht genugsam bei einem Steinmetzen gedient hat nach unsers Handwercks brauch und Ordnung."4)

Nunmehr vermögen wir wohl zu verstehen und zu erläutern, was zu Canterbury Meister Wilhelm gethan hat. Er richtete eine Bauhütte namentlich mit den nöthigen Steinmetzen ein, wie dieses von sich aus ein jeder wirklicher Meister thun durfte und auch heute noch thut, welcher einen grössern Bau auszuführen beginnt. Je nach Umständen und je nach den Rechten und Vortheilen, welche man beanspruchte oder zu erlangen wünschte, musste man indessen bei dem Herrn des Ortes oder bei den dazu zuständigen Behörden für die neu zu errichtende

1) Vergl. auch Rich, Wörterbuch der römischen Alterthümer, unter forma, wornach auch die Römer ihre Formen oder Modelle aus Stein bildeten.
2) Krause, II. 1. S. 176.
3) Schnaase, VI. S. 334.
4) Krause, II. 1. S. 299, vergl. mit S. 275, lit. n.

Dass kein Meister oder Genosse einen Formstein1) mit dem Winkelmass und Richtscheit für einen Pfuscher bearbeite, noch einen Pfuscher in oder ausserhalb der Loge Steine formen lasse.“2)

Aus dieser Bestimmung ergibt sich mit aller Gewissheit, dass der Formstein ein geformter Stein und nicht etwa gebrannter, die Steinformen nur nachahmender Thon oder Backstein gewesen sei, in welchem Sinne in dem Gebiete des norddeutschen Ziegelbaues von Formsteinen geredet wird, z. B. von Schnaase, VI. S. 329. Auch meisselte man im Norden Steinfiguren, Capitäle aus grossen Backsteinblöcken, z. B. beim Dome zu Brandenburg.3) In der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563, welche darin nur die frühere Verordnung wiederholt, ist unter der Ueberschrift: „Wen man ausszug oder sonst masswerk aus dem Grund underweisen soll“, verordnet:

„Es soll auch kein Werckmann, Parlier oder Geselle, noch niemandts, wie der genandt ist, der nicht unsers Handwercks sei, auss keinen ausszügen oder Steinwercksgebrauch, keins ausgenommen, underweisen, aus dem Grund zu nemmen: der sich Steinwercks seine Tage nicht gebraucht, auch nicht genugsam bei einem Steinmetzen gedient hat nach unsers Handwercks brauch und Ordnung.“4)

Nunmehr vermögen wir wohl zu verstehen und zu erläutern, was zu Canterbury Meister Wilhelm gethan hat. Er richtete eine Bauhütte namentlich mit den nöthigen Steinmetzen ein, wie dieses von sich aus ein jeder wirklicher Meister thun durfte und auch heute noch thut, welcher einen grössern Bau auszuführen beginnt. Je nach Umständen und je nach den Rechten und Vortheilen, welche man beanspruchte oder zu erlangen wünschte, musste man indessen bei dem Herrn des Ortes oder bei den dazu zuständigen Behörden für die neu zu errichtende

