Die Simsonsage ist bei den Hebräern offenbar nur der Ueberrest und die Gestalt des den Semiten mit den Indogermanen gemeinsamen uralten Licht- und Sonnengottes, zwölfmonatlichen Jahresgottes, welcher bei den Tyriern Melkart, bei den Assyriern und Lydern Sandan oder Sandon, bei den Hebräern Simson, bei den Griechen Herakles u. s. w. genannt wurde. Da der Ursemitismus, die Urmythen bei den Hebräern während ihres Aufenthaltes in Aegypten sehr erbleicht und vergessen sein mochten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auf die Simsonsage die Phönicier und besonders die Tyrier mit ihrer verwandten Sage gestaltend einwirkten, gewiss aber war dieses nicht bei den philistäischen Volksstämmen der Fall, mit denen die Hebräer und ihr Held Simson vielmehr einen unaufhörlichen Kampf um Leben und Tod rangen.1) Simson, d. i. der Starke, nach Steinthal, S. 143, und Andern2) aber der Sonnengott, die Sonne, war der Sage nach gleich dem ihm verwandten Hiram aus dem Stamme Dan, aus dem Löwenstamme, von welchem Moses V. 33, 22 sprach: "Dan ist ein junger Löwe, er wird von Basan aufspringen." Simson ist also gleich Herakles der löwenstarke und löwenmuthige, der löwenüberwindende Gott und Held, welcher 12 Thaten vollbringt, d. h. die 12 Jahresmonate gleich Melkart, Herakles und Hiram durchkämpft.3) Die Zwölfzahl der Thaten des Simson, wie des Herakles, welche Ewald und Roskoff annehmen, betrachtet zwar Steinthal für keine so ursprüngliche und unablösliche: aber dennoch ist sie bei dem Zodiakal- und Jahresgotte Simson eine durchaus wesentliche und nothwendige, weshalb auch Simson unter die 12 Richter oder Helden Israels eingereiht wird. Die 12 Stämme und 12 Richter Israels, die 12 Söhne Jakobs und 12 Gesellen Hirams, wie die 12 Thaten Simsons stehen in den innigsten Beziehungen zu einander oder sind nur verschiedne Ausdrucksformen eines und desselben symbolischen Grundgedankens. Die Delila, d. i. Schwächende, - nach Gesenius infirma, desiderio confecta,
1) Vergl. auch Roskoff, S. 100; Steinthal, S. 132.
2) Roskoff, S. 109 unten.
3) Roskoff, S. 21 ff.
Die Simsonsage ist bei den Hebräern offenbar nur der Ueberrest und die Gestalt des den Semiten mit den Indogermanen gemeinsamen uralten Licht- und Sonnengottes, zwölfmonatlichen Jahresgottes, welcher bei den Tyriern Melkart, bei den Assyriern und Lydern Sandan oder Sandon, bei den Hebräern Simson, bei den Griechen Herakles u. s. w. genannt wurde. Da der Ursemitismus, die Urmythen bei den Hebräern während ihres Aufenthaltes in Aegypten sehr erbleicht und vergessen sein mochten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auf die Simsonsage die Phönicier und besonders die Tyrier mit ihrer verwandten Sage gestaltend einwirkten, gewiss aber war dieses nicht bei den philistäischen Volksstämmen der Fall, mit denen die Hebräer und ihr Held Simson vielmehr einen unaufhörlichen Kampf um Leben und Tod rangen.1) Simson, d. i. der Starke, nach Steinthal, S. 143, und Andern2) aber der Sonnengott, die Sonne, war der Sage nach gleich dem ihm verwandten Hiram aus dem Stamme Dan, aus dem Löwenstamme, von welchem Moses V. 33, 22 sprach: „Dan ist ein junger Löwe, er wird von Basan aufspringen.“ Simson ist also gleich Herakles der löwenstarke und löwenmuthige, der löwenüberwindende Gott und Held, welcher 12 Thaten vollbringt, d. h. die 12 Jahresmonate gleich Melkart, Herakles und Hiram durchkämpft.3) Die Zwölfzahl der Thaten des Simson, wie des Herakles, welche Ewald und Roskoff annehmen, betrachtet zwar Steinthal für keine so ursprüngliche und unablösliche: aber dennoch ist sie bei dem Zodiakal- und Jahresgotte Simson eine durchaus wesentliche und nothwendige, weshalb auch Simson unter die 12 Richter oder Helden Israels eingereiht wird. Die 12 Stämme und 12 Richter Israels, die 12 Söhne Jakobs und 12 Gesellen Hirams, wie die 12 Thaten Simsons stehen in den innigsten Beziehungen zu einander oder sind nur verschiedne Ausdrucksformen eines und desselben symbolischen Grundgedankens. Die Delila, d. i. Schwächende, - nach Gesenius infirma, desiderio confecta,
1) Vergl. auch Roskoff, S. 100; Steinthal, S. 132.
2) Roskoff, S. 109 unten.
3) Roskoff, S. 21 ff.
