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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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liche Einrichtungen sich bei Negern in Congo in Afrika finden und bei den Virginiern in Amerika fanden.1) Unter den Negern von Congo bestehen die Mysterien oder der religiöse Bund des Inquita, welcher Bund zahlreiche Mitglieder aus allen Gegenden Afrika's zählt. Die Aufnahmen erfolgen jährlich einmal und stellen den symbolischen Tod des Aufzunehmenden dar; der Aufzunehmende stirbt scheinbar. Zur Stunde der Aufnahme begeben die Verbündeten sich zu dem Aufzunehmenden und stimmen Trauergesänge an. Der Aufzunehmende wird hierauf in eine Strohmatte gleich einem Verstorbenen oder gleich einem Leichname gehüllt und unter Begleitung von Trauergesängen und Tänzen zu dem mitten in einem dichten Walde befindlichen Tempel getragen. Der Aufzunehmende wird im Tempel auf eine Kupferplatte gelegt, unter welcher man ein mässiges Feuer anzündet; zugleich wird der Aufzunehmende mit Palmöl eingerieben, was einen symbolischen Bezug auf die Sonne oder den Sonnengott hat, welcher die Palme bei den alten Aegyptern geweiht war. Vierzig Tage muss der Aufzunehmende auf der Platte liegen bleiben, dauert sein symbolischer Tod, während welcher Zeit ihn aber auch seine Verwandten selbst salben dürfen. Nach dem Ablaufe der Prüfungszeit oder der Aufnahme wird der Aufgenommene unter Absingen von Freudengesängen aus dem Tempel und aus dem Walde nach Hause geführt. Als ob der Aufgenommene aus einer andern Welt käme, gibt er sich bei seiner Heimkunft den Anschein, Menschen und Dinge nicht mehr zu kennen, indem nach dem Volksglauben durch die Aufnahme der Aufgenommene eine neue Seele erhalten und dessen frühere Seele einen andern Körper bezogen haben soll. Der Aufgenommene geniesst grosses Ansehen und braucht nicht mehr zu arbeiten, da seine Freunde sich glücklich schätzen, ihn bedienen zu können. - Ganz gleiche Mysterien oder Initiationen sollen bei den Virginiern in Amerika unter dem Namen Huseanawer im Gebrauche gewesen, also wesentlich die Beerdigung des alten Menschen mit seinen alten Gebrechen und Vorurtheilen und die Wiedererweckung

1) Esquisses de la vie maonnique suisse, 1855, Nr. 11, S. 166 ff.

liche Einrichtungen sich bei Negern in Congo in Afrika finden und bei den Virginiern in Amerika fanden.1) Unter den Negern von Congo bestehen die Mysterien oder der religiöse Bund des Inquita, welcher Bund zahlreiche Mitglieder aus allen Gegenden Afrika’s zählt. Die Aufnahmen erfolgen jährlich einmal und stellen den symbolischen Tod des Aufzunehmenden dar; der Aufzunehmende stirbt scheinbar. Zur Stunde der Aufnahme begeben die Verbündeten sich zu dem Aufzunehmenden und stimmen Trauergesänge an. Der Aufzunehmende wird hierauf in eine Strohmatte gleich einem Verstorbenen oder gleich einem Leichname gehüllt und unter Begleitung von Trauergesängen und Tänzen zu dem mitten in einem dichten Walde befindlichen Tempel getragen. Der Aufzunehmende wird im Tempel auf eine Kupferplatte gelegt, unter welcher man ein mässiges Feuer anzündet; zugleich wird der Aufzunehmende mit Palmöl eingerieben, was einen symbolischen Bezug auf die Sonne oder den Sonnengott hat, welcher die Palme bei den alten Aegyptern geweiht war. Vierzig Tage muss der Aufzunehmende auf der Platte liegen bleiben, dauert sein symbolischer Tod, während welcher Zeit ihn aber auch seine Verwandten selbst salben dürfen. Nach dem Ablaufe der Prüfungszeit oder der Aufnahme wird der Aufgenommene unter Absingen von Freudengesängen aus dem Tempel und aus dem Walde nach Hause geführt. Als ob der Aufgenommene aus einer andern Welt käme, gibt er sich bei seiner Heimkunft den Anschein, Menschen und Dinge nicht mehr zu kennen, indem nach dem Volksglauben durch die Aufnahme der Aufgenommene eine neue Seele erhalten und dessen frühere Seele einen andern Körper bezogen haben soll. Der Aufgenommene geniesst grosses Ansehen und braucht nicht mehr zu arbeiten, da seine Freunde sich glücklich schätzen, ihn bedienen zu können. – Ganz gleiche Mysterien oder Initiationen sollen bei den Virginiern in Amerika unter dem Namen Huséanawer im Gebrauche gewesen, also wesentlich die Beerdigung des alten Menschen mit seinen alten Gebrechen und Vorurtheilen und die Wiedererweckung

