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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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lust und Bauthätigkeit die Vermittelung und Mittheilung so rasch erfolgte, dass man an ein gleichzeitiges und unabhängiges Aufkommen denken konnte. Je weiter der gothische Styl sich von seinem Mutterlande entfernte und je mehr er nicht mehr unniittelbar übertragen wurde, um so mehr musste er an seiner Eigenthümlichkeit und Reinheit verlieren und Abänderungen erleiden, wie dieses im Innern Deutschlands in der That der Fall ist.1) Wenn wir nur erst eine vollständige Sammlung der an den deutschen Kirchenbauten vorfindlichen Steinmetzzeichen besässen, vermöchte hierüber eher und leichter ein urkundliches Urtheil gefällt zu werden. Es ist gewiss ein Widerspruch mit der Bewunderung, welche auch Schnaase, wenngleich im letzten Bande seines schönen Werkes (VI. S. 267 ff.) mit vielen zurücknehmenden Beschränkungen, gleich vielen Andern, selbst Ausländern, z. B. Whewel, dem Kunststyle der Kölner Bauhütte zollt, dass dieser dennoch bei den deutschen Meistern ihrer Zeit keine Anerkennung gefunden und diese ihre Baustudien lieber unmittelbar in Frankreich gemacht haben. Der so hervortretende Dom zu Halberstadt2) möchte namentlich unter Kölnischen Einflüssen gebaut worden sein; nach Schnaase soll die Plananlage die Mitte zwischen französischer und deutscher Weise halten. Der Dom zu Meissen tritt schon durch seinen schlanken durchbrochenen Helm, seine schönste Zierde,3) den rheinischen Dom- und Thurmbauten an die Seite. Um zu erkennen, in welcher Weise der französische oder gleichsam pariser Baustyl nach Deutschland übertragen, in das Deutsche übersetzt worden sei, darf man sich aus einer uns viel näher liegenden und verständlichern Zeit nur erinnern, auf welchem Wege und durch welche Vermitteler die französische Revolution und ihre neuen Ideen und Einrichtungen mit der abschliessenden napoleonischen Gesetzgebung, wenn auch allerdings zum grösseren Theile anfänglich durch die Gewalt des

1) Vergl. Schnaase, V. S. 556 ff.
2) Schnaase, V. S. 565 ff.;
Otte, S. 94 ff. und S. 132 ff.
3) Schnaase, V. S. 570. Ueber die Thürme überhaupt vergl. auch Otte, a. a. O., S. 15 ff.

lust und Bauthätigkeit die Vermittelung und Mittheilung so rasch erfolgte, dass man an ein gleichzeitiges und unabhängiges Aufkommen denken konnte. Je weiter der gothische Styl sich von seinem Mutterlande entfernte und je mehr er nicht mehr unniittelbar übertragen wurde, um so mehr musste er an seiner Eigenthümlichkeit und Reinheit verlieren und Abänderungen erleiden, wie dieses im Innern Deutschlands in der That der Fall ist.1) Wenn wir nur erst eine vollständige Sammlung der an den deutschen Kirchenbauten vorfindlichen Steinmetzzeichen besässen, vermöchte hierüber eher und leichter ein urkundliches Urtheil gefällt zu werden. Es ist gewiss ein Widerspruch mit der Bewunderung, welche auch Schnaase, wenngleich im letzten Bande seines schönen Werkes (VI. S. 267 ff.) mit vielen zurücknehmenden Beschränkungen, gleich vielen Andern, selbst Ausländern, z. B. Whewel, dem Kunststyle der Kölner Bauhütte zollt, dass dieser dennoch bei den deutschen Meistern ihrer Zeit keine Anerkennung gefunden und diese ihre Baustudien lieber unmittelbar in Frankreich gemacht haben. Der so hervortretende Dom zu Halberstadt2) möchte namentlich unter Kölnischen Einflüssen gebaut worden sein; nach Schnaase soll die Plananlage die Mitte zwischen französischer und deutscher Weise halten. Der Dom zu Meissen tritt schon durch seinen schlanken durchbrochenen Helm, seine schönste Zierde,3) den rheinischen Dom- und Thurmbauten an die Seite. Um zu erkennen, in welcher Weise der französische oder gleichsam pariser Baustyl nach Deutschland übertragen, in das Deutsche übersetzt worden sei, darf man sich aus einer uns viel näher liegenden und verständlichern Zeit nur erinnern, auf welchem Wege und durch welche Vermitteler die französische Revolution und ihre neuen Ideen und Einrichtungen mit der abschliessenden napoleonischen Gesetzgebung, wenn auch allerdings zum grösseren Theile anfänglich durch die Gewalt des

1) Vergl. Schnaase, V. S. 556 ff.
2) Schnaase, V. S. 565 ff.;
Otte, S. 94 ff. und S. 132 ff.
3) Schnaase, V. S. 570. Ueber die Thürme überhaupt vergl. auch Otte, a. a. O., S. 15 ff.
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[603/0623] lust und Bauthätigkeit die Vermittelung und Mittheilung so rasch erfolgte, dass man an ein gleichzeitiges und unabhängiges Aufkommen denken konnte. Je weiter der gothische Styl sich von seinem Mutterlande entfernte und je mehr er nicht mehr unniittelbar übertragen wurde, um so mehr musste er an seiner Eigenthümlichkeit und Reinheit verlieren und Abänderungen erleiden, wie dieses im Innern Deutschlands in der That der Fall ist. 1) Wenn wir nur erst eine vollständige Sammlung der an den deutschen Kirchenbauten vorfindlichen Steinmetzzeichen besässen, vermöchte hierüber eher und leichter ein urkundliches Urtheil gefällt zu werden. Es ist gewiss ein Widerspruch mit der Bewunderung, welche auch Schnaase, wenngleich im letzten Bande seines schönen Werkes (VI. S. 267 ff.) mit vielen zurücknehmenden Beschränkungen, gleich vielen Andern, selbst Ausländern, z. B. Whewel, dem Kunststyle der Kölner Bauhütte zollt, dass dieser dennoch bei den deutschen Meistern ihrer Zeit keine Anerkennung gefunden und diese ihre Baustudien lieber unmittelbar in Frankreich gemacht haben. Der so hervortretende Dom zu Halberstadt 2) möchte namentlich unter Kölnischen Einflüssen gebaut worden sein; nach Schnaase soll die Plananlage die Mitte zwischen französischer und deutscher Weise halten. Der Dom zu Meissen tritt schon durch seinen schlanken durchbrochenen Helm, seine schönste Zierde, 3) den rheinischen Dom- und Thurmbauten an die Seite. Um zu erkennen, in welcher Weise der französische oder gleichsam pariser Baustyl nach Deutschland übertragen, in das Deutsche übersetzt worden sei, darf man sich aus einer uns viel näher liegenden und verständlichern Zeit nur erinnern, auf welchem Wege und durch welche Vermitteler die französische Revolution und ihre neuen Ideen und Einrichtungen mit der abschliessenden napoleonischen Gesetzgebung, wenn auch allerdings zum grösseren Theile anfänglich durch die Gewalt des 1) Vergl. Schnaase, V. S. 556 ff. 2) Schnaase, V. S. 565 ff.; Otte, S. 94 ff. und S. 132 ff. 3) Schnaase, V. S. 570. Ueber die Thürme überhaupt vergl. auch Otte, a. a. O., S. 15 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/623>, abgerufen am 16.07.2024.