Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.Dem Adonis verwandt ist auch Attes, der Liebling der grossen phrygischen Göttin Dindymene oder Kybele, der in einem Anfall von Wuth sich selbst entmannte und darüber starb oder getödtet wurde, worauf Kybele im wahnsinnigen Schmerze, ihren Geliebten suchend und rufend, im Lande umherstreifte. Ihm zu Ehren wurde jährlich eine Todtenklage angestellt; nach der gewöhnlichen Vorstellung aber blieb er, wieder in das Leben gerufen, der stete Begleiter der Göttin. Auch in dieser Erzählung wird nur personificirt das unerbittliche Gesetz des Todes aus dem Leben und des Lebens aus dem Tode. In einem alten Hymnus auf Attes heisst es.: "Ob du des Kronos, oder des Zeus, oder der grossen Rhea Erzeugter seist, sei mir, gegrüsst, o Attes, du, den Rhea mit weithinschallender Stimme ruft. Dich nennen die Assyrer (Syrer) den dreifach geliebten Adonis; in Aegypten heisst du Osiris, das himmlische Mondshorn; die Hellenen nennen dich Ophias, die Samothracier Adam , bei den Hämonischen Thraciern ist dein Name Korybas; die Phrygier endlich heissen dich bald Pappas, bald den Todten oder den Gott, und wiederum den Unfruchtbaren oder den Ziegenhirten, oder die junge abgemähte Aehre, oder den vom fruchtbaren Mandelbaume geborenen Flötenspieler (Agdistis)."1) - Attes also und Adonis, Osiris und Korybas, Zagreus oder der in den eleusinischen Geheimnissen erscheinende Jakchos und Agdistis, Adam oder Esmun, alle diese sind im Grunde ein und dasselbe göttliche Wesen; es sind dies die Namen des gleichen leidenden und sterbenden Naturgottes bei den Syrern und Phrygiern, bei den Phöniciern und Aegyptern, auf Samothrace und Lemnos und in den eleusinischen Geheimnissen zu Athen und an andern griechischen, Orten. Ophias nämlich, der Schlangensohn, ist kein Anderer als Dionysos-Zagreus,2) der Sohn des schlangengestalteten Zeus. Nach Röth, a. a. O., II. S. 673, stammt der Name des Dionysos aus dem ägyptischen Ti-en-ose, d. i. Ertheiler 1) Hippolyt. adv. haer. p. 118; Döllinger, Heidenthum und Judenthum, S. 141. 2) Vergl. darüber auch Preller, griech. Mythologie, I. S.
426 ff. und S. 436.
Dem Adonis verwandt ist auch Attes, der Liebling der grossen phrygischen Göttin Dindymene oder Kybele, der in einem Anfall von Wuth sich selbst entmannte und darüber starb oder getödtet wurde, worauf Kybele im wahnsinnigen Schmerze, ihren Geliebten suchend und rufend, im Lande umherstreifte. Ihm zu Ehren wurde jährlich eine Todtenklage angestellt; nach der gewöhnlichen Vorstellung aber blieb er, wieder in das Leben gerufen, der stete Begleiter der Göttin. Auch in dieser Erzählung wird nur personificirt das unerbittliche Gesetz des Todes aus dem Leben und des Lebens aus dem Tode. In einem alten Hymnus auf Attes heisst es.: „Ob du des Kronos, oder des Zeus, oder der grossen Rhea Erzeugter seist, sei mir, gegrüsst, o Attes, du, den Rhea mit weithinschallender Stimme ruft. Dich nennen die Assyrer (Syrer) den dreifach geliebten Adonis; in Aegypten heisst du Osiris, das himmlische Mondshorn; die Hellenen nennen dich Ophias, die Samothracier Adam , bei den Hämonischen Thraciern ist dein Name Korybas; die Phrygier endlich heissen dich bald Pappas, bald den Todten oder den Gott, und wiederum den Unfruchtbaren oder den Ziegenhirten, oder die junge abgemähte Aehre, oder den vom fruchtbaren Mandelbaume geborenen Flötenspieler (Agdistis).