1) Vergl. auch Rich, Wörterbuch der römischen Alterthümer, unter forma, wornach auch die Römer ihre Formen oder Modelle aus Stein bildeten.
2) Krause, II. 1. S. 176.
3) Schnaase, VI. S. 334.
4) Krause, II. 1. S. 299, vergl. mit S. 275, lit. n.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0643" n="623"/>
        <cit rendition="#et">
          <quote>
            <p>
     Dass kein Meister oder Genosse einen <hi rendition="#g">Formstein</hi><note place="foot" n="1)">Vergl. auch Rich, Wörterbuch der römischen Alterthümer, unter forma, wornach auch die Römer ihre Formen oder Modelle aus Stein bildeten.<lb/></note> mit dem Winkelmass und Richtscheit für einen Pfuscher bearbeite, noch einen Pfuscher in oder ausserhalb der Loge Steine formen lasse.&#x201C;<note place="foot" n="2)">Krause, II. 1. S. 176.<lb/></note></p>
          </quote>
        </cit>
        <p>
     Aus dieser Bestimmung ergibt sich mit aller Gewissheit, dass der Formstein ein geformter <hi rendition="#g">Stein</hi> und nicht etwa gebrannter, die Steinformen nur nachahmender <hi rendition="#g">Thon</hi> oder <hi rendition="#g">Backstein</hi> gewesen sei, in welchem Sinne in dem Gebiete des norddeutschen Ziegelbaues von Formsteinen geredet wird, z. B. von Schnaase, VI. S. 329. Auch meisselte man im Norden Steinfiguren, Capitäle aus grossen Backsteinblöcken, z. B. beim Dome zu Brandenburg.<note place="foot" n="3)">Schnaase, VI. S. 334.<lb/></note> In der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563, welche darin nur die frühere Verordnung wiederholt, ist unter der Ueberschrift: &#x201E;Wen man ausszug oder sonst masswerk aus dem Grund underweisen soll&#x201C;, verordnet:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote>
            <p>
     &#x201E;Es soll auch kein Werckmann, Parlier oder Geselle, noch niemandts, wie der genandt ist, der nicht unsers Handwercks sei, auss keinen ausszügen oder Steinwercksgebrauch, keins ausgenommen, underweisen, aus dem Grund zu nemmen: der sich Steinwercks seine Tage nicht gebraucht, auch nicht genugsam bei einem Steinmetzen gedient hat nach unsers Handwercks brauch und Ordnung.&#x201C;<note place="foot" n="4)">Krause, II. 1. S. 299, vergl. mit S. 275, lit. n.</note></p>
          </quote>
        </cit>
        <p>
 Nunmehr vermögen wir wohl zu verstehen und zu erläutern, was zu Canterbury Meister Wilhelm gethan hat. Er richtete eine Bauhütte namentlich mit den nöthigen Steinmetzen ein, wie dieses von sich aus ein jeder wirklicher Meister thun durfte und auch heute noch thut, welcher einen grössern Bau auszuführen beginnt. Je nach Umständen und je nach den Rechten und Vortheilen, welche man beanspruchte oder zu erlangen wünschte, musste man indessen bei dem Herrn des Ortes oder bei den dazu zuständigen Behörden für die neu zu errichtende
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[623/0643] Dass kein Meister oder Genosse einen Formstein 1) mit dem Winkelmass und Richtscheit für einen Pfuscher bearbeite, noch einen Pfuscher in oder ausserhalb der Loge Steine formen lasse.“ 2) Aus dieser Bestimmung ergibt sich mit aller Gewissheit, dass der Formstein ein geformter Stein und nicht etwa gebrannter, die Steinformen nur nachahmender Thon oder Backstein gewesen sei, in welchem Sinne in dem Gebiete des norddeutschen Ziegelbaues von Formsteinen geredet wird, z. B. von Schnaase, VI. S. 329. Auch meisselte man im Norden Steinfiguren, Capitäle aus grossen Backsteinblöcken, z. B. beim Dome zu Brandenburg. 3) In der revidirten deutschen Steinmetzordnung vom J. 1563, welche darin nur die frühere Verordnung wiederholt, ist unter der Ueberschrift: „Wen man ausszug oder sonst masswerk aus dem Grund underweisen soll“, verordnet: „Es soll auch kein Werckmann, Parlier oder Geselle, noch niemandts, wie der genandt ist, der nicht unsers Handwercks sei, auss keinen ausszügen oder Steinwercksgebrauch, keins ausgenommen, underweisen, aus dem Grund zu nemmen: der sich Steinwercks seine Tage nicht gebraucht, auch nicht genugsam bei einem Steinmetzen gedient hat nach unsers Handwercks brauch und Ordnung.“ 4) Nunmehr vermögen wir wohl zu verstehen und zu erläutern, was zu Canterbury Meister Wilhelm gethan hat. Er richtete eine Bauhütte namentlich mit den nöthigen Steinmetzen ein, wie dieses von sich aus ein jeder wirklicher Meister thun durfte und auch heute noch thut, welcher einen grössern Bau auszuführen beginnt. Je nach Umständen und je nach den Rechten und Vortheilen, welche man beanspruchte oder zu erlangen wünschte, musste man indessen bei dem Herrn des Ortes oder bei den dazu zuständigen Behörden für die neu zu errichtende 1) Vergl. auch Rich, Wörterbuch der römischen Alterthümer, unter forma, wornach auch die Römer ihre Formen oder Modelle aus Stein bildeten. 2) Krause, II. 1. S. 176. 3) Schnaase, VI. S. 334. 4) Krause, II. 1. S. 299, vergl. mit S. 275, lit. n.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/643
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/643>, abgerufen am 25.11.2024.