Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Die heidnischen Essener in Kleinasien und die jüdischen Essäer in Syrien und Palästina aus Oberasien oder vielleicht aus Persien herzuleiten, wie es z. B. Creuzer a. a. O., IV. S. 407, thun will, liegen keine genügenden Gründe vor, denn das wenige Zarathustrische, was bei den Essäern sich findet, kam ihnen aus der Hand der Pythagoräer zu, indem wir wissen, dass auf diese auch die Zarathustrischen Ansichten und Einrichtungen von Einfluss gewesen seien. Die Sonne war den Pythagoräern und den Essäern ein Lichtsymbol, wie sie auch den Maurern noch ein solches ist, und deshalb beteten sie besonders gegen die aufgehende Sonne gewandt und erflehten von dem Geber alles Lichtes für den kommenden Tag ein reines und glückliches (geistiges) Licht, Seelenreinheit und Tugend, Wahrheit und Gerechtigkeit. Wird doch ähnlich in einem alten protestantischen Morgenliede also zur Sonne gebetet: "Brich an, du schönes Tageslicht!
Brich an in deinem Purparkleide!
Erheb' auch dich, mein Geist, und richt'
Den Blick zum Urquell aller Freuden!"
Der Vendidad Farg. XXI, 20 und 21 sagt: "Gehe auf, o glänzende Sonne, mit deinen schnellen Pferden über den Hara-berezaiti und leuchte den Geschöpfen. Erhebe dich also, wenn du verehrungswürdig bist, auf dem Wege, den Ahura-mazda geschaffen hat, in der Luft, welche die Baghas (Götter) geschaffen haben, auf jenem geschaffenen wasserreichen Wege." Obwohl sonst der Parsismus auf die Juden in der babylonischen Gefangenschaft und unter der persischen Herrschaft in Syrien und Palästina tief eingewirkt, namentlich ihnen die Lehre von der Wiederauferstehung der Todten gegeben hat, ist es sogar auffallend, dass bei den Essäern nach Demjenigen, was wir bis jetzt darüber wissen, die eigentlich Zarathustrischen Lehren, besonders dessen physischer und ethischer Dualismus gar nicht hervortreten. Die Essäer in Palästina waren eine pythagoreische Lehr- und Bildungsanstalt, verändert nach den jüdischen Verhältnissen und namentlich die Mathematik, Astronomie, mathematische Musik und Philosophie hinweglassend, womit

Die heidnischen Essener in Kleinasien und die jüdischen Essäer in Syrien und Palästina aus Oberasien oder vielleicht aus Persien herzuleiten, wie es z. B. Creuzer a. a. O., IV. S. 407, thun will, liegen keine genügenden Gründe vor, denn das wenige Zarathustrische, was bei den Essäern sich findet, kam ihnen aus der Hand der Pythagoräer zu, indem wir wissen, dass auf diese auch die Zarathustrischen Ansichten und Einrichtungen von Einfluss gewesen seien. Die Sonne war den Pythagoräern und den Essäern ein Lichtsymbol, wie sie auch den Maurern noch ein solches ist, und deshalb beteten sie besonders gegen die aufgehende Sonne gewandt und erflehten von dem Geber alles Lichtes für den kommenden Tag ein reines und glückliches (geistiges) Licht, Seelenreinheit und Tugend, Wahrheit und Gerechtigkeit. Wird doch ähnlich in einem alten protestantischen Morgenliede also zur Sonne gebetet: „Brich an, du schönes Tageslicht!
Brich an in deinem Purparkleide!
Erheb’ auch dich, mein Geist, und richt’
Den Blick zum Urquell aller Freuden!“
Der Vendidad Farg. XXI, 20 und 21 sagt: „Gehe auf, o glänzende Sonne, mit deinen schnellen Pferden über den Hara-berezaiti und leuchte den Geschöpfen. Erhebe dich also, wenn du verehrungswürdig bist, auf dem Wege, den Ahura-mazda geschaffen hat, in der Luft, welche die Baghas (Götter) geschaffen haben, auf jenem geschaffenen wasserreichen Wege.“ Obwohl sonst der Parsismus auf die Juden in der babylonischen Gefangenschaft und unter der persischen Herrschaft in Syrien und Palästina tief eingewirkt, namentlich ihnen die Lehre von der Wiederauferstehung der Todten gegeben hat, ist es sogar auffallend, dass bei den Essäern nach Demjenigen, was wir bis jetzt darüber wissen, die eigentlich Zarathustrischen Lehren, besonders dessen physischer und ethischer Dualismus gar nicht hervortreten. Die Essäer in Palästina waren eine pythagoreische Lehr- und Bildungsanstalt, verändert nach den jüdischen Verhältnissen und namentlich die Mathematik, Astronomie, mathematische Musik und Philosophie hinweglassend, womit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0570" n="554"/>
        <p>Die heidnischen Essener in
 Kleinasien und die jüdischen Essäer in Syrien und Palästina aus Oberasien oder vielleicht aus
 Persien herzuleiten, wie es z. B. Creuzer a. a. O., IV. S. 407, thun will, liegen keine genügenden
 Gründe vor, denn das wenige Zarathustrische, was bei den Essäern sich findet, kam ihnen aus der Hand
 der Pythagoräer zu, indem wir wissen, dass auf diese auch die Zarathustrischen Ansichten und
 Einrichtungen von Einfluss gewesen seien. Die Sonne war den Pythagoräern und den Essäern ein
 Lichtsymbol, wie sie auch den Maurern noch ein solches ist, und deshalb beteten sie besonders gegen
 die aufgehende Sonne gewandt und erflehten von dem Geber alles Lichtes für den kommenden Tag ein
 reines und glückliches (geistiges) Licht, Seelenreinheit und Tugend, Wahrheit und Gerechtigkeit.
