Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

monischen Tempel entlehnt und nachgeahmt redet und schreibt, entbehrt jedes Grundes und jeder innern Wahrheit;1) nicht einmal der salomonische Tempel war wirklich dreigetheilt, sondern allein zweigetheilt in das Allerheiligste und Heilige. Höchstens könnten die Palmen und Palmzweige, welche auf den Deckengemälden im gewölbten Halbkreise der ältesten christlichen Basiliken erscheinen, sowie die vier um den Thron befindlichen [fremdsprachliches Material], d. i. Lebendigen (nicht Thiere), an den jüdischen Tempel mahnen;2) die Mosaikgemälde sind übrigens auf kräftig blauem oder auf Goldgrund aufgetragen.

Die gothische oder germanische Baukunst, welche auch die städtische oder bürgerliche Baukunst genannt werden dürfte und womit zugleich die Entwickelung der Zünfte oder vielmehr Zümfte (von zeman, zemen, ziemen, wie Vernunft von vernemen3) Hand in Hand geht, vollendet den Gegensatz des vertikalen Kirchenbaues zu dem antiken horizontalen Tempelbaue.4) Man möchte die Erfindung und Ausbildung der germanischen Baukunst das Meisterstück nennen, welches die germanischen Bauleute nach rühmlicher Vollendung der romanischen Wanderschaft, des romanischen Baustyls, abgelegt und verfertigt haben und wie kein zweites Meisterstück je wieder abgelegt und verfertigt werden wird.

Unzweifelhaft nach dem Vorbilde der jüdischen Bundeslade wird auch in den muhammedanischen Moscheen in dem innersten Heiligthum der Halle des Gebetes (Kiblah) der Koran aufbewahrt. Im Uebrigen steht der muhammedanische Moscheenbau in demselben grundsätzlichen Gegensatze zu dem antiken Tempelbaue, wie die christliche Kirchenbaukunst, denn auch der Moscheenbau ist nur eine Art Kirchenbau, Moscheen und Kirchen sind Gemeindehäuser; dort soll das Volk, die Gemeinde zu dem Ewigen beten.5) Die Grundbedingungen, aus denen die, im wesent-

1) Baehr, S. 329 und 330.
2) Baehr, S. 335, unten.
3) Schade, weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, IV. S. 450.
4) Vergl. Lübke, a. a. O., S. 377 ff., über den gothischen Styl.
5) Lübke, S. 213 ff.

monischen Tempel entlehnt und nachgeahmt redet und schreibt, entbehrt jedes Grundes und jeder innern Wahrheit;1) nicht einmal der salomonische Tempel war wirklich dreigetheilt, sondern allein zweigetheilt in das Allerheiligste und Heilige. Höchstens könnten die Palmen und Palmzweige, welche auf den Deckengemälden im gewölbten Halbkreise der ältesten christlichen Basiliken erscheinen, sowie die vier um den Thron befindlichen [fremdsprachliches Material], d. i. Lebendigen (nicht Thiere), an den jüdischen Tempel mahnen;2) die Mosaikgemälde sind übrigens auf kräftig blauem oder auf Goldgrund aufgetragen.

Die gothische oder germanische Baukunst, welche auch die städtische oder bürgerliche Baukunst genannt werden dürfte und womit zugleich die Entwickelung der Zünfte oder vielmehr Zümfte (von zeman, zemen, ziemen, wie Vernunft von vernemen3) Hand in Hand geht, vollendet den Gegensatz des vertikalen Kirchenbaues zu dem antiken horizontalen Tempelbaue.4) Man möchte die Erfindung und Ausbildung der germanischen Baukunst das Meisterstück nennen, welches die germanischen Bauleute nach rühmlicher Vollendung der romanischen Wanderschaft, des romanischen Baustyls, abgelegt und verfertigt haben und wie kein zweites Meisterstück je wieder abgelegt und verfertigt werden wird.

Unzweifelhaft nach dem Vorbilde der jüdischen Bundeslade wird auch in den muhammedanischen Moscheen in dem innersten Heiligthum der Halle des Gebetes (Kiblah) der Koran aufbewahrt. Im Uebrigen steht der muhammedanische Moscheenbau in demselben grundsätzlichen Gegensatze zu dem antiken Tempelbaue, wie die christliche Kirchenbaukunst, denn auch der Moscheenbau ist nur eine Art Kirchenbau, Moscheen und Kirchen sind Gemeindehäuser; dort soll das Volk, die Gemeinde zu dem Ewigen beten.5) Die Grundbedingungen, aus denen die, im wesent-

1) Baehr, S. 329 und 330.
2) Baehr, S. 335, unten.
3) Schade, weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, IV. S. 450.
4) Vergl. Lübke, a. a. O., S. 377 ff., über den gothischen Styl.
5) Lübke, S. 213 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="183"/>
monischen Tempel entlehnt und nachgeahmt redet und schreibt, entbehrt jedes Grundes und jeder innern Wahrheit;<note place="foot" n="1)">Baehr, S. 329 und 330.<lb/></note> nicht einmal der salomonische Tempel war wirklich dreigetheilt, sondern allein zweigetheilt in das Allerheiligste und Heilige. Höchstens könnten die Palmen und Palmzweige, welche auf den Deckengemälden im gewölbten Halbkreise der ältesten christlichen Basiliken erscheinen, sowie die vier um den Thron befindlichen <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>, d. i. Lebendigen (nicht Thiere), an den jüdischen Tempel mahnen;<note place="foot" n="2)">Baehr, S. 335, unten.<lb/></note> die Mosaikgemälde sind übrigens auf kräftig <hi rendition="#g">blauem</hi> oder auf <hi rendition="#g">Gold</hi>grund aufgetragen.</p>
        <p>
     Die gothische oder <hi rendition="#g">germanische</hi> Baukunst, welche auch die städtische oder bürgerliche Baukunst genannt werden dürfte und womit zugleich die Entwickelung der Zünfte oder vielmehr Zümfte (von zeman, zemen, ziemen, wie Vernunft von vernemen<note place="foot" n="3)">Schade, weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, IV. S. 450.<lb/></note> Hand in Hand geht, vollendet den Gegensatz des vertikalen Kirchenbaues zu dem antiken horizontalen Tempelbaue.<note place="foot" n="4)">Vergl. Lübke, a. a. O., S. 377 ff., über den gothischen Styl.<lb/></note> Man möchte die Erfindung und Ausbildung der germanischen Baukunst das Meisterstück nennen, welches die germanischen Bauleute nach rühmlicher Vollendung der romanischen Wanderschaft, des romanischen Baustyls, abgelegt und verfertigt haben und wie kein zweites Meisterstück je wieder abgelegt und verfertigt werden wird.</p>
        <p>
     Unzweifelhaft nach dem Vorbilde der jüdischen Bundeslade wird auch in den muhammedanischen Moscheen in dem innersten Heiligthum der Halle des Gebetes (Kiblah) der Koran aufbewahrt. Im Uebrigen steht der muhammedanische Moscheenbau in demselben grundsätzlichen Gegensatze zu dem antiken Tempelbaue, wie die christliche Kirchenbaukunst, denn auch der Moscheenbau ist nur eine Art Kirchenbau, Moscheen und Kirchen sind Gemeindehäuser; dort soll das Volk, die Gemeinde zu dem Ewigen beten.<note place="foot" n="5)">Lübke, S. 213 ff.<lb/></note> Die Grundbedingungen, aus denen die, im wesent-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0203] monischen Tempel entlehnt und nachgeahmt redet und schreibt, entbehrt jedes Grundes und jeder innern Wahrheit; 1) nicht einmal der salomonische Tempel war wirklich dreigetheilt, sondern allein zweigetheilt in das Allerheiligste und Heilige. Höchstens könnten die Palmen und Palmzweige, welche auf den Deckengemälden im gewölbten Halbkreise der ältesten christlichen Basiliken erscheinen, sowie die vier um den Thron befindlichen _ , d. i. Lebendigen (nicht Thiere), an den jüdischen Tempel mahnen; 2) die Mosaikgemälde sind übrigens auf kräftig blauem oder auf Goldgrund aufgetragen. Die gothische oder germanische Baukunst, welche auch die städtische oder bürgerliche Baukunst genannt werden dürfte und womit zugleich die Entwickelung der Zünfte oder vielmehr Zümfte (von zeman, zemen, ziemen, wie Vernunft von vernemen 3) Hand in Hand geht, vollendet den Gegensatz des vertikalen Kirchenbaues zu dem antiken horizontalen Tempelbaue. 4) Man möchte die Erfindung und Ausbildung der germanischen Baukunst das Meisterstück nennen, welches die germanischen Bauleute nach rühmlicher Vollendung der romanischen Wanderschaft, des romanischen Baustyls, abgelegt und verfertigt haben und wie kein zweites Meisterstück je wieder abgelegt und verfertigt werden wird. Unzweifelhaft nach dem Vorbilde der jüdischen Bundeslade wird auch in den muhammedanischen Moscheen in dem innersten Heiligthum der Halle des Gebetes (Kiblah) der Koran aufbewahrt. Im Uebrigen steht der muhammedanische Moscheenbau in demselben grundsätzlichen Gegensatze zu dem antiken Tempelbaue, wie die christliche Kirchenbaukunst, denn auch der Moscheenbau ist nur eine Art Kirchenbau, Moscheen und Kirchen sind Gemeindehäuser; dort soll das Volk, die Gemeinde zu dem Ewigen beten. 5) Die Grundbedingungen, aus denen die, im wesent- 1) Baehr, S. 329 und 330. 2) Baehr, S. 335, unten. 3) Schade, weimarisches Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst, IV. S. 450. 4) Vergl. Lübke, a. a. O., S. 377 ff., über den gothischen Styl. 5) Lübke, S. 213 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/203
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/203>, abgerufen am 27.11.2024.