Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.die Möglichkeit und den Keim zu weiterer Fortbildung in sich trug. Gerade die Kalandsgilden bestätigen dieses insofern, als hier sofort das Religiöse nach uralt germanischer Weise mit dem Geselligen, mit dem Opfermahle, mit dem monatlichen gemeinsamen Essen und Trinken verbunden wurde. Diese monatlichen Schmausereien und Gelage der Kalanden, bei denen vorausgehend erst die Vereinsangelegenheiten besorgt und abgethan wurden, sind durchaus nicht verschieden von den monatlichen Auflagen der spätern Gesellenbrüderschaften. Die Grundursache und der Träger aber der Gilden, Zünfte und aller ähnlichen politischen Verbindungen ist der genossenschaftliche Sinn, der Freiheits- und Unabhängigkeitssinn des indo-germanischen Volksstammes, welcher bei den Baktrern, Indern, Griechen und Germanen gleichmässig zur Bildung freier kleinerer Vereine, vorzüglich aber der freien Gemeinden und Städte treibt und die Bildung einer allesverschlingenden Staatsgewalt hindert, wie dieses noch heute der grosse Vorzug und die grosse Schwäche Deutschlands ist. Auf dem Gebiete der Geschichte werden die Räthsel nicht selten absichtlich geschaffen, damit die Gelehrten nur etwas zu thun und zu streiten haben; dahin gehört auch das Räthsel über die germanischen Gilden, während in dem Orte und der Zeit ihres Entstehens und Bestehens schon verständlich genug auch die Ursache desselben aufgeschlossen liegt. Woher entstanden die freien griechischen Staaten, die griechische Kunst und Wissenschaft? Gewiss nicht von den Persern. Hartwig, S. 162, sagt: "Schon zur Regierungszeit Karls des Grossen scheinen vorzüglich die Städte die Sitze der Gildenvereinigungen gewesen zu sein. Wir haben schon Gilden zur Unterstützung von Schiffbrüchigen in dem Capitulare von 779. Wo aber Schifffahrt ist, da ist auch Handel, und wo Handel, da sind auch Stapelplätze und städtische Niederlassungen." Allein dieses sind hohle Phrasen, denn wo Schiffbrüche sind, sind nur Schiffe auf dem Wasser, und wo Handel getrieben wird, sind nur Handeltreibende; jedoch in Schiffen fahren und Handel treiben nicht blos die Städte, sondern die grosse Mehrzahl der Völker und zumal der damaligen Völker ausserhalb der Städte, ohne Städte an den die Möglichkeit und den Keim zu weiterer Fortbildung in sich trug. Gerade die Kalandsgilden bestätigen dieses insofern, als hier sofort das Religiöse nach uralt germanischer Weise mit dem Geselligen, mit dem Opfermahle, mit dem monatlichen gemeinsamen Essen und Trinken verbunden wurde. Diese monatlichen Schmausereien und Gelage der Kalanden, bei denen vorausgehend erst die Vereinsangelegenheiten besorgt und abgethan wurden, sind durchaus nicht verschieden von den monatlichen Auflagen der spätern Gesellenbrüderschaften. Die Grundursache und der Träger aber der Gilden, Zünfte und aller ähnlichen politischen Verbindungen ist der genossenschaftliche Sinn, der Freiheits- und Unabhängigkeitssinn des indo-germanischen Volksstammes, welcher bei den Baktrern, Indern, Griechen und Germanen gleichmässig zur Bildung freier kleinerer Vereine, vorzüglich aber der freien Gemeinden und Städte treibt und die Bildung einer allesverschlingenden Staatsgewalt hindert, wie dieses noch heute der grosse Vorzug und die grosse Schwäche Deutschlands ist. Auf dem Gebiete der Geschichte werden die Räthsel nicht selten absichtlich geschaffen, damit die Gelehrten nur etwas zu thun und zu streiten haben; dahin gehört auch das Räthsel über die germanischen Gilden, während in dem Orte und der Zeit ihres Entstehens und Bestehens schon verständlich genug auch die Ursache desselben aufgeschlossen liegt. Woher entstanden die freien griechischen Staaten, die griechische Kunst und Wissenschaft? Gewiss nicht von den Persern. Hartwig, S. 162, sagt: „Schon zur Regierungszeit Karls des Grossen scheinen vorzüglich die Städte die Sitze der Gildenvereinigungen gewesen zu sein. Wir haben schon Gilden zur Unterstützung von Schiffbrüchigen in dem Capitulare von 779. Wo aber Schifffahrt ist, da ist auch Handel, und wo Handel, da sind auch Stapelplätze und städtische Niederlassungen.