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 gleich einem Verstorbenen oder gleich einem Leichname gehüllt und unter Begleitung von
 Trauergesängen und Tänzen zu dem mitten in einem dichten Walde befindlichen Tempel getragen. Der
 Aufzunehmende wird im Tempel auf eine Kupferplatte gelegt, unter welcher man ein mässiges Feuer
 anzündet; zugleich wird der Aufzunehmende mit Palmöl eingerieben, was einen symbolischen Bezug auf
 die Sonne oder den Sonnengott hat, welcher die Palme bei den alten Aegyptern geweiht war. Vierzig
 Tage muss der Aufzunehmende auf der Platte liegen bleiben, dauert sein symbolischer Tod, während
 welcher Zeit ihn aber auch seine Verwandten selbst salben dürfen. Nach dem Ablaufe der Prüfungszeit
 oder der Aufnahme wird der Aufgenommene unter Absingen von Freudengesängen aus dem Tempel und aus
 dem Walde nach Hause geführt. Als ob der Aufgenommene aus einer andern Welt käme, gibt er sich bei
 seiner Heimkunft den Anschein, Menschen und Dinge nicht mehr zu kennen, indem nach dem Volksglauben
 durch die Aufnahme der Aufgenommene eine neue Seele erhalten und dessen frühere Seele einen andern
 Körper bezogen haben soll. Der Aufgenommene geniesst grosses Ansehen und braucht nicht mehr zu
 arbeiten, da seine Freunde sich glücklich schätzen, ihn bedienen zu können. &#x2013; Ganz gleiche Mysterien
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[637/0653] liche Einrichtungen sich bei Negern in Congo in Afrika finden und bei den Virginiern in Amerika fanden. 1) Unter den Negern von Congo bestehen die Mysterien oder der religiöse Bund des Inquita, welcher Bund zahlreiche Mitglieder aus allen Gegenden Afrika’s zählt. Die Aufnahmen erfolgen jährlich einmal und stellen den symbolischen Tod des Aufzunehmenden dar; der Aufzunehmende stirbt scheinbar. Zur Stunde der Aufnahme begeben die Verbündeten sich zu dem Aufzunehmenden und stimmen Trauergesänge an. Der Aufzunehmende wird hierauf in eine Strohmatte gleich einem Verstorbenen oder gleich einem Leichname gehüllt und unter Begleitung von Trauergesängen und Tänzen zu dem mitten in einem dichten Walde befindlichen Tempel getragen. Der Aufzunehmende wird im Tempel auf eine Kupferplatte gelegt, unter welcher man ein mässiges Feuer anzündet; zugleich wird der Aufzunehmende mit Palmöl eingerieben, was einen symbolischen Bezug auf die Sonne oder den Sonnengott hat, welcher die Palme bei den alten Aegyptern geweiht war. Vierzig Tage muss der Aufzunehmende auf der Platte liegen bleiben, dauert sein symbolischer Tod, während welcher Zeit ihn aber auch seine Verwandten selbst salben dürfen. Nach dem Ablaufe der Prüfungszeit oder der Aufnahme wird der Aufgenommene unter Absingen von Freudengesängen aus dem Tempel und aus dem Walde nach Hause geführt. Als ob der Aufgenommene aus einer andern Welt käme, gibt er sich bei seiner Heimkunft den Anschein, Menschen und Dinge nicht mehr zu kennen, indem nach dem Volksglauben durch die Aufnahme der Aufgenommene eine neue Seele erhalten und dessen frühere Seele einen andern Körper bezogen haben soll. Der Aufgenommene geniesst grosses Ansehen und braucht nicht mehr zu arbeiten, da seine Freunde sich glücklich schätzen, ihn bedienen zu können. – Ganz gleiche Mysterien oder Initiationen sollen bei den Virginiern in Amerika unter dem Namen Huséanawer im Gebrauche gewesen, also wesentlich die Beerdigung des alten Menschen mit seinen alten Gebrechen und Vorurtheilen und die Wiedererweckung 1) Esquisses de la vie maonnique suisse, 1855, Nr. 11, S. 166 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/653>, abgerufen am 24.11.2024.