Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, - oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:
Deponens aliena, ascendit deus.
1) Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.
Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, – oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:
Deponens aliena, ascendit deus.
1) Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0128"n="108"/>
Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, – oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang.<noteplace="foot"n="1)">Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.<lb/></note> Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:</p><citrendition="#c"><quote><p>
Deponens aliena, ascendit deus.</p></quote></cit></div></body></text></TEI>
[108/0128]
Seele vergleicht, das Zukünftige vorauszusehen, prophetiseh zu erblicken, tritt gleichfalls besonders im Traume, in dem ven der Gewalt des Körpers mehr befreiten Zustande hervor. Wie oft werden wir im Traume in die Zeiten, Wohnplätze und Umgebungen unserer vergangenen Jugendzeit, ja selbst der frühesten Kindheit zurückversetzt, welche sonst in der Erinnerung schon längst vergessen; wir werden noch einmal zum Jünglinge, zum Kinde und bewegen uns in der alten Heimath unter lange verstorbenen Anverwandten, Freunden und Bekannten. Wenn nun die Seele in höherer Kraft und körperloser geworden, gleichsam das Grab zu öffnen vermag, kann sie auch in seltenen ächten Augenblicken den dunkelen Schleier der verborgenen Zukunft heben, das Zukünftige erschauen. Die Rückerinnerung an das Vergangene und das Voraussehen oder Vorauswissen der Zukunft sind die gleiche göttliche Kraft der Seele, welche sich frei über die Schranken des Raumes und der Zeit erhebt, das Endliche durchbricht und zum Unendlichen hindurchdringt. Und wenn einstens durch den Tod die Seele ganz von der körperlichen Hülle und den Fesseln des Leibes befreit sein wird, liegen auch geöffnet vor ihr Vergangenheit und Zukunft und sie wird theilhaftig der göttlichen Allwissenheit, des göttlichen Wesens und Lichtes. Schon hierin liegt auch das Wiederfinden und Wiedersehen alles Dessen, was wir hier verloren und geliebet. Weit entfernt, schreckhaft und vernichtend zu sein, ist daher der Tod nur die Geburt zum göttlichen Leben, zum reinen Geistesleben, zur himmlischen Seligkeit und Wonne, welche wir Unsterblichkeit nennen und die nur das göttliche Sein und Wesen ist. Das Irdische und Menschliche muss vergehen und abgelegt werden, damit ein Gott geboren, das Göttliche befreiet und herrschend werde. Der Tod des Menschen ist der Aufgang Gottes in der Seele, – oder, wie die morgenländischen Mystiker sagen, der Sinne Untergang ist der Wahrheit Aufgang. 1) Daher könnte die Aufschrift auf dem Denkmale der Meister auch dahin gefasst werden:
Deponens aliena, ascendit deus.
1) Vergl. z. B. Tholuk, Blüthensammlung, S. 279 und 294.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/128>, abgerufen am 24.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.