das dahinfallende welke Laub des Herbstes, die kalte und starre Eisdecke des Winters auch jedes fühlende Herz zur Trauer und zum Schmerze über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge stimmen und an den eigenen, bald und sicher kommenden Tod mahnen. Die sterbende Natur, der sterbende Dionysos und Hiram soll also den Eingeweihten nur zurufen: "Memento mori, gedenke des Todes!"; denn wer des Todes gedenkt, wird so leben, um den Tod nicht fürchten zu müssen. Unser ganzes Leben ist eigentlich nur ein Sterben, nur der Weg und die Vorbereitung zum Tode; das Grab und der Tod ist das Ziel alles Lebens. Dieses wird auf dem Denkmale der Meister durch den Satz angedeutet: "Novenario dissolvitur", indem die hier berührten neun Monate die gesammten Lebens- und Sterbensmonate der Natur und des Hiram sind. Es liegt in diesem Satze eine tiefe Wahrheit und ernste Mahnung besonders an die Jugend, da auch sie nur dem Tode entgegenwandelt, auch sie des Todes sich erinnern und nicht wähnen soll, dass sie nicht vergehen und zerfallen müsse. Es ist die Jugend die schöne Blume des Feldes, die Rose, die am Morgen blühet, am Mittag schon welket und des Abends verdorrt in den Ofen geworfen wird. Dass Vergänglichkeit und Tod das einzige Loos alles Erdenlebens und Erdenglückes seien, ruft nicht allein der welkende Herbst und der eisige Winter uns zu, sondern noch weit mehr der blühendste und schönste Frühling, Adonis und Hyakinthos. Der Myste, der Eingeweihte soll daher leben, um zu sterben, da hier nicht unseres Bleibens ist, die Erde und unsere irdische Wohnung nach der ägyptischen Vorstellung blos eine Herberge ist, welche wir vorübergehend als Erdenreisende bewohnen. Doch diesem Memento mori fügt die Natur, fügt Hiram auch eine tröstliche Hoffnung, eine göttliche Verheissung bei. Wie die Natur die Decke ihres Grabes durch ihre inwohnende unsterbliche Schöpfungskraft siegreich zerbricht und bald wieder zu neuem schönerem Leben aufblühet, so wird der unsterbliche Menschengeist nach Ablegung der Erdenhülle aus dem Grabe wieder hervor und in das ewige Licht und Leben eingehen. Das Grab ist die Wiege des Lebens, ternario formatur; die Natur, Dionysos und Hiram, der Mensch
das dahinfallende welke Laub des Herbstes, die kalte und starre Eisdecke des Winters auch jedes fühlende Herz zur Trauer und zum Schmerze über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge stimmen und an den eigenen, bald und sicher kommenden Tod mahnen. Die sterbende Natur, der sterbende Dionysos und Hiram soll also den Eingeweihten nur zurufen: „Memento mori, gedenke des Todes!“; denn wer des Todes gedenkt, wird so leben, um den Tod nicht fürchten zu müssen. Unser ganzes Leben ist eigentlich nur ein Sterben, nur der Weg und die Vorbereitung zum Tode; das Grab und der Tod ist das Ziel alles Lebens. Dieses wird auf dem Denkmale der Meister durch den Satz angedeutet: „Novenario dissolvitur“, indem die hier berührten neun Monate die gesammten Lebens- und Sterbensmonate der Natur und des Hiram sind. Es liegt in diesem Satze eine tiefe Wahrheit und ernste Mahnung besonders an die Jugend, da auch sie nur dem Tode entgegenwandelt, auch sie des Todes sich erinnern und nicht wähnen soll, dass sie nicht vergehen und zerfallen müsse. Es ist die Jugend die schöne Blume des Feldes, die Rose, die am Morgen blühet, am Mittag schon welket und des Abends verdorrt in den Ofen geworfen wird. Dass Vergänglichkeit und Tod das einzige Loos alles Erdenlebens und Erdenglückes seien, ruft nicht allein der welkende Herbst und der eisige Winter uns zu, sondern noch weit mehr der blühendste und schönste Frühling, Adonis und Hyakinthos. Der Myste, der Eingeweihte soll daher leben, um zu sterben, da hier nicht unseres Bleibens ist, die Erde und unsere irdische Wohnung nach der ägyptischen Vorstellung blos eine Herberge ist, welche wir vorübergehend als Erdenreisende bewohnen. Doch diesem Memento mori fügt die Natur, fügt Hiram auch eine tröstliche Hoffnung, eine göttliche Verheissung bei. Wie die Natur die Decke ihres Grabes durch ihre inwohnende unsterbliche Schöpfungskraft siegreich zerbricht und bald wieder zu neuem schönerem Leben aufblühet, so wird der unsterbliche Menschengeist nach Ablegung der Erdenhülle aus dem Grabe wieder hervor und in das ewige Licht und Leben eingehen. Das Grab ist die Wiege des Lebens, ternario formatur; die Natur, Dionysos und Hiram, der Mensch
