Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Essäer und Therapeuten beteten gleichfalls bei der aufgehenden Sonne und flehten zu Gott um einen guten Tag, um einen wahrhaft guten Tag, dass nämlich ihre Seele mit einem himmlischen Lichte erfüllt werden möge. Ebenso kehren die Inder bei dem ersten Gebete das Gesicht der aufgehenden Sonne zu.1) Der indische Brahmane, nachdem er gebadet, die Zähne gewaschen und die Augen gesalbt hat, wiederholt lange Zeit hindurch, stehend in der Morgendämmerung, folgenden Hymnus an den Sonnengott oder Savitri aus dem Rig-veda:

"Ein neues, herrliches Loblied singen wir dir, strahlender, glänzender Sonnengott! Höre meine Anrufung, komme in meine begierige Seele, wie der Liebende zum Weibe. Der du Alles siehst und schaust, Sonnengott, sei unser Beschützer. Sinnen wir nach über das bewunderungswürdige Licht der glänzenