Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.Lehrling ein Schwert gereicht und umgegürtet. Meine lieben, neu aufgenommenen Brüder, treten Sie muthig hinaus in das wilde, tobende und stürmende Leben, kämpfen und streiten Sie, überwinden Sie mit dem Schwerte des Lichts, der Tugend und der Wahrheit das Böse, das Laster und die Falschheit in und um sich, dann wird im Tode die weisse Schürze Sie schmücken und das ewige Licht und Leben wird Ihr Lohn sein. Sie werden siegreich streiten, wenn Sie immer so gerade und unerschrocken vorangehen, als Sie heute Ihren Führern gefolgt sind, - wenn Sie Ihrem guten Genius nicht untreu werden, - wenn Sie die Worte des Meisters nicht vergessen. Den guten Genius, Gott und sein Gesetz, tragen Sie in der eigenen Brust und in dem eigenen Geiste; erfüllen Sie die Stimme Ihres Gewissens und den Rath Ihrer Vernunft, wenn Sie das Gute üben und das Böse lassen, wenn Sie Gott dienen wollen. Die Wahl zwischen den beiden Schicksalswegen des Menschen ist zugleich die Wahl zwischen dem Seelenfrieden und der Seelenpein, welche den guten und den bösen Handlungen des Menschen auf dem Fusse folgen und sich lohnend und strafend an ihn anklammern, dass er selbst durch den Tod ihnen nicht zu entrinnen vermag. Schon nach dem chinesischen Confucius ist das von dem Menschen zu erstrebende höchste Gut der Friede der Seele, sowie die ihn bedingende tugendhafte Gesinnung und das tugendhafte Handeln; den Seelenfrieden erreicht, tugendhaft ist gesinnt und handelt, wer stets in der rechten Mitte beharrt, d. h. den geraden Weg geht und nach keiner Seite davon abschweift. Auch die ganze indische Philosophie, ja selbst die Religion der Inder beruht auf der Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden der Seele, weshalb der Inder die Seligkeit blos in der ewigen Ruhe, in der Vernichtung und Aufhebung des fühlenden und leidenden Ich sucht. Der Erkenntniss wird blos insofern Werth beigelegt, als sie zu der Ruhe, jenem höchsten Gute, führt. Dieses höchste Gut, nirvana, besitzt, wer in der Gottheit verwehet ist; denn nirvana ist abgeleitet von va, wehen. - Bei den Griechen sind die Gewissensruhe und die Gewissensbisse zu dem schönen Bilde der Erynien, der strengen und unerbittlichen Straf- Lehrling ein Schwert gereicht und umgegürtet. Meine lieben, neu aufgenommenen Brüder, treten Sie muthig hinaus in das wilde, tobende und stürmende Leben, kämpfen und streiten Sie, überwinden Sie mit dem Schwerte des Lichts, der Tugend und der Wahrheit das Böse, das Laster und die Falschheit in und um sich, dann wird im Tode die weisse Schürze Sie schmücken und das ewige Licht und Leben wird Ihr Lohn sein. Sie werden siegreich streiten, wenn Sie immer so gerade und unerschrocken vorangehen, als Sie heute Ihren Führern gefolgt sind, – wenn Sie Ihrem guten Genius nicht untreu werden, – wenn Sie die Worte des Meisters nicht vergessen. Den guten Genius, Gott und sein Gesetz, tragen Sie in der eigenen Brust und in dem eigenen Geiste; erfüllen Sie die Stimme Ihres Gewissens und den Rath Ihrer Vernunft, wenn Sie das Gute üben und das Böse lassen, wenn Sie Gott dienen wollen. Die Wahl zwischen den beiden Schicksalswegen des Menschen ist zugleich die Wahl zwischen dem Seelenfrieden und der Seelenpein, welche den guten und den bösen Handlungen des Menschen auf dem Fusse folgen und sich lohnend und strafend an ihn anklammern, dass er selbst durch den Tod ihnen nicht zu entrinnen vermag. Schon nach dem chinesischen Confucius ist das von dem Menschen zu erstrebende höchste Gut der Friede der Seele, sowie die ihn bedingende tugendhafte Gesinnung und das tugendhafte Handeln; den Seelenfrieden erreicht, tugendhaft ist gesinnt und handelt, wer stets in der rechten Mitte beharrt, d. h. den geraden Weg geht und nach keiner Seite davon abschweift. Auch die ganze indische Philosophie, ja selbst die Religion der Inder beruht auf der Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden der Seele, weshalb der Inder die Seligkeit blos in der ewigen Ruhe, in der Vernichtung und Aufhebung des fühlenden und leidenden Ich sucht. Der Erkenntniss wird blos insofern Werth beigelegt, als sie zu der Ruhe, jenem höchsten Gute, führt. Dieses höchste Gut, nirvana, besitzt, wer in der Gottheit verwehet ist; denn nirvana ist abgeleitet von va, wehen. – Bei den Griechen sind die Gewissensruhe und die Gewissensbisse zu dem schönen Bilde der Erynien, der strengen und unerbittlichen Straf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0669" n="653"/> Lehrling