 Wird doch ähnlich in einem alten protestantischen Morgenliede also zur Sonne gebetet:
 <cit rendition="#c"><quote> &#x201E;Brich an, du schönes Tageslicht!<lb/>
Brich an in deinem Purparkleide!<lb/>
Erheb&#x2019; auch
 dich, mein Geist, und richt&#x2019;<lb/>
Den Blick zum Urquell aller Freuden!&#x201C;</quote></cit>
 Der Vendidad Farg. XXI, 20 und 21 sagt:
 <cit rendition="#et"><quote> &#x201E;Gehe auf, o glänzende Sonne, mit deinen schnellen Pferden über den Hara-berezaiti und
 leuchte den Geschöpfen. Erhebe dich also, wenn du verehrungswürdig bist, auf dem Wege, den
 Ahura-mazda geschaffen hat, in der Luft, welche die Baghas (Götter) geschaffen haben, auf jenem
 geschaffenen wasserreichen Wege.&#x201C;</quote></cit>
 Obwohl sonst der Parsismus auf die Juden in der babylonischen Gefangenschaft und unter der
 persischen Herrschaft in Syrien und Palästina tief eingewirkt, namentlich ihnen die Lehre von der
 Wiederauferstehung der Todten gegeben hat, ist es sogar auffallend, dass bei den Essäern nach
 Demjenigen, was wir bis jetzt darüber wissen, die eigentlich Zarathustrischen Lehren, besonders
 dessen physischer und ethischer Dualismus gar nicht hervortreten. Die Essäer in Palästina waren eine
 pythagoreische Lehr- und Bildungsanstalt, verändert nach den jüdischen Verhältnissen und namentlich
 die Mathematik, Astronomie, mathematische Musik und Philosophie hinweglassend, womit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[554/0570] Die heidnischen Essener in Kleinasien und die jüdischen Essäer in Syrien und Palästina aus Oberasien oder vielleicht aus Persien herzuleiten, wie es z. B. Creuzer a. a. O., IV. S. 407, thun will, liegen keine genügenden Gründe vor, denn das wenige Zarathustrische, was bei den Essäern sich findet, kam ihnen aus der Hand der Pythagoräer zu, indem wir wissen, dass auf diese auch die Zarathustrischen Ansichten und Einrichtungen von Einfluss gewesen seien. Die Sonne war den Pythagoräern und den Essäern ein Lichtsymbol, wie sie auch den Maurern noch ein solches ist, und deshalb beteten sie besonders gegen die aufgehende Sonne gewandt und erflehten von dem Geber alles Lichtes für den kommenden Tag ein reines und glückliches (geistiges) Licht, Seelenreinheit und Tugend, Wahrheit und Gerechtigkeit. Wird doch ähnlich in einem alten protestantischen Morgenliede also zur Sonne gebetet: „Brich an, du schönes Tageslicht! Brich an in deinem Purparkleide! Erheb’ auch dich, mein Geist, und richt’ Den Blick zum Urquell aller Freuden!“ Der Vendidad Farg. XXI, 20 und 21 sagt: „Gehe auf, o glänzende Sonne, mit deinen schnellen Pferden über den Hara-berezaiti und leuchte den Geschöpfen. Erhebe dich also, wenn du verehrungswürdig bist, auf dem Wege, den Ahura-mazda geschaffen hat, in der Luft, welche die Baghas (Götter) geschaffen haben, auf jenem geschaffenen wasserreichen Wege.“ Obwohl sonst der Parsismus auf die Juden in der babylonischen Gefangenschaft und unter der persischen Herrschaft in Syrien und Palästina tief eingewirkt, namentlich ihnen die Lehre von der Wiederauferstehung der Todten gegeben hat, ist es sogar auffallend, dass bei den Essäern nach Demjenigen, was wir bis jetzt darüber wissen, die eigentlich Zarathustrischen Lehren, besonders dessen physischer und ethischer Dualismus gar nicht hervortreten. Die Essäer in Palästina waren eine pythagoreische Lehr- und Bildungsanstalt, verändert nach den jüdischen Verhältnissen und namentlich die Mathematik, Astronomie, mathematische Musik und Philosophie hinweglassend, womit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/570
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/570>, abgerufen am 23.11.2024.