Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.welches die besten Belege für die Menzel'sche nordische oder germanisch-keltische Weisheit sind. Eben dahin gehören auch die Zauberkräfte verleihenden angeblichen Schlangeneier (anguinum nach Plinius zu seiner Zeit genannt)1) und die neun zaubernden und wahrsagenden keuschen Druidinnen, die sogenannten Gallicenen auf der Insel Sena im britannischen Meere,2) wie solche zaubernde und wahrsagende Priesterinnen auch noch vielfach anderwärts bei den Kelten und Germanen erscheinen. Das wahre und einzige Schlangenei war die Sonne, welches nach einer der ersten und der rohesten mythologischen Vorstellungen verschiedener alter Völker im Frühjahr durch die Gewitterschlangen oder die Blitze neu geformt werden sollte, und wobei man zugleich von der irrigen Voraussetzung ausging, dass die Schlangen Eier legen, was Schwartz, a. a. O., S. 26 ff., sehr schön dargelegt hat, später wurde auch hier die mythologische Vorstellung getrübt und vom Himmel auf die Erde entrückt, wo nun die Schlangen um die Zeit ihrer Begattung durch den aus ihren Schlünden fliessenden Geifer und dem leimartigen Schleim ihrer Haut einen künstlichen unauflöslichen Knoten bildeten, welchen man das Schlangenei, ovum anguinum nannte, und das seinem Besitzer wunderbare Kräfte, z. B. den Gewinn der Herzen und der Processe verleihen sollte. Nach Weiss, Kostümkunde, S. 633, trug der druidische Oberpriester, Coibhi-Druid, als Zeichen seines Amtes und seiner Würde neben einem längeren oder kürzeren scepterförmigen Stabe mit Knopf, neben den mit dem Pentalpha (Drudenfusse) gezierten Schuhen u. s. w. auch ein in Gold gefasstes Schlangenei. Das Schlangenei möchte wohl ein Symbol des Welteies, der Welt oder auch der Obergewalt, gleich dem ägyptischen Uräus, gewesen sein. Auf einem Grabmale hat man zwei Schlangen abgebildet gefunden, die eine mit dem Ei im Schlunde, die andere mit ihrem Geifer bemüht, das Ei 1) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 27, Anmerk. 12; Eckermann, a. a. O., III.
1. S. 72 ff. 2) Diese neun
Gallicenen, woran sich die neun Barden des Merddin Emrys reiben (Eckermann, III. 2. S. 198 u. 213),
erinnern an die neun Musen des Apollo.
welches die besten Belege für die Menzel’sche nordische oder germanisch-keltische Weisheit sind. Eben dahin gehören auch die Zauberkräfte verleihenden angeblichen Schlangeneier (anguinum nach Plinius zu seiner Zeit genannt)1) und die neun zaubernden und wahrsagenden keuschen Druidinnen, die sogenannten Gallicenen auf der Insel Sena im britannischen Meere,2) wie solche zaubernde und wahrsagende Priesterinnen auch noch vielfach anderwärts bei den Kelten und Germanen erscheinen. Das wahre und einzige Schlangenei war die Sonne, welches nach einer der ersten und der rohesten mythologischen Vorstellungen verschiedener alter Völker im Frühjahr durch die Gewitterschlangen oder die Blitze neu geformt werden sollte, und wobei man zugleich von der irrigen Voraussetzung ausging, dass die Schlangen Eier legen, was Schwartz, a. a. O., S. 26 ff., sehr schön dargelegt hat, später wurde auch hier die mythologische Vorstellung getrübt und vom Himmel auf die Erde entrückt, wo nun die Schlangen um die Zeit ihrer Begattung durch den aus ihren Schlünden fliessenden Geifer und dem leimartigen Schleim ihrer Haut einen künstlichen unauflöslichen Knoten bildeten, welchen man das Schlangenei, ovum anguinum nannte, und das seinem Besitzer wunderbare Kräfte, z. B. den Gewinn der Herzen und der Processe verleihen sollte. Nach Weiss, Kostümkunde, S. 633, trug der druidische Oberpriester, Coibhi-Druid, als Zeichen seines Amtes und seiner Würde neben einem längeren oder kürzeren scepterförmigen Stabe mit Knopf, neben den mit dem Pentalpha (Drudenfusse) gezierten Schuhen u. s. w. auch ein in Gold gefasstes Schlangenei. Das Schlangenei möchte wohl ein Symbol des Welteies, der Welt oder auch der Obergewalt, gleich dem ägyptischen Uräus, gewesen sein. Auf einem Grabmale hat man zwei Schlangen abgebildet gefunden, die eine mit dem Ei im Schlunde, die andere mit ihrem Geifer bemüht, das Ei 1) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 27, Anmerk. 12; Eckermann, a. a. O., III.