ein Schwert gereicht und umgegürtet. Meine lieben, neu aufgenommenen Brüder, treten Sie muthig hinaus in das wilde, tobende und stürmende Leben, kämpfen und streiten Sie, überwinden Sie mit dem Schwerte des Lichts, der Tugend und der Wahrheit das Böse, das Laster und die Falschheit in und um sich, dann wird im Tode die weisse Schürze Sie schmücken und das ewige Licht und Leben wird Ihr Lohn sein. Sie werden siegreich streiten, wenn Sie immer so gerade und unerschrocken vorangehen, als Sie heute Ihren Führern gefolgt sind, – wenn Sie Ihrem guten Genius nicht untreu werden, – wenn Sie die Worte des Meisters nicht vergessen. Den guten Genius, Gott und sein Gesetz, tragen Sie in der eigenen Brust und in dem eigenen Geiste; erfüllen Sie die Stimme Ihres Gewissens und den Rath Ihrer Vernunft, wenn Sie das Gute üben und das Böse lassen, wenn Sie Gott dienen wollen. Die Wahl zwischen den beiden Schicksalswegen des Menschen ist zugleich die Wahl zwischen dem Seelenfrieden und der Seelenpein, welche den guten und den bösen Handlungen des Menschen auf dem Fusse folgen und sich lohnend und strafend an ihn anklammern, dass er selbst durch den Tod ihnen nicht zu entrinnen vermag. Schon nach dem chinesischen Confucius ist das von dem Menschen zu erstrebende höchste Gut der Friede der Seele, sowie die ihn bedingende tugendhafte Gesinnung und das tugendhafte Handeln; den Seelenfrieden erreicht, tugendhaft ist gesinnt und handelt, wer stets in der rechten Mitte beharrt, d. h. den geraden Weg geht und nach keiner Seite davon abschweift. Auch die ganze indische Philosophie, ja selbst die Religion der Inder beruht auf der Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden der Seele, weshalb der Inder die Seligkeit blos in der ewigen Ruhe, in der Vernichtung und Aufhebung des fühlenden und leidenden Ich sucht. Der Erkenntniss wird blos insofern Werth beigelegt, als sie zu der Ruhe, jenem höchsten Gute, führt. Dieses höchste Gut, nirvana, besitzt, wer in der Gottheit verwehet ist; denn nirvana ist abgeleitet von va, wehen. – Bei den Griechen sind die Gewissensruhe und die Gewissensbisse zu dem schönen Bilde der Erynien, der strengen und unerbittlichen Straf- </p> </div> </body> </text> </TEI> [653/0669]
Lehrling ein Schwert gereicht und umgegürtet. Meine lieben, neu aufgenommenen Brüder, treten Sie muthig hinaus in das wilde, tobende und stürmende Leben, kämpfen und streiten Sie, überwinden Sie mit dem Schwerte des Lichts, der Tugend und der Wahrheit das Böse, das Laster und die Falschheit in und um sich, dann wird im Tode die weisse Schürze Sie schmücken und das ewige Licht und Leben wird Ihr Lohn sein. Sie werden siegreich streiten, wenn Sie immer so gerade und unerschrocken vorangehen, als Sie heute Ihren Führern gefolgt sind, – wenn Sie Ihrem guten Genius nicht untreu werden, – wenn Sie die Worte des Meisters nicht vergessen. Den guten Genius, Gott und sein Gesetz, tragen Sie in der eigenen Brust und in dem eigenen Geiste; erfüllen Sie die Stimme Ihres Gewissens und den Rath Ihrer Vernunft, wenn Sie das Gute üben und das Böse lassen, wenn Sie Gott dienen wollen. Die Wahl zwischen den beiden Schicksalswegen des Menschen ist zugleich die Wahl zwischen dem Seelenfrieden und der Seelenpein, welche den guten und den bösen Handlungen des Menschen auf dem Fusse folgen und sich lohnend und strafend an ihn anklammern, dass er selbst durch den Tod ihnen nicht zu entrinnen vermag. Schon nach dem chinesischen Confucius ist das von dem Menschen zu erstrebende höchste Gut der Friede der Seele, sowie die ihn bedingende tugendhafte Gesinnung und das tugendhafte Handeln; den Seelenfrieden erreicht, tugendhaft ist gesinnt und handelt, wer stets in der rechten Mitte beharrt, d. h. den geraden Weg geht und nach keiner Seite davon abschweift. Auch die ganze indische Philosophie, ja selbst die Religion der Inder beruht auf der Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden der Seele, weshalb der Inder die Seligkeit blos in der ewigen Ruhe, in der Vernichtung und Aufhebung des fühlenden und leidenden Ich sucht. Der Erkenntniss wird blos insofern Werth beigelegt, als sie zu der Ruhe, jenem höchsten Gute, führt. Dieses höchste Gut, nirvana, besitzt, wer in der Gottheit verwehet ist; denn nirvana ist abgeleitet von va, wehen. – Bei den Griechen sind die Gewissensruhe und die Gewissensbisse zu dem schönen Bilde der Erynien, der strengen und unerbittlichen Straf-
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