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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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nicht vielleicht mehrere Bauhütten gab, damals die ausgezeichnetste und gewiss nicht weniger aus den entferntesten Gegenden besucht, wie die Universität.1) Als Baumeister zu Rheims werden gepriesen wegen des Neubaues der Klosterkirche von St. Nicaise daselbst der im J. 1263 verstorbene Hugo li Bergier (der Schäfer) und der im Jahr 1311 verstorbene Dombaumeister Robert von Coucy. Erwin von Steinbach fiel mithin in eine grosse Zeit an Baumeistern und an Bauten. Vom Anfange des 13ten Jahrh. bis zum Ende desselben hob sich zu Paris und in den daran sich anschliessenden französischen Central-Provinzen in überraschender Schnelligkeit, ja nicht selten mit nachtheiliger Hastigkeit2) und begünstigt durch die allgemeine Bauthätigkeit, die gothische Baukunst auf die höchste Spitze ihrer Ausbildung und Blüthe. Die schönste Blüthe des Facadenbaues in Frankreich ist die Facade der Kathedrale zu Rheims (bei Schnaase, V. S. 143), welcher einzig der Bau Erwin's verglichen und zur Seite gestellt werden kann. Die Erfindung des gothischen Styls wäre nach Caumont, Gally Knight, Schnaase und Andern der Normandie nicht zuzuerkennen, obwohl der gothische Styl seinen eigentlichen Ausgangspunkt, das Kreuzgewölbe aus dem Normannischen entlehnt hat; erst um das J. 1170 beginnt in der Normandie die Anwendung des Spitzbogens und eine Art Uebergangsstyl, jedoch anfänglich mehr decorativer als constructiver Tendenz und mit englischen Anklängen und Zusätzen. - Gross, sehr gross muss der Einfluss der Strassburger Bauhütte, gelegen an den Ufern des Rheines, mitten zwischen Gallien und Deutschland, auf die Baukunst gewesen sein, dass sie sogar zur gesetzlichen Hauptbauhütte von ganz Deutschland erhoben werden konnte, eine in ihrer Art höchst seltene Erscheinung, wodurch das Dasein um die Einheit einer deutschen, einer vaterländischen Baukunst beurkundet wurde. Ueber das innere Leben und Wirken der Strassburger Bauhütte oder einer andern fehlen aber alle umständlichern Nachrichten und nicht einmal die spätern gemeinen deutschen Stein-

1) Schnaase, V. S. 139.
2) Schnaase, V. S. 147.

nicht vielleicht mehrere Bauhütten gab, damals die ausgezeichnetste und gewiss nicht weniger aus den entferntesten Gegenden besucht, wie die Universität.1) Als Baumeister zu Rheims werden gepriesen wegen des Neubaues der Klosterkirche von St. Nicaise daselbst der im J. 1263 verstorbene Hugo li Bergier (der Schäfer) und der im Jahr 1311 verstorbene Dombaumeister Robert von Coucy. Erwin von Steinbach fiel mithin in eine grosse Zeit an Baumeistern und an Bauten. Vom Anfange des 13ten Jahrh. bis zum Ende desselben hob sich zu Paris und in den daran sich anschliessenden französischen Central-Provinzen in überraschender Schnelligkeit, ja nicht selten mit nachtheiliger Hastigkeit2) und begünstigt durch die allgemeine Bauthätigkeit, die gothische Baukunst auf die höchste Spitze ihrer Ausbildung und Blüthe. Die schönste Blüthe des Façadenbaues in Frankreich ist die Façade der Kathedrale zu Rheims (bei Schnaase, V. S. 143), welcher einzig der Bau Erwin’s verglichen und zur Seite gestellt werden kann. Die Erfindung des gothischen Styls wäre nach Caumont, Gally Knight, Schnaase und Andern der Normandie nicht zuzuerkennen, obwohl der gothische Styl seinen eigentlichen Ausgangspunkt, das Kreuzgewölbe aus dem Normannischen entlehnt hat; erst um das J. 1170 beginnt in der Normandie die Anwendung des Spitzbogens und eine Art Uebergangsstyl, jedoch anfänglich mehr decorativer als constructiver Tendenz und mit englischen Anklängen und Zusätzen. – Gross, sehr gross muss der Einfluss der Strassburger Bauhütte, gelegen an den Ufern des Rheines, mitten zwischen Gallien und Deutschland, auf die Baukunst gewesen sein, dass sie sogar zur gesetzlichen Hauptbauhütte von ganz Deutschland erhoben werden konnte, eine in ihrer Art höchst seltene Erscheinung, wodurch das Dasein um die Einheit einer deutschen, einer vaterländischen Baukunst beurkundet wurde. Ueber das innere Leben und Wirken der Strassburger Bauhütte oder einer andern fehlen aber alle umständlichern Nachrichten und nicht einmal die spätern gemeinen deutschen Stein-

1) Schnaase, V. S. 139.
2) Schnaase, V. S. 147.
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[435/0455] nicht vielleicht mehrere Bauhütten gab, damals die ausgezeichnetste und gewiss nicht weniger aus den entferntesten Gegenden besucht, wie die Universität. 1) Als Baumeister zu Rheims werden gepriesen wegen des Neubaues der Klosterkirche von St. Nicaise daselbst der im J. 1263 verstorbene Hugo li Bergier (der Schäfer) und der im Jahr 1311 verstorbene Dombaumeister Robert von Coucy. Erwin von Steinbach fiel mithin in eine grosse Zeit an Baumeistern und an Bauten. Vom Anfange des 13ten Jahrh. bis zum Ende desselben hob sich zu Paris und in den daran sich anschliessenden französischen Central-Provinzen in überraschender Schnelligkeit, ja nicht selten mit nachtheiliger Hastigkeit 2) und begünstigt durch die allgemeine Bauthätigkeit, die gothische Baukunst auf die höchste Spitze ihrer Ausbildung und Blüthe. Die schönste Blüthe des Façadenbaues in Frankreich ist die Façade der Kathedrale zu Rheims (bei Schnaase, V. S. 143), welcher einzig der Bau Erwin’s verglichen und zur Seite gestellt werden kann. Die Erfindung des gothischen Styls wäre nach Caumont, Gally Knight, Schnaase und Andern der Normandie nicht zuzuerkennen, obwohl der gothische Styl seinen eigentlichen Ausgangspunkt, das Kreuzgewölbe aus dem Normannischen entlehnt hat; erst um das J. 1170 beginnt in der Normandie die Anwendung des Spitzbogens und eine Art Uebergangsstyl, jedoch anfänglich mehr decorativer als constructiver Tendenz und mit englischen Anklängen und Zusätzen. – Gross, sehr gross muss der Einfluss der Strassburger Bauhütte, gelegen an den Ufern des Rheines, mitten zwischen Gallien und Deutschland, auf die Baukunst gewesen sein, dass sie sogar zur gesetzlichen Hauptbauhütte von ganz Deutschland erhoben werden konnte, eine in ihrer Art höchst seltene Erscheinung, wodurch das Dasein um die Einheit einer deutschen, einer vaterländischen Baukunst beurkundet wurde. Ueber das innere Leben und Wirken der Strassburger Bauhütte oder einer andern fehlen aber alle umständlichern Nachrichten und nicht einmal die spätern gemeinen deutschen Stein- 1) Schnaase, V. S. 139. 2) Schnaase, V. S. 147.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/455>, abgerufen am 22.11.2024.