Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.Unter den vielen kirchlichen Teckniken und Künsten, welche die Christen mit aus dem Alterthume herübergenommen und nur den christlichen Zwecken und Ideen dienstbar gemacht haben, ist die wenig beachtete, aber im Mittelalter doch bedeutsame und noch heute in den katholischen Ländern vielgebrauchte Wachsbildnerei hervorzuheben. Diese Wachsbildner, bei den Griechen [fremdsprachliches Material], bei den Römern wahrscheinlich sigillarii, sigilliariarii geheissen, bildeten bei den Alten vorzüglich kleine Bildchen und Fruchtstücke,1) im Mittelalter Heiligenbilder für Reliquienkästen besonders, deren noch viele erhalten sind. Ein magister Guglielmus Anglicus machte im J. 1357 ein lebensgrosses Wachsbild der Gräfin von Savoyen für den Dom zu Lausanne und erhielt dafür nach den gräflichen Rechnungen neben der Lieferung von 334 Pfund Wachs die Bezahlung von 64 Franken.2) Nach Böttiger gaben bei den Griechen, bei denen die Künstler ihre ersten Modelle mehrentheils in Wachs bildeten,3) und bei den Römern die Adonisfeiern oder Adonien die Hauptveranlassung zur Wachsbildnerei, da sie zu einer Jahreszeit gefeiert wurden, in welcher es wenige Blumen und keine reifen Früchte gab, daher zur Festfeier aus Wachs eben so niedlich als täuschend nachgebildet wurden. Vielleicht lag selbst Adonis, nur in Wachs geformt, auf dem Catafalke oder Castrum doloris, wie solche heiligen, blutigen Leichname von Wachs vielfach in den katholischen Kirchen vorkommen und wie bei den Maurern ursprünglich auch der erschlagene Hiram gewiss ein Wachsbild war; jedenfalls waren die Adonisgärtchen4) oft blosse Wachsgärtchen, Wachskörbchen. Weibliche Künstlerinnen sind in der Wachsbildnerei bei den Christen und bis herab auf die neuern Zeiten nicht selten, so sich z. B. darin im 17ten Jahrh. Catharina Questier zu Amsterdam wie auch in andern bildenden Künsten hervorthat;5) ebenso die im 1) Böttiger, Sabina, I. Beilage zur dritten Scene: "Wachsfrüchte und Wachsblumen der Alten." 2) Schnaase, Vl. S. 591 Anm. 3) Winckelmanns Werke, I. S. 40 ff. 4) Symbolik, I. S. 610. 5) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 116.
Unter den vielen kirchlichen Teckniken und Künsten, welche die Christen mit aus dem Alterthume herübergenommen und nur den christlichen Zwecken und Ideen dienstbar gemacht haben, ist die wenig beachtete, aber im Mittelalter doch bedeutsame und noch heute in den katholischen Ländern vielgebrauchte Wachsbildnerei hervorzuheben. Diese Wachsbildner, bei den Griechen [fremdsprachliches Material], bei den Römern wahrscheinlich sigillarii, sigilliariarii geheissen, bildeten bei den Alten vorzüglich kleine Bildchen und Fruchtstücke,1) im Mittelalter Heiligenbilder für Reliquienkästen besonders, deren noch viele erhalten sind. Ein magister Guglielmus Anglicus machte im J. 1357 ein lebensgrosses Wachsbild der Gräfin von Savoyen für den Dom zu Lausanne und erhielt dafür nach den gräflichen Rechnungen neben der Lieferung von 334 Pfund Wachs die Bezahlung von 64 Franken.2) Nach Böttiger gaben bei den Griechen, bei denen die Künstler ihre ersten Modelle mehrentheils in Wachs bildeten,3) und bei den Römern die Adonisfeiern oder Adonien die Hauptveranlassung zur Wachsbildnerei, da sie zu einer Jahreszeit gefeiert wurden, in welcher es wenige Blumen und keine reifen Früchte gab, daher zur Festfeier aus Wachs eben so niedlich als täuschend nachgebildet wurden. Vielleicht lag selbst Adonis, nur in Wachs geformt, auf dem Catafalke oder Castrum doloris, wie solche heiligen, blutigen Leichname von Wachs vielfach in den katholischen Kirchen vorkommen und wie bei den Maurern ursprünglich auch der erschlagene Hiram gewiss ein Wachsbild war; jedenfalls waren die Adonisgärtchen4) oft blosse Wachsgärtchen, Wachskörbchen. Weibliche Künstlerinnen sind in der Wachsbildnerei bei den Christen und bis herab auf die neuern Zeiten nicht selten, so sich z. B. darin im 17ten Jahrh. Catharina Questier zu Amsterdam wie auch in andern bildenden Künsten hervorthat;5) ebenso die im 1) Böttiger, Sabina, I. Beilage zur dritten Scene: „Wachsfrüchte und Wachsblumen der Alten.“ 2) Schnaase, Vl. S. 591 Anm. 3) Winckelmanns Werke, I. S. 40 ff. 4) Symbolik, I. S. 610. 5) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 116.
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Unter den vielen kirchlichen Teckniken und Künsten, welche die Christen mit aus dem Alterthume herübergenommen und nur den christlichen Zwecken und Ideen dienstbar gemacht haben, ist die wenig beachtete, aber im Mittelalter doch bedeutsame und noch heute in den katholischen Ländern vielgebrauchte Wachsbildnerei hervorzuheben. Diese Wachsbildner, bei den Griechen _ , bei den Römern wahrscheinlich sigillarii, sigilliariarii geheissen, bildeten bei den Alten vorzüglich kleine Bildchen und Fruchtstücke, 1) im Mittelalter Heiligenbilder für Reliquienkästen besonders, deren noch viele erhalten sind. Ein magister Guglielmus Anglicus machte im J. 1357 ein lebensgrosses Wachsbild der Gräfin von Savoyen für den Dom zu Lausanne und erhielt dafür nach den gräflichen Rechnungen neben der Lieferung von 334 Pfund Wachs die Bezahlung von 64 Franken. 2) Nach Böttiger gaben bei den Griechen, bei denen die Künstler ihre ersten Modelle mehrentheils in Wachs bildeten, 3) und bei den Römern die Adonisfeiern oder Adonien die Hauptveranlassung zur Wachsbildnerei, da sie zu einer Jahreszeit gefeiert wurden, in welcher es wenige Blumen und keine reifen Früchte gab, daher zur Festfeier aus Wachs eben so niedlich als täuschend nachgebildet wurden. Vielleicht lag selbst Adonis, nur in Wachs geformt, auf dem Catafalke oder Castrum doloris, wie solche heiligen, blutigen Leichname von Wachs vielfach in den katholischen Kirchen vorkommen und wie bei den Maurern ursprünglich auch der erschlagene Hiram gewiss ein Wachsbild war; jedenfalls waren die Adonisgärtchen 4) oft blosse Wachsgärtchen, Wachskörbchen. Weibliche Künstlerinnen sind in der Wachsbildnerei bei den Christen und bis herab auf die neuern Zeiten nicht selten, so sich z. B. darin im 17ten Jahrh. Catharina Questier zu Amsterdam wie auch in andern bildenden Künsten hervorthat; 5) ebenso die im
1) Böttiger, Sabina, I. Beilage zur dritten Scene: „Wachsfrüchte und Wachsblumen der Alten.“
2) Schnaase, Vl. S. 591 Anm.
3) Winckelmanns Werke, I. S. 40 ff.
4) Symbolik, I. S. 610.
5) Guhl, die Frauen in der Kunstgesch., S. 116.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/318>, abgerufen am 18.07.2024. |