“ Allein dieses sind hohle Phrasen, denn wo Schiffbrüche sind, sind nur Schiffe auf dem Wasser, und wo Handel getrieben wird, sind nur Handeltreibende; jedoch in Schiffen fahren und Handel treiben nicht blos die Städte, sondern die grosse Mehrzahl der Völker und zumal der damaligen Völker ausserhalb der Städte, ohne Städte an den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0661" n="645"/> die Möglichkeit und den Keim zu weiterer Fortbildung in sich trug. Gerade die Kalandsgilden bestätigen dieses insofern, als hier sofort das Religiöse nach uralt germanischer Weise mit dem Geselligen, mit dem Opfermahle, mit dem monatlichen gemeinsamen Essen und Trinken verbunden wurde. Diese monatlichen Schmausereien und Gelage der Kalanden, bei denen vorausgehend erst die Vereinsangelegenheiten besorgt und abgethan wurden, sind durchaus nicht verschieden von den monatlichen Auflagen der spätern Gesellenbrüderschaften. Die Grundursache und der Träger aber der Gilden, Zünfte und aller ähnlichen politischen Verbindungen ist der genossenschaftliche Sinn, der Freiheits- und Unabhängigkeitssinn des indo-germanischen Volksstammes, welcher bei den Baktrern, Indern, Griechen und Germanen gleichmässig zur Bildung freier kleinerer Vereine, vorzüglich aber der freien Gemeinden und Städte treibt und die Bildung einer allesverschlingenden Staatsgewalt hindert, wie dieses noch heute der grosse Vorzug und die grosse Schwäche Deutschlands ist. Auf dem Gebiete der Geschichte werden die Räthsel nicht selten absichtlich geschaffen, damit die Gelehrten nur etwas zu thun und zu streiten haben; dahin gehört auch das Räthsel über die germanischen Gilden, während in dem Orte und der Zeit ihres Entstehens und Bestehens schon verständlich genug auch die Ursache desselben aufgeschlossen liegt. Woher entstanden die freien griechischen Staaten, die griechische Kunst und Wissenschaft? Gewiss nicht von den Persern. Hartwig, S. 162, sagt: „Schon zur Regierungszeit Karls des Grossen scheinen vorzüglich die Städte die Sitze der Gildenvereinigungen gewesen zu sein. Wir haben schon Gilden zur Unterstützung von Schiffbrüchigen in dem Capitulare von 779. Wo aber Schifffahrt ist, da ist auch Handel, und wo Handel, da sind auch Stapelplätze und städtische Niederlassungen.“ Allein dieses sind hohle Phrasen, denn wo Schiffbrüche sind, sind nur Schiffe auf dem Wasser, und wo Handel getrieben wird, sind nur Handeltreibende; jedoch in Schiffen fahren und Handel treiben nicht blos die Städte, sondern die grosse Mehrzahl der Völker und zumal der damaligen Völker ausserhalb der Städte, ohne Städte an den </p> </div> </body> </text> </TEI> [645/0661]
die Möglichkeit und den Keim zu weiterer Fortbildung in sich trug. Gerade die Kalandsgilden bestätigen dieses insofern, als hier sofort das Religiöse nach uralt germanischer Weise mit dem Geselligen, mit dem Opfermahle, mit dem monatlichen gemeinsamen Essen und Trinken verbunden wurde. Diese monatlichen Schmausereien und Gelage der Kalanden, bei denen vorausgehend erst die Vereinsangelegenheiten besorgt und abgethan wurden, sind durchaus nicht verschieden von den monatlichen Auflagen der spätern Gesellenbrüderschaften. Die Grundursache und der Träger aber der Gilden, Zünfte und aller ähnlichen politischen Verbindungen ist der genossenschaftliche Sinn, der Freiheits- und Unabhängigkeitssinn des indo-germanischen Volksstammes, welcher bei den Baktrern, Indern, Griechen und Germanen gleichmässig zur Bildung freier kleinerer Vereine, vorzüglich aber der freien Gemeinden und Städte treibt und die Bildung einer allesverschlingenden Staatsgewalt hindert, wie dieses noch heute der grosse Vorzug und die grosse Schwäche Deutschlands ist. Auf dem Gebiete der Geschichte werden die Räthsel nicht selten absichtlich geschaffen, damit die Gelehrten nur etwas zu thun und zu streiten haben; dahin gehört auch das Räthsel über die germanischen Gilden, während in dem Orte und der Zeit ihres Entstehens und Bestehens schon verständlich genug auch die Ursache desselben aufgeschlossen liegt. Woher entstanden die freien griechischen Staaten, die griechische Kunst und Wissenschaft? Gewiss nicht von den Persern. Hartwig, S. 162, sagt: „Schon zur Regierungszeit Karls des Grossen scheinen vorzüglich die Städte die Sitze der Gildenvereinigungen gewesen zu sein. Wir haben schon Gilden zur Unterstützung von Schiffbrüchigen in dem Capitulare von 779. Wo aber Schifffahrt ist, da ist auch Handel, und wo Handel, da sind auch Stapelplätze und städtische Niederlassungen.“ Allein dieses sind hohle Phrasen, denn wo Schiffbrüche sind, sind nur Schiffe auf dem Wasser, und wo Handel getrieben wird, sind nur Handeltreibende; jedoch in Schiffen fahren und Handel treiben nicht blos die Städte, sondern die grosse Mehrzahl der Völker und zumal der damaligen Völker ausserhalb der Städte, ohne Städte an den
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