Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.dem allgemeinen Verfalle der Künste im römischen Reiche zu Anfang der letzten Hälfte des dritten Jahrhunderts die Baukunst noch am längsten fortblühete, wie die Bäder des Caracalla zu Rom, die Bäder des Diocletian zu Rom, dessen Palast zu Spalatro in Illyrien und die nicht lange vorhergehenden Bauten des Kaisers Aurelianus zu Palmyra bestätigen. Winckelmann, Gesch. der Kunst, IV. Buch XII, Kap. 3, §. 3, glaubt diese Erscheinung daraus erklären zu können, dass die Baukunst es vornehmlich mit Mass und Regel zu thun habe und unter deren Vorschriften nicht so leicht als die Zeichnung abweichen und verfallen könne: allein auch die Zeichnung hatte solche Vorschriften und verfiel dennoch unter dem Ungeschmacke, der Unfähigkeit und dem Mangel an Pflege, so dass der Grund anderwärts zu suchen sein wird. Die Baugenossenschaften, die Baucorporationen waren gewiss zahlreicher, fester geschlossen und unentbehrlicher, daher auch geübter als die ähnlichen Genossenschaften der Maler, Bildhauer und dergleichen Künstler, wenn sie nicht völlig aus dem genossenschaftlichen Verbande herausgetreten waren; gerade deshalb darf auch um so wahrscheinlicher und überzeugter der Zusammenhang der mittelalterlichen Bauhütten mit den römischen Baucorporationen behauptet und angenommen werden. H. Otte, Gesch. der kirchl. Kunst des deutschen Mittelalters in ausgewählten Beispielen, 2te Ausg., Leipzig 1862, lässt S. 44 mit Andern unwahr die Kirchenbauten der romanischen Periode ausschliesslich, wie alle Künste, von der Geistlichkeit ausgehen, indem das Handwerkliche dabei die zahlreichen Laienbrüder der Benedictiner- und seit dem 12ten Jahrh. der Cisterzienserklöster besorgt haben. Bis auf Karl den Grossen stand nach Otte, S. 2, die gesammte abendländische Kunst noch ganz auf dem Boden des antik römischen und griechischen Lebens. Der Bauriss des Benedictinerklosters St. Gallen vom J. 820, welcher ein förmliches Städtchen von etwa 40 Firsten bildet und südlich die Werkstätten der Künstler, Handwerker und Knechte enthält,1) kann zur Unterstützung der Behauptung Otte's 1) Otte, S. 8.
dem allgemeinen Verfalle der Künste im römischen Reiche zu Anfang der letzten Hälfte des dritten Jahrhunderts die Baukunst noch am längsten fortblühete, wie die Bäder des Caracalla zu Rom, die Bäder des Diocletian zu Rom, dessen Palast zu Spalatro in Illyrien und die nicht lange vorhergehenden Bauten des Kaisers Aurelianus zu Palmyra bestätigen. Winckelmann, Gesch. der Kunst, IV. Buch XII, Kap. 3, §. 3, glaubt diese Erscheinung daraus erklären zu können, dass die Baukunst es vornehmlich mit Mass und Regel zu thun habe und unter deren Vorschriften nicht so leicht als die Zeichnung abweichen und verfallen könne: allein auch die Zeichnung hatte solche Vorschriften und verfiel dennoch unter dem Ungeschmacke, der Unfähigkeit und dem Mangel an Pflege, so dass der Grund anderwärts zu suchen sein wird. Die Baugenossenschaften, die Baucorporationen waren gewiss zahlreicher, fester geschlossen und unentbehrlicher, daher auch geübter als die ähnlichen Genossenschaften der Maler, Bildhauer und dergleichen Künstler, wenn sie nicht völlig aus dem genossenschaftlichen Verbande herausgetreten waren; gerade deshalb darf auch um so wahrscheinlicher und überzeugter der Zusammenhang der mittelalterlichen Bauhütten mit den römischen Baucorporationen behauptet und angenommen werden. H. Otte, Gesch. der kirchl. Kunst des deutschen Mittelalters in ausgewählten Beispielen, 2te Ausg., Leipzig 1862, lässt S. 44 mit Andern unwahr die Kirchenbauten der romanischen Periode ausschliesslich, wie alle Künste, von der Geistlichkeit ausgehen, indem das Handwerkliche dabei die zahlreichen Laienbrüder der Benedictiner- und seit dem 12ten Jahrh. der Cisterzienserklöster besorgt haben. Bis auf Karl den Grossen stand nach Otte, S. 2, die gesammte abendländische Kunst noch ganz auf dem Boden des antik römischen und griechischen Lebens. Der Bauriss des Benedictinerklosters St. Gallen vom J. 820, welcher ein förmliches Städtchen von etwa 40 Firsten bildet und südlich die Werkstätten der Künstler, Handwerker und Knechte enthält,1) kann zur Unterstützung der Behauptung Otte’s 1) Otte, S. 8.
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dem allgemeinen Verfalle der Künste im römischen Reiche zu Anfang der letzten Hälfte des dritten Jahrhunderts die Baukunst noch am längsten fortblühete, wie die Bäder des Caracalla zu Rom, die Bäder des Diocletian zu Rom, dessen Palast zu Spalatro in Illyrien und die nicht lange vorhergehenden Bauten des Kaisers Aurelianus zu Palmyra bestätigen. Winckelmann, Gesch. der Kunst, IV. Buch XII, Kap. 3, §. 3, glaubt diese Erscheinung daraus erklären zu können, dass die Baukunst es vornehmlich mit Mass und Regel zu thun habe und unter deren Vorschriften nicht so leicht als die Zeichnung abweichen und verfallen könne: allein auch die Zeichnung hatte solche Vorschriften und verfiel dennoch unter dem Ungeschmacke, der Unfähigkeit und dem Mangel an Pflege, so dass der Grund anderwärts zu suchen sein wird. Die Baugenossenschaften, die Baucorporationen waren gewiss zahlreicher, fester geschlossen und unentbehrlicher, daher auch geübter als die ähnlichen Genossenschaften der Maler, Bildhauer und dergleichen Künstler, wenn sie nicht völlig aus dem genossenschaftlichen Verbande herausgetreten waren; gerade deshalb darf auch um so wahrscheinlicher und überzeugter der Zusammenhang der mittelalterlichen Bauhütten mit den römischen Baucorporationen behauptet und angenommen werden.
H. Otte, Gesch. der kirchl. Kunst des deutschen Mittelalters in ausgewählten Beispielen, 2te Ausg., Leipzig 1862, lässt S. 44 mit Andern unwahr die Kirchenbauten der romanischen Periode ausschliesslich, wie alle Künste, von der Geistlichkeit ausgehen, indem das Handwerkliche dabei die zahlreichen Laienbrüder der Benedictiner- und seit dem 12ten Jahrh. der Cisterzienserklöster besorgt haben. Bis auf Karl den Grossen stand nach Otte, S. 2, die gesammte abendländische Kunst noch ganz auf dem Boden des antik römischen und griechischen Lebens. Der Bauriss des Benedictinerklosters St. Gallen vom J. 820, welcher ein förmliches Städtchen von etwa 40 Firsten bildet und südlich die Werkstätten der Künstler, Handwerker und Knechte enthält, 1) kann zur Unterstützung der Behauptung Otte’s
1) Otte, S. 8.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/295>, abgerufen am 16.02.2025. |