Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

nahenden Winter kehrt der Frühlingsgott in die Unterwelt, in das Land der Hyperboreer, in das nordische Eisland zurück, und Hocker, a. a. O., erzählt daher die Sage also weiter nach Müllenhof, Sagen aus Schleswig Nro. 1: "Als dem alten Könige nun das Schicksal nahte und er dahin ging, brachte sein Gesinde die theure Leiche zum Ufer, wie er selbst befohlen hatte, da er noch lebte. Zur Ausfahrt stand sein Schiff bereit, glänzend wie Eis: da hinein legten sie trauernd den Fürsten, mit dem Haupte zum Maste. Kein Schiff war je prächtiger ausgerüstet, eine Menge von Schätzen und Kleinodien, Waffen und Kriegsgewändern lagen umher, wie einst in dem Schiffe, das den Skeaf zum Lande getragen hatte (im Frühjahre kommt und im Herbste kehrt der Gott mit der Blitzes- und mit den Gewitterwaffen zurück). Hoch an dem Mast band man ein goldenes Banner als königliches Zeichen (wohl den Blitz) und überliess es dann steuerlos dem Spiel der (Wolken-) Fluthen." - Das steuerlose, nicht bewegte Schiff ist die Sonne unmittelbar nach der Sommersonnenwende, indem alsdann die Sonne eine Zeit lang stille zu stehen scheint, und auf diese Weise wird der verstorbene König von Schleswig zum Licht- und Sonnengotte Baldur, der ja auch nur die dem versengenden Sonnenbrande, der Riesin Hyrrokin, in der Sommersonnenwende unterliegende Sonnen- und Naturkraft, das Blüthenleben der Erde ist; auch sein Scheiterhaufen, das Gewitter gleich dem Scheiterhaufen des Herakles,1) auf dem sich zugleich die vor Schmerz vergehende Gattin Nanna, die Blüthe, mit dem Leichname des Gatten verbrennen lässt, wird auf dem Schiffe Hringhorn entzündet und es fährt dieses flammend in Sonnenglut dahin, aber es trägt nur noch die Leiche seines Gottes.2) Eine schwedische Sage lässt Odhin die Seelen der in der Bravallaschlacht gefallenen Krieger auf goldenem Schiffe nach Vallhöll fahren und es war im Norden ein häufiger Gebrauch, die Leichen in einem Schiffe dem Meere zu überlassen.3) Nach dem

1) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 258.
2) Simrock, deutsche Mythol., S. 95.
3) Mannhardt, germanische Mythen, S. 357; Schwartz, a. a. O., S. 273; Hocker, Stammsagen, S. 53.

nahenden Winter kehrt der Frühlingsgott in die Unterwelt, in das Land der Hyperboreer, in das nordische Eisland zurück, und Hocker, a. a. O., erzählt daher die Sage also weiter nach Müllenhof, Sagen aus Schleswig Nro. 1: „Als dem alten Könige nun das Schicksal nahte und er dahin ging, brachte sein Gesinde die theure Leiche zum Ufer, wie er selbst befohlen hatte, da er noch lebte. Zur Ausfahrt stand sein Schiff bereit, glänzend wie Eis: da hinein legten sie trauernd den Fürsten, mit dem Haupte zum Maste. Kein Schiff war je prächtiger ausgerüstet, eine Menge von Schätzen und Kleinodien, Waffen und Kriegsgewändern lagen umher, wie einst in dem Schiffe, das den Skeaf zum Lande getragen hatte (im Frühjahre kommt und im Herbste kehrt der Gott mit der Blitzes- und mit den Gewitterwaffen zurück). Hoch an dem Mast band man ein goldenes Banner als königliches Zeichen (wohl den Blitz) und überliess es dann steuerlos dem Spiel der (Wolken-) Fluthen.“ - Das steuerlose, nicht bewegte Schiff ist die Sonne unmittelbar nach der Sommersonnenwende, indem alsdann die Sonne eine Zeit lang stille zu stehen scheint, und auf diese Weise wird der verstorbene König von Schleswig zum Licht- und Sonnengotte Baldur, der ja auch nur die dem versengenden Sonnenbrande, der Riesin Hyrrokin, in der Sommersonnenwende unterliegende Sonnen- und Naturkraft, das Blüthenleben der Erde ist; auch sein Scheiterhaufen, das Gewitter gleich dem Scheiterhaufen des Herakles,1) auf dem sich zugleich die vor Schmerz vergehende Gattin Nanna, die Blüthe, mit dem Leichname des Gatten verbrennen lässt, wird auf dem Schiffe Hringhorn entzündet und es fährt dieses flammend in Sonnenglut dahin, aber es trägt nur noch die Leiche seines Gottes.2) Eine schwedische Sage lässt Odhin die Seelen der in der Brâvallaschlacht gefallenen Krieger auf goldenem Schiffe nach Vallhöll fahren und es war im Norden ein häufiger Gebrauch, die Leichen in einem Schiffe dem Meere zu überlassen.3) Nach dem

1) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 258.
2) Simrock, deutsche Mythol., S. 95.
3) Mannhardt, germanische Mythen, S. 357; Schwartz, a. a. O., S. 273; Hocker, Stammsagen, S. 53.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0735" n="715"/>
nahenden Winter kehrt der Frühlingsgott in die Unterwelt, in das Land der Hyperboreer, in das nordische Eisland zurück, und Hocker, a. a. O., erzählt daher die Sage also weiter nach Müllenhof, Sagen aus Schleswig Nro. 1: &#x201E;Als dem <hi rendition="#g">alten</hi> Könige nun das Schicksal nahte und er dahin ging, brachte sein Gesinde die theure Leiche zum Ufer, wie er selbst befohlen hatte, da er noch lebte. Zur Ausfahrt stand sein Schiff bereit, glänzend wie Eis: da hinein legten sie trauernd den Fürsten, mit dem Haupte zum Maste. Kein Schiff war je prächtiger ausgerüstet, eine Menge von Schätzen und Kleinodien, Waffen und Kriegsgewändern lagen umher, wie einst in dem Schiffe, das den Skeaf zum Lande getragen hatte (im Frühjahre kommt und im Herbste kehrt der Gott mit der Blitzes- und mit den Gewitterwaffen zurück). Hoch an dem Mast band man ein <hi rendition="#g">goldenes</hi> Banner als königliches Zeichen (wohl den Blitz) und überliess es dann <hi rendition="#g">steuerlos</hi> dem Spiel der (Wolken-) Fluthen.&#x201C; - Das steuerlose, nicht bewegte Schiff ist die Sonne unmittelbar nach der Sommersonnenwende, indem alsdann die Sonne eine Zeit lang stille zu stehen scheint, und auf diese Weise wird der verstorbene König von Schleswig zum Licht- und Sonnengotte Baldur, der ja auch nur die dem versengenden Sonnenbrande, der Riesin Hyrrokin, in der Sommersonnenwende unterliegende Sonnen- und Naturkraft, das Blüthenleben der Erde ist; auch sein Scheiterhaufen, das Gewitter gleich dem Scheiterhaufen des Herakles,<note place="foot" n="1)">Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 258.<lb/></note> auf dem sich zugleich die vor Schmerz vergehende Gattin Nanna, die Blüthe, mit dem Leichname des Gatten verbrennen lässt, wird auf dem Schiffe Hringhorn entzündet und es fährt dieses flammend in Sonnenglut dahin, aber es trägt nur noch die Leiche seines Gottes.<note place="foot" n="2)">Simrock, deutsche Mythol., S. 95.<lb/></note> Eine schwedische Sage lässt Odhin die Seelen der in der Brâvallaschlacht gefallenen Krieger auf goldenem Schiffe nach Vallhöll fahren und es war im Norden ein häufiger Gebrauch, die Leichen in einem Schiffe dem Meere zu überlassen.<note place="foot" n="3)">Mannhardt, germanische Mythen, S. 357; Schwartz, a. a. O., S. 273; Hocker, Stammsagen, S. 53.<lb/></note> Nach dem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[715/0735] nahenden Winter kehrt der Frühlingsgott in die Unterwelt, in das Land der Hyperboreer, in das nordische Eisland zurück, und Hocker, a. a. O., erzählt daher die Sage also weiter nach Müllenhof, Sagen aus Schleswig Nro. 1: „Als dem alten Könige nun das Schicksal nahte und er dahin ging, brachte sein Gesinde die theure Leiche zum Ufer, wie er selbst befohlen hatte, da er noch lebte. Zur Ausfahrt stand sein Schiff bereit, glänzend wie Eis: da hinein legten sie trauernd den Fürsten, mit dem Haupte zum Maste. Kein Schiff war je prächtiger ausgerüstet, eine Menge von Schätzen und Kleinodien, Waffen und Kriegsgewändern lagen umher, wie einst in dem Schiffe, das den Skeaf zum Lande getragen hatte (im Frühjahre kommt und im Herbste kehrt der Gott mit der Blitzes- und mit den Gewitterwaffen zurück). Hoch an dem Mast band man ein goldenes Banner als königliches Zeichen (wohl den Blitz) und überliess es dann steuerlos dem Spiel der (Wolken-) Fluthen.“ - Das steuerlose, nicht bewegte Schiff ist die Sonne unmittelbar nach der Sommersonnenwende, indem alsdann die Sonne eine Zeit lang stille zu stehen scheint, und auf diese Weise wird der verstorbene König von Schleswig zum Licht- und Sonnengotte Baldur, der ja auch nur die dem versengenden Sonnenbrande, der Riesin Hyrrokin, in der Sommersonnenwende unterliegende Sonnen- und Naturkraft, das Blüthenleben der Erde ist; auch sein Scheiterhaufen, das Gewitter gleich dem Scheiterhaufen des Herakles, 1) auf dem sich zugleich die vor Schmerz vergehende Gattin Nanna, die Blüthe, mit dem Leichname des Gatten verbrennen lässt, wird auf dem Schiffe Hringhorn entzündet und es fährt dieses flammend in Sonnenglut dahin, aber es trägt nur noch die Leiche seines Gottes. 2) Eine schwedische Sage lässt Odhin die Seelen der in der Brâvallaschlacht gefallenen Krieger auf goldenem Schiffe nach Vallhöll fahren und es war im Norden ein häufiger Gebrauch, die Leichen in einem Schiffe dem Meere zu überlassen. 3) Nach dem 1) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 258. 2) Simrock, deutsche Mythol., S. 95. 3) Mannhardt, germanische Mythen, S. 357; Schwartz, a. a. O., S. 273; Hocker, Stammsagen, S. 53.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/735
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/735>, abgerufen am 23.11.2024.