Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.solchen französischen Einflusses treffe man nicht am Rheine, sondern fern vom Rheine am Dome zu Magdeburg und an dessen im J. 1234 vollendetem Chore von fünf radianten Capellen; diese Choranlage sei besonders verwandt mit dem Chore der Kathedrale von Soissons. Die Mittheilung vermöge der Berührungen und des Verkehrs benachbarter Gegenden, vermöge der benachbarten und durch Meister und Gesellen mit einander in fortwährender lebendiger Verbindung stehenden Bauhütten ist aber im Allgemeinen glaubhafter, weil natürlicher und mit dem gesammten sonstigen Ausbreitungs- und Fortbewegungsgange der menschlichen Bildung in Uebereinstimmung stehender. Das erste Bemerken des gothischen Styles an Kirchenbauten fällt auch keineswegs vollständig zusammen mit der ersten Kenntniss des StvIes in diesen Gegenden, da man ihn sehr leicht schon längere Zeit vorher gekannt haben und blos wegen mangelnder Baugelegenheiten nicht zur Anwendung bringen konnte, obgleich allerdings in gewissem Sinne ein Baustyl nur verbreitet genannt werden darf, wenn darin gebauet wird. Die zwischen 1213 bis 1242 erbaute Stiftskirche St. Georg zu Limburg an der Lahn, welche in den Haupttheilen unzweifelhaft, und wie auch Schnaase dieses annimmt, von einem rheinischen Baumeister erbauet ist, beweist, dass dieser Baumeister schon zu jener Zeit den neuen französischen Styl und insonderheit die Kirche zu Noyon, worauf wahrscheinlich die Limburger Kirche hinweisen soll, sehr wohl gekannt habe. Der in den Jahren 1212 - 1227, wahrscheinlich auf noch vorhandenen römischen Grundmauern, aufgeführte Theil der Stiftskirche St. Gereon zu Cöln zeigt hier die ersten baulichen Spuren des französisch-gothischen Styls. Die Bauleute strömten und strömen zu allen Zeiten von selbst nach den Orten, wo man jetzt baute und bauet, weil sie nur hier Beschäftioung und Unterricht fanden und finden; erhielten und erhalten sie sodann Gelegenheit, im eigenen Lande zu bauen, wurde und wird von ihnen natürlich der Styl jener Orte als der neueste nach Thunlichkeit zur Ausführung und Anwendung gebracht, aus welchem Grunde nicht selten zwei beinahe gleichzeitige, d. h. zu derselben Zeit in Ausführung begriffene Kirchenbauten sich dennoch solchen französischen Einflusses treffe man nicht am Rheine, sondern fern vom Rheine am Dome zu Magdeburg und an dessen im J. 1234 vollendetem Chore von fünf radianten Capellen; diese Choranlage sei besonders verwandt mit dem Chore der Kathedrale von Soissons. Die Mittheilung vermöge der Berührungen und des Verkehrs benachbarter Gegenden, vermöge der benachbarten und durch Meister und Gesellen mit einander in fortwährender lebendiger Verbindung stehenden Bauhütten ist aber im Allgemeinen glaubhafter, weil natürlicher und mit dem gesammten sonstigen Ausbreitungs- und Fortbewegungsgange der menschlichen Bildung in Uebereinstimmung stehender. Das erste Bemerken des gothischen Styles an Kirchenbauten fällt auch keineswegs vollständig zusammen mit der ersten Kenntniss des StvIes in diesen Gegenden, da man ihn sehr leicht schon längere Zeit vorher gekannt haben und blos wegen mangelnder Baugelegenheiten nicht zur Anwendung bringen konnte, obgleich allerdings in gewissem Sinne ein Baustyl nur verbreitet genannt werden darf, wenn darin gebauet wird. Die zwischen 1213 bis 1242 erbaute Stiftskirche St. Georg zu Limburg an der Lahn, welche in den Haupttheilen unzweifelhaft, und wie auch Schnaase dieses annimmt, von einem rheinischen Baumeister erbauet ist, beweist, dass dieser Baumeister schon zu jener Zeit den neuen französischen Styl und insonderheit die Kirche zu Noyon, worauf wahrscheinlich die Limburger Kirche hinweisen soll, sehr wohl gekannt habe. Der in den Jahren 1212 – 1227, wahrscheinlich auf noch vorhandenen römischen Grundmauern, aufgeführte Theil der Stiftskirche St. Gereon zu Cöln zeigt hier die ersten baulichen Spuren des französisch-gothischen Styls. Die Bauleute strömten und strömen zu allen Zeiten von selbst nach den Orten, wo man jetzt baute und bauet, weil sie nur hier Beschäftioung und Unterricht fanden und finden; erhielten und erhalten sie sodann