1. S. 72 ff. 2) Diese neun
Gallicenen, woran sich die neun Barden des Merddin Emrys reiben (Eckermann, III. 2. S. 198 u. 213),
erinnern an die neun Musen des Apollo.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0621" n="605"/> welches die besten Belege für die Menzel’sche nordische oder germanisch-keltische Weisheit sind. Eben dahin gehören auch die Zauberkräfte verleihenden angeblichen Schlangeneier (anguinum nach Plinius zu seiner Zeit genannt)<note place="foot" n="1)">Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 27, Anmerk. 12; Eckermann, a. a. O., III. 1. S. 72 ff.</note> und die neun zaubernden und wahrsagenden keuschen Druidinnen, die sogenannten Gallicenen auf der Insel Sena im britannischen Meere,<note place="foot" n="2)">Diese neun Gallicenen, woran sich die neun Barden des Merddin Emrys reiben (Eckermann, III. 2. S. 198 u. 213), erinnern an die neun Musen des Apollo. </note> wie solche zaubernde und wahrsagende Priesterinnen auch noch vielfach anderwärts bei den Kelten und Germanen erscheinen. Das wahre und einzige Schlangenei war die Sonne, welches nach einer der ersten und der rohesten mythologischen Vorstellungen verschiedener alter Völker im Frühjahr durch die Gewitterschlangen oder die Blitze neu geformt werden sollte, und wobei man zugleich von der irrigen Voraussetzung ausging, dass die Schlangen Eier legen, was Schwartz, a. a. O., S. 26 ff., sehr schön dargelegt hat, später wurde auch hier die mythologische Vorstellung getrübt und vom Himmel auf die Erde entrückt, wo nun die Schlangen um die Zeit ihrer Begattung durch den aus ihren Schlünden fliessenden Geifer und dem leimartigen Schleim ihrer Haut einen künstlichen unauflöslichen Knoten bildeten, welchen man das Schlangenei, ovum anguinum nannte, und das seinem Besitzer wunderbare Kräfte, z. B. den Gewinn der Herzen und der Processe verleihen sollte. Nach Weiss, Kostümkunde, S. 633, trug der druidische Oberpriester, Coibhi-Druid, als Zeichen seines Amtes und seiner Würde neben einem längeren oder kürzeren scepterförmigen Stabe mit Knopf, neben den mit dem Pentalpha (Drudenfusse) gezierten Schuhen u. s. w. auch ein in Gold gefasstes Schlangenei. Das Schlangenei möchte wohl ein Symbol des Welteies, der Welt oder auch der Obergewalt, gleich dem ägyptischen Uräus, gewesen sein. Auf einem Grabmale hat man zwei Schlangen abgebildet gefunden, die eine mit dem Ei im Schlunde, die andere mit ihrem Geifer bemüht, das Ei </p> </div> </body> </text> </TEI> [605/0621]
welches die besten Belege für die Menzel’sche nordische oder germanisch-keltische Weisheit sind. Eben dahin gehören auch die Zauberkräfte verleihenden angeblichen Schlangeneier (anguinum nach Plinius zu seiner Zeit genannt) 1) und die neun zaubernden und wahrsagenden keuschen Druidinnen, die sogenannten Gallicenen auf der Insel Sena im britannischen Meere, 2) wie solche zaubernde und wahrsagende Priesterinnen auch noch vielfach anderwärts bei den Kelten und Germanen erscheinen. Das wahre und einzige Schlangenei war die Sonne, welches nach einer der ersten und der rohesten mythologischen Vorstellungen verschiedener alter Völker im Frühjahr durch die Gewitterschlangen oder die Blitze neu geformt werden sollte, und wobei man zugleich von der irrigen Voraussetzung ausging, dass die Schlangen Eier legen, was Schwartz, a. a. O., S. 26 ff., sehr schön dargelegt hat, später wurde auch hier die mythologische Vorstellung getrübt und vom Himmel auf die Erde entrückt, wo nun die Schlangen um die Zeit ihrer Begattung durch den aus ihren Schlünden fliessenden Geifer und dem leimartigen Schleim ihrer Haut einen künstlichen unauflöslichen Knoten bildeten, welchen man das Schlangenei, ovum anguinum nannte, und das seinem Besitzer wunderbare Kräfte, z. B. den Gewinn der Herzen und der Processe verleihen sollte. Nach Weiss, Kostümkunde, S. 633, trug der druidische Oberpriester, Coibhi-Druid, als Zeichen seines Amtes und seiner Würde neben einem längeren oder kürzeren scepterförmigen Stabe mit Knopf, neben den mit dem Pentalpha (Drudenfusse) gezierten Schuhen u. s. w. auch ein in Gold gefasstes Schlangenei. Das Schlangenei möchte wohl ein Symbol des Welteies, der Welt oder auch der Obergewalt, gleich dem ägyptischen Uräus, gewesen sein. Auf einem Grabmale hat man zwei Schlangen abgebildet gefunden, die eine mit dem Ei im Schlunde, die andere mit ihrem Geifer bemüht, das Ei
1) Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 27, Anmerk. 12; Eckermann, a. a. O., III. 1. S. 72 ff.
2) Diese neun Gallicenen, woran sich die neun Barden des Merddin Emrys reiben (Eckermann, III. 2. S. 198 u. 213), erinnern an die neun Musen des Apollo.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/621 |
Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/621>, abgerufen am 16.07.2024. |