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Die Simsonsage ist bei den Hebräern offenbar nur der Ueberrest und die Gestalt des den Semiten mit den Indogermanen gemeinsamen uralten Licht- und Sonnengottes, zwölfmonatlichen Jahresgottes, welcher bei den Tyriern Melkart, bei den Assyriern und Lydern Sandan oder Sandon, bei den Hebräern Simson, bei den Griechen Herakles u. s. w. genannt wurde. Da der Ursemitismus, die Urmythen bei den Hebräern während ihres Aufenthaltes in Aegypten sehr erbleicht und vergessen sein mochten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auf die Simsonsage die Phönicier und besonders die Tyrier mit ihrer verwandten Sage gestaltend einwirkten, gewiss aber war dieses nicht bei den philistäischen Volksstämmen der Fall, mit denen die Hebräer und ihr Held Simson vielmehr einen unaufhörlichen Kampf um Leben und Tod rangen.<noteplace="foot"n="1)">Vergl. auch Roskoff, S. 100; Steinthal, S. 132.<lb/></note> Simson, d. i. der Starke, nach Steinthal, S. 143, und Andern<noteplace="foot"n="2)">Roskoff, S. 109 unten.<lb/></note> aber der Sonnengott, die Sonne, war der Sage nach gleich dem ihm verwandten Hiram aus dem Stamme Dan, aus dem Löwenstamme, von welchem Moses V. 33, 22 sprach: „Dan ist ein junger <hirendition="#g">Löwe</hi>, er wird von Basan aufspringen.“ Simson ist also gleich Herakles der löwenstarke und löwenmuthige, der löwenüberwindende Gott und Held, welcher 12 Thaten vollbringt, d. h. die 12 Jahresmonate gleich Melkart, Herakles und Hiram durchkämpft.<noteplace="foot"n="3)">Roskoff, S. 21 ff.<lb/></note> Die Zwölfzahl der Thaten des Simson, wie des Herakles, welche Ewald und Roskoff annehmen, betrachtet zwar Steinthal für keine so ursprüngliche und unablösliche: aber dennoch ist sie bei dem Zodiakal- und Jahresgotte Simson eine durchaus wesentliche und nothwendige, weshalb auch Simson unter die 12 Richter oder Helden Israels eingereiht wird. Die 12 Stämme und 12 Richter Israels, die 12 Söhne Jakobs und 12 Gesellen Hirams, wie die 12 Thaten Simsons stehen in den innigsten Beziehungen zu einander oder sind nur verschiedne Ausdrucksformen eines und desselben symbolischen Grundgedankens. Die Delila, d. i. Schwächende, - nach Gesenius infirma, desiderio confecta,
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Die Simsonsage ist bei den Hebräern offenbar nur der Ueberrest und die Gestalt des den Semiten mit den Indogermanen gemeinsamen uralten Licht- und Sonnengottes, zwölfmonatlichen Jahresgottes, welcher bei den Tyriern Melkart, bei den Assyriern und Lydern Sandan oder Sandon, bei den Hebräern Simson, bei den Griechen Herakles u. s. w. genannt wurde. Da der Ursemitismus, die Urmythen bei den Hebräern während ihres Aufenthaltes in Aegypten sehr erbleicht und vergessen sein mochten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auf die Simsonsage die Phönicier und besonders die Tyrier mit ihrer verwandten Sage gestaltend einwirkten, gewiss aber war dieses nicht bei den philistäischen Volksstämmen der Fall, mit denen die Hebräer und ihr Held Simson vielmehr einen unaufhörlichen Kampf um Leben und Tod rangen. 1) Simson, d. i. der Starke, nach Steinthal, S. 143, und Andern 2) aber der Sonnengott, die Sonne, war der Sage nach gleich dem ihm verwandten Hiram aus dem Stamme Dan, aus dem Löwenstamme, von welchem Moses V. 33, 22 sprach: „Dan ist ein junger Löwe, er wird von Basan aufspringen.“ Simson ist also gleich Herakles der löwenstarke und löwenmuthige, der löwenüberwindende Gott und Held, welcher 12 Thaten vollbringt, d. h. die 12 Jahresmonate gleich Melkart, Herakles und Hiram durchkämpft. 3) Die Zwölfzahl der Thaten des Simson, wie des Herakles, welche Ewald und Roskoff annehmen, betrachtet zwar Steinthal für keine so ursprüngliche und unablösliche: aber dennoch ist sie bei dem Zodiakal- und Jahresgotte Simson eine durchaus wesentliche und nothwendige, weshalb auch Simson unter die 12 Richter oder Helden Israels eingereiht wird. Die 12 Stämme und 12 Richter Israels, die 12 Söhne Jakobs und 12 Gesellen Hirams, wie die 12 Thaten Simsons stehen in den innigsten Beziehungen zu einander oder sind nur verschiedne Ausdrucksformen eines und desselben symbolischen Grundgedankens. Die Delila, d. i. Schwächende, - nach Gesenius infirma, desiderio confecta,
1) Vergl. auch Roskoff, S. 100; Steinthal, S. 132.
2) Roskoff, S. 109 unten.
3) Roskoff, S. 21 ff.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 741. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/761>, abgerufen am 03.07.2024.
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