Gelegenheit, im eigenen Lande zu bauen, wurde und wird von ihnen natürlich der Styl jener Orte als der neueste nach Thunlichkeit zur Ausführung und Anwendung gebracht, aus welchem Grunde nicht selten zwei beinahe gleichzeitige, d. h. zu derselben Zeit in Ausführung begriffene Kirchenbauten sich dennoch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0617" n="597"/> solchen französischen Einflusses treffe man nicht am Rheine, sondern fern vom Rheine am Dome zu Magdeburg und an dessen im J. 1234 vollendetem Chore von fünf radianten Capellen; diese Choranlage sei besonders verwandt mit dem Chore der Kathedrale von Soissons. 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Die zwischen 1213 bis 1242 erbaute Stiftskirche St. Georg zu Limburg an der Lahn, welche in den Haupttheilen unzweifelhaft, und wie auch Schnaase dieses annimmt, von einem rheinischen Baumeister erbauet ist, beweist, dass dieser Baumeister schon zu jener Zeit den neuen französischen Styl und insonderheit die Kirche zu Noyon, worauf wahrscheinlich die Limburger Kirche hinweisen soll, sehr wohl gekannt habe. Der in den Jahren 1212 – 1227, wahrscheinlich auf noch vorhandenen römischen Grundmauern, aufgeführte Theil der Stiftskirche St. Gereon zu Cöln zeigt hier die ersten baulichen Spuren des französisch-gothischen Styls. Die Bauleute strömten und strömen zu allen Zeiten von selbst nach den Orten, wo man jetzt baute und bauet, weil sie nur hier Beschäftioung und Unterricht fanden und finden; erhielten und erhalten sie sodann Gelegenheit, im eigenen Lande zu bauen, wurde und wird von ihnen natürlich der Styl jener Orte als der neueste nach Thunlichkeit zur Ausführung und Anwendung gebracht, aus welchem Grunde nicht selten zwei beinahe gleichzeitige, d. h. zu derselben Zeit in Ausführung begriffene Kirchenbauten sich dennoch</p> </div> </body> </text> </TEI> [597/0617]
solchen französischen Einflusses treffe man nicht am Rheine, sondern fern vom Rheine am Dome zu Magdeburg und an dessen im J. 1234 vollendetem Chore von fünf radianten Capellen; diese Choranlage sei besonders verwandt mit dem Chore der Kathedrale von Soissons. Die Mittheilung vermöge der Berührungen und des Verkehrs benachbarter Gegenden, vermöge der benachbarten und durch Meister und Gesellen mit einander in fortwährender lebendiger Verbindung stehenden Bauhütten ist aber im Allgemeinen glaubhafter, weil natürlicher und mit dem gesammten sonstigen Ausbreitungs- und Fortbewegungsgange der menschlichen Bildung in Uebereinstimmung stehender. Das erste Bemerken des gothischen Styles an Kirchenbauten fällt auch keineswegs vollständig zusammen mit der ersten Kenntniss des StvIes in diesen Gegenden, da man ihn sehr leicht schon längere Zeit vorher gekannt haben und blos wegen mangelnder Baugelegenheiten nicht zur Anwendung bringen konnte, obgleich allerdings in gewissem Sinne ein Baustyl nur verbreitet genannt werden darf, wenn darin gebauet wird. Die zwischen 1213 bis 1242 erbaute Stiftskirche St. Georg zu Limburg an der Lahn, welche in den Haupttheilen unzweifelhaft, und wie auch Schnaase dieses annimmt, von einem rheinischen Baumeister erbauet ist, beweist, dass dieser Baumeister schon zu jener Zeit den neuen französischen Styl und insonderheit die Kirche zu Noyon, worauf wahrscheinlich die Limburger Kirche hinweisen soll, sehr wohl gekannt habe. Der in den Jahren 1212 – 1227, wahrscheinlich auf noch vorhandenen römischen Grundmauern, aufgeführte Theil der Stiftskirche St. Gereon zu Cöln zeigt hier die ersten baulichen Spuren des französisch-gothischen Styls. Die Bauleute strömten und strömen zu allen Zeiten von selbst nach den Orten, wo man jetzt baute und bauet, weil sie nur hier Beschäftioung und Unterricht fanden und finden; erhielten und erhalten sie sodann Gelegenheit, im eigenen Lande zu bauen, wurde und wird von ihnen natürlich der Styl jener Orte als der neueste nach Thunlichkeit zur Ausführung und Anwendung gebracht, aus welchem Grunde nicht selten zwei beinahe gleichzeitige, d. h. zu derselben Zeit in Ausführung begriffene Kirchenbauten sich dennoch
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/617>, abgerufen am 16.02.2025. |