Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.dem Zirkel zu Anfang der deutschen Uebersetzung des alten Testamentes in einer Heidelberger Papierhandschrift aus dem 14ten oder 15ten Jahrhundert.1) In einem Doppelbilde am Anfange einer Bilderbibel aus der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. in der Bibliothek Lobkowitz zu Prag hält Gott Vater in der Rechten den Zirkel, in der Linken die Wage,2) wodurch er als der Welterbauer und ewige Weltrichter bezeichnet werden sollte. Diese Seelenwage erscheine sodann auch auf dem Rathsbrunnen zu ]Buttstädt am Brühl, indem in der einen Wagschale der Teufel mit einem Mühlsteine sitzt, um sich schwerer zu machen, und in der andern ein neugeborenes unschuldiges Kind sich befindet; die Wagschale wird von einem Engel gehalten und das Kind wiegt schwerer als der Teufel trotz des schweren Mühlsteines.3) Diese christliche Seelenwage kann nur der ägyptischen Symbolik und Mythologie entlehnt sein.4) Daran schliesst sich die Nachricht bei Diodor I, 96, dass Orpheus, welcher bekanntlich auch s ehr häufig in den christlichen Katakomben zu Rom erscheint, die Strafen der Gottlosen im Hades und die Fluren der Frommen und andere beim grossen Haufen gangbare Vorstellungen den bei den Aegyptern bestehenden Todtengebräuchen nachgebildet und bei den Griechen eingeführt habe.5) Die mit dem Dome zu Trier in Verbindung stehende Liebfrauenkirche, deren gegenwärtiger Bau im J. 1227 gegründet wurde, zeigt die Elemente des gothischen Baustyles schon vorherrschend, währeüd der Kreuzgang etwa noch in der Mitte zwischen dem romanischen und gothischen Style steht, so dass in seltener Weise an einem und demselben Gebäude die allmählige Ausbildung der Gothik sich zeigt und diese wenigstens in ihren ersten Anfängen gleichzeitig und unabhängig in Nordfrankreich und in 1) Piper, I. 2. S. 175 und S. 473. 2) Piper, I. 2. S. 303. 3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 239. 4) Symbolik im Register unter Wage. 5) Tüb. Kunstblatt für 1842, S. 182.
dem Zirkel zu Anfang der deutschen Uebersetzung des alten Testamentes in einer Heidelberger Papierhandschrift aus dem 14ten oder 15ten Jahrhundert.1) In einem Doppelbilde am Anfange einer Bilderbibel aus der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. in der Bibliothek Lobkowitz zu Prag hält Gott Vater in der Rechten den Zirkel, in der Linken die Wage,2) wodurch er als der Welterbauer und ewige Weltrichter bezeichnet werden sollte. Diese Seelenwage erscheine sodann auch auf dem Rathsbrunnen zu ]Buttstädt am Brühl, indem in der einen Wagschale der Teufel mit einem Mühlsteine sitzt, um sich schwerer zu machen, und in der andern ein neugeborenes unschuldiges Kind sich befindet; die Wagschale wird von einem Engel gehalten und das Kind wiegt schwerer als der Teufel trotz des schweren Mühlsteines.3) Diese christliche Seelenwage kann nur der ägyptischen Symbolik und Mythologie entlehnt sein.4) Daran schliesst sich die Nachricht bei Diodor I, 96, dass Orpheus, welcher bekanntlich auch s ehr häufig in den christlichen Katakomben zu Rom erscheint, die Strafen der Gottlosen im Hades und die Fluren der Frommen und andere beim grossen Haufen gangbare Vorstellungen den bei den Aegyptern bestehenden Todtengebräuchen nachgebildet und bei den Griechen eingeführt habe.5) Die mit dem Dome zu Trier in Verbindung stehende Liebfrauenkirche, deren gegenwärtiger Bau im J. 1227 gegründet wurde, zeigt die Elemente des gothischen Baustyles schon vorherrschend, währeüd der Kreuzgang etwa noch in der Mitte zwischen dem romanischen und gothischen Style steht, so dass in seltener Weise an einem und demselben Gebäude die allmählige Ausbildung der Gothik sich zeigt und diese wenigstens in ihren ersten Anfängen gleichzeitig und unabhängig in Nordfrankreich und in 1) Piper, I. 2. S. 175 und S. 473. 2) Piper, I. 2. S. 303. 3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 239. 4) Symbolik im Register unter Wage. 5) Tüb. Kunstblatt für 1842, S. 182.
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dem Zirkel zu Anfang der deutschen Uebersetzung des alten Testamentes in einer Heidelberger Papierhandschrift aus dem 14ten oder 15ten Jahrhundert. 1) In einem Doppelbilde am Anfange einer Bilderbibel aus der zweiten Hälfte des 13ten Jahrh. in der Bibliothek Lobkowitz zu Prag hält Gott Vater in der Rechten den Zirkel, in der Linken die Wage, 2) wodurch er als der Welterbauer und ewige Weltrichter bezeichnet werden sollte. Diese Seelenwage erscheine sodann auch auf dem Rathsbrunnen zu ]Buttstädt am Brühl, indem in der einen Wagschale der Teufel mit einem Mühlsteine sitzt, um sich schwerer zu machen, und in der andern ein neugeborenes unschuldiges Kind sich befindet; die Wagschale wird von einem Engel gehalten und das Kind wiegt schwerer als der Teufel trotz des schweren Mühlsteines. 3) Diese christliche Seelenwage kann nur der ägyptischen Symbolik und Mythologie entlehnt sein. 4) Daran schliesst sich die Nachricht bei Diodor I, 96, dass Orpheus, welcher bekanntlich auch s ehr häufig in den christlichen Katakomben zu Rom erscheint, die Strafen der Gottlosen im Hades und die Fluren der Frommen und andere beim grossen Haufen gangbare Vorstellungen den bei den Aegyptern bestehenden Todtengebräuchen nachgebildet und bei den Griechen eingeführt habe. 5)
Die mit dem Dome zu Trier in Verbindung stehende Liebfrauenkirche, deren gegenwärtiger Bau im J. 1227 gegründet wurde, zeigt die Elemente des gothischen Baustyles schon vorherrschend, währeüd der Kreuzgang etwa noch in der Mitte zwischen dem romanischen und gothischen Style steht, so dass in seltener Weise an einem und demselben Gebäude die allmählige Ausbildung der Gothik sich zeigt und diese wenigstens in ihren ersten Anfängen gleichzeitig und unabhängig in Nordfrankreich und in
1) Piper, I. 2. S. 175 und S. 473.
2) Piper, I. 2. S. 303.
3) Kuhn und Schwartz, norddeutsche Sagen, Nr. 239.
4) Symbolik im Register unter Wage.
5) Tüb. Kunstblatt für 1842, S. 182.
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