“1) – Attes also und Adonis, Osiris und Korybas, Zagreus oder der in den eleusinischen Geheimnissen erscheinende Jakchos und Agdistis, Adam oder Esmun, alle diese sind im Grunde ein und dasselbe göttliche Wesen; es sind dies die Namen des gleichen leidenden und sterbenden Naturgottes bei den Syrern und Phrygiern, bei den Phöniciern und Aegyptern, auf Samothrace und Lemnos und in den eleusinischen Geheimnissen zu Athen und an andern griechischen, Orten. Ophias nämlich, der Schlangensohn, ist kein Anderer als Dionysos-Zagreus,2) der Sohn des schlangengestalteten Zeus. Nach Röth, a. a. O., II. S. 673, stammt der Name des Dionysos aus dem ägyptischen Ti-en-ose, d. i. Ertheiler 1) Hippolyt. adv. haer. p. 118; Döllinger, Heidenthum und Judenthum, S. 141. 2) Vergl. darüber auch Preller, griech. Mythologie, I. S.
426 ff. und S. 436.
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Dem Adonis verwandt ist auch Attes, der Liebling der grossen phrygischen Göttin Dindymene oder Kybele, der in einem Anfall von Wuth sich selbst entmannte und darüber starb oder getödtet wurde, worauf Kybele im wahnsinnigen Schmerze, ihren Geliebten suchend und rufend, im Lande umherstreifte. Ihm zu Ehren wurde jährlich eine Todtenklage angestellt; nach der gewöhnlichen Vorstellung aber blieb er, wieder in das Leben gerufen, der stete Begleiter der Göttin. Auch in dieser Erzählung wird nur personificirt das unerbittliche Gesetz des Todes aus dem Leben und des Lebens aus dem Tode. In einem alten Hymnus auf Attes heisst es.: „Ob du des Kronos, oder des Zeus, oder der grossen Rhea Erzeugter seist, sei mir, gegrüsst, o Attes, du, den Rhea mit weithinschallender Stimme ruft. Dich nennen die Assyrer (Syrer) den dreifach geliebten Adonis; in Aegypten heisst du Osiris, das himmlische Mondshorn; die Hellenen nennen dich Ophias, die Samothracier Adam , bei den Hämonischen Thraciern ist dein Name Korybas; die Phrygier endlich heissen dich bald Pappas, bald den Todten oder den Gott, und wiederum den Unfruchtbaren oder den Ziegenhirten, oder die junge abgemähte Aehre, oder den vom fruchtbaren Mandelbaume geborenen Flötenspieler (Agdistis).“ 1) – Attes also und Adonis, Osiris und Korybas, Zagreus oder der in den eleusinischen Geheimnissen erscheinende Jakchos und Agdistis, Adam oder Esmun, alle diese sind im Grunde ein und dasselbe göttliche Wesen; es sind dies die Namen des gleichen leidenden und sterbenden Naturgottes bei den Syrern und Phrygiern, bei den Phöniciern und Aegyptern, auf Samothrace und Lemnos und in den eleusinischen Geheimnissen zu Athen und an andern griechischen, Orten. Ophias nämlich, der Schlangensohn, ist kein Anderer als Dionysos-Zagreus, 2) der Sohn des schlangengestalteten Zeus. Nach Röth, a. a. O., II. S. 673, stammt der Name des Dionysos aus dem ägyptischen Ti-en-ose, d. i. Ertheiler
1) Hippolyt. adv. haer. p. 118; Döllinger, Heidenthum und Judenthum, S. 141.
2) Vergl. darüber auch Preller, griech. Mythologie, I. S. 426 ff. und S. 436.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/627>, abgerufen am 16.02.2025. |