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das dahinfallende welke Laub des Herbstes, die kalte und starre Eisdecke des Winters auch jedes fühlende Herz zur Trauer und zum Schmerze über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge stimmen und an den eigenen, bald und sicher kommenden Tod mahnen. Die sterbende Natur, der sterbende Dionysos und Hiram soll also den Eingeweihten nur zurufen: „Memento mori, gedenke des Todes!“; denn wer des Todes gedenkt, wird so leben, um den Tod nicht fürchten zu müssen. Unser ganzes Leben ist eigentlich nur ein Sterben, nur der Weg und die Vorbereitung zum Tode; das Grab und der Tod ist das Ziel alles Lebens. Dieses wird auf dem Denkmale der Meister durch den Satz angedeutet: „Novenario dissolvitur“, indem die hier berührten neun Monate die gesammten Lebens- und Sterbensmonate der Natur und des Hiram sind. Es liegt in diesem Satze eine tiefe Wahrheit und ernste Mahnung besonders an die Jugend, da auch sie nur dem Tode entgegenwandelt, auch sie des Todes sich erinnern und nicht wähnen soll, dass sie nicht vergehen und zerfallen müsse. Es ist die Jugend die schöne Blume des Feldes, die Rose, die am Morgen blühet, am Mittag schon welket und des Abends verdorrt in den Ofen geworfen wird. Dass Vergänglichkeit und Tod das einzige Loos alles Erdenlebens und Erdenglückes seien, ruft nicht allein der welkende Herbst und der eisige Winter uns zu, sondern noch weit mehr der blühendste und schönste Frühling, Adonis und Hyakinthos. Der Myste, der Eingeweihte soll daher leben, um zu sterben, da hier nicht unseres Bleibens ist, die Erde und unsere irdische Wohnung nach der ägyptischen Vorstellung blos eine Herberge ist, welche wir vorübergehend als Erdenreisende bewohnen. Doch diesem Memento mori fügt die Natur, fügt Hiram auch eine tröstliche Hoffnung, eine göttliche Verheissung bei. Wie die Natur die Decke ihres Grabes durch ihre inwohnende unsterbliche Schöpfungskraft siegreich zerbricht und bald wieder zu neuem schönerem Leben aufblühet, so wird der unsterbliche Menschengeist nach Ablegung der Erdenhülle aus dem Grabe wieder hervor und in das ewige Licht und Leben eingehen. Das Grab ist die Wiege des Lebens, ternario formatur; die Natur, Dionysos und Hiram, der Mensch
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das dahinfallende welke Laub des Herbstes, die kalte und starre Eisdecke des Winters auch jedes fühlende Herz zur Trauer und zum Schmerze über die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge stimmen und an den eigenen, bald und sicher kommenden Tod mahnen. Die sterbende Natur, der sterbende Dionysos und Hiram soll also den Eingeweihten nur zurufen: „Memento mori, gedenke des Todes!“; denn wer des Todes gedenkt, wird so leben, um den Tod nicht fürchten zu müssen. Unser ganzes Leben ist eigentlich nur ein Sterben, nur der Weg und die Vorbereitung zum Tode; das Grab und der Tod ist das Ziel alles Lebens. Dieses wird auf dem Denkmale der Meister durch den Satz angedeutet: „Novenario dissolvitur“, indem die hier berührten neun Monate die gesammten Lebens- und Sterbensmonate der Natur und des Hiram sind. Es liegt in diesem Satze eine tiefe Wahrheit und ernste Mahnung besonders an die Jugend, da auch sie nur dem Tode entgegenwandelt, auch sie des Todes sich erinnern und nicht wähnen soll, dass sie nicht vergehen und zerfallen müsse. Es ist die Jugend die schöne Blume des Feldes, die Rose, die am Morgen blühet, am Mittag schon welket und des Abends verdorrt in den Ofen geworfen wird. Dass Vergänglichkeit und Tod das einzige Loos alles Erdenlebens und Erdenglückes seien, ruft nicht allein der welkende Herbst und der eisige Winter uns zu, sondern noch weit mehr der blühendste und schönste Frühling, Adonis und Hyakinthos. Der Myste, der Eingeweihte soll daher leben, um zu sterben, da hier nicht unseres Bleibens ist, die Erde und unsere irdische Wohnung nach der ägyptischen Vorstellung blos eine Herberge ist, welche wir vorübergehend als Erdenreisende bewohnen. Doch diesem Memento mori fügt die Natur, fügt Hiram auch eine tröstliche Hoffnung, eine göttliche Verheissung bei. Wie die Natur die Decke ihres Grabes durch ihre inwohnende unsterbliche Schöpfungskraft siegreich zerbricht und bald wieder zu neuem schönerem Leben aufblühet, so wird der unsterbliche Menschengeist nach Ablegung der Erdenhülle aus dem Grabe wieder hervor und in das ewige Licht und Leben eingehen. Das Grab ist die Wiege des Lebens, ternario formatur; die Natur, Dionysos und Hiram, der Mensch
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/585>, abgerufen am 29.06.2024.
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