Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.wegen, einen fröhlicheren Charakter annehmen, als es sonst dem religiösen Schauspiel zukam. Man findet daher bei einigen Osterspielen ein komisches Intermezzo über den Marktschreier, welcher den drei heiligen Frauen die Salben verkauft. Die nächste Veranlassung zu diesem fremdartigen und ungeeigneten Zusatze lag in den Jahrmärkten und Messen, die mit grossen Kirchenfesten abgehalten wurden. Die komischen Zwischenspiele sind planlose Bauernkomödien; sie haben mit dem Hauptstücke keinen inneren Zusammenhang und können daher eben so gut fehlen; sie drehen sich gewöhnlich um Schlägereien und haben entweder gar keine Entwickelung oder einen schlecht begründeten Ausgang. Diese kirchlichen (tragischen und komischen) Schauspiele in deutscher Sprache anstatt in der ursprünglich üblichen lateinischen zu verfassen, war wegen der als Mitspieler beigezogenen Laien, welche das Lateinische nicht verstanden, nöthig geworden. Derartige religiöse Schauspiele sind sodann auch in den Buddhisten-Klöstern Tibets üblich und werden noch jetzt einige Male im Jahre als höhere Kirchenfeierlichkeiten mit grossem Ernst und vieler Würde in den grössern Klöstern von den Lama's oder den Mönchen der buddhistischen Klöster mit Masken und in besonderen Anzügen aufgeführt. R. Schlagintweit hat darüber am 6. Februar 1858 in der geographischen Gesellschaft zu Berlin unter Vorlegung einiger solcher Masken und eines Anzuges einen kurzen Bericht erstattet.1) Schlagintweit berichtet: "Der Stoff des Schauspiels ist mit wenigen Veränderungen fast immer derselbe und zwar folgender: Ein böser Geist sucht einen armen tugendhaften Mann zu überreden, eine böse That zu verrichten, z. B. zu stehlen oder zu rauben, und sucht ihn auf alle Weise zur Ausführung derselben zu bewegen. Der Versucher erscheint anfangs allein, wird aber später von einem anderen weiblichen Dämon in seinen Bestrebungen unterstützt, dessen Gestalt und Wesen jener weiblichen Person gleicht, die auch häufig in unseren Sagen erwähnt und beschrieben wird; 1) Vergl. Zeitschrift von Neumann für allgemeine
Erdkunde, neue Folge IV (Berlin 1858), S. 153.
wegen, einen fröhlicheren Charakter annehmen, als es sonst dem religiösen Schauspiel zukam. Man findet daher bei einigen Osterspielen ein komisches Intermezzo über den Marktschreier, welcher den drei heiligen Frauen die Salben verkauft. Die nächste Veranlassung zu diesem fremdartigen und ungeeigneten Zusatze lag in den Jahrmärkten und Messen, die mit grossen Kirchenfesten abgehalten wurden. Die komischen Zwischenspiele sind planlose Bauernkomödien; sie haben mit dem Hauptstücke keinen inneren Zusammenhang und können daher eben so gut fehlen; sie drehen sich gewöhnlich um Schlägereien und haben entweder gar keine Entwickelung oder einen schlecht begründeten Ausgang. Diese kirchlichen (tragischen und komischen) Schauspiele in deutscher Sprache anstatt in der ursprünglich üblichen lateinischen zu verfassen, war wegen der als Mitspieler beigezogenen Laien, welche das Lateinische nicht verstanden, nöthig geworden. Derartige religiöse Schauspiele sind sodann auch in den Buddhisten-Klöstern Tibets üblich und werden noch jetzt einige Male im Jahre als höhere Kirchenfeierlichkeiten mit grossem Ernst und vieler Würde in den grössern Klöstern von den Lama’s oder den Mönchen der buddhistischen Klöster mit Masken und in besonderen Anzügen aufgeführt. R. Schlagintweit hat darüber am 6. Februar 1858 in der geographischen Gesellschaft zu Berlin unter Vorlegung einiger solcher Masken und eines Anzuges einen kurzen Bericht erstattet.1) Schlagintweit berichtet: „Der Stoff des Schauspiels ist mit wenigen Veränderungen fast immer derselbe und zwar folgender: Ein böser Geist sucht einen armen tugendhaften Mann zu überreden, eine böse That zu verrichten, z. B. zu stehlen oder zu rauben, und sucht ihn auf alle Weise zur Ausführung derselben zu bewegen. Der Versucher erscheint anfangs allein, wird aber später von einem anderen weiblichen Dämon in seinen Bestrebungen unterstützt, dessen Gestalt und Wesen jener weiblichen Person gleicht, die auch häufig in unseren Sagen erwähnt und beschrieben wird; 1) Vergl. Zeitschrift von Neumann für allgemeine
Erdkunde, neue Folge IV (Berlin 1858), S. 153.
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wegen, einen fröhlicheren Charakter annehmen, als es sonst dem religiösen Schauspiel zukam. Man findet daher bei einigen Osterspielen ein komisches Intermezzo über den Marktschreier, welcher den drei heiligen Frauen die Salben verkauft. Die nächste Veranlassung zu diesem fremdartigen und ungeeigneten Zusatze lag in den Jahrmärkten und Messen, die mit grossen Kirchenfesten abgehalten wurden. Die komischen Zwischenspiele sind planlose Bauernkomödien; sie haben mit dem Hauptstücke keinen inneren Zusammenhang und können daher eben so gut fehlen; sie drehen sich gewöhnlich um Schlägereien und haben entweder gar keine Entwickelung oder einen schlecht begründeten Ausgang. Diese kirchlichen (tragischen und komischen) Schauspiele in deutscher Sprache anstatt in der ursprünglich üblichen lateinischen zu verfassen, war wegen der als Mitspieler beigezogenen Laien, welche das Lateinische nicht verstanden, nöthig geworden.
Derartige religiöse Schauspiele sind sodann auch in den Buddhisten-Klöstern Tibets üblich und werden noch jetzt einige Male im Jahre als höhere Kirchenfeierlichkeiten mit grossem Ernst und vieler Würde in den grössern Klöstern von den Lama’s oder den Mönchen der buddhistischen Klöster mit Masken und in besonderen Anzügen aufgeführt. R. Schlagintweit hat darüber am 6. Februar 1858 in der geographischen Gesellschaft zu Berlin unter Vorlegung einiger solcher Masken und eines Anzuges einen kurzen Bericht erstattet. 1) Schlagintweit berichtet:
„Der Stoff des Schauspiels ist mit wenigen Veränderungen fast immer derselbe und zwar folgender: Ein böser Geist sucht einen armen tugendhaften Mann zu überreden, eine böse That zu verrichten, z. B. zu stehlen oder zu rauben, und sucht ihn auf alle Weise zur Ausführung derselben zu bewegen. Der Versucher erscheint anfangs allein, wird aber später von einem anderen weiblichen Dämon in seinen Bestrebungen unterstützt, dessen Gestalt und Wesen jener weiblichen Person gleicht, die auch häufig in unseren Sagen erwähnt und beschrieben wird;
1) Vergl. Zeitschrift von Neumann für allgemeine Erdkunde, neue Folge IV (Berlin 1858), S. 153.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/638>, abgerufen am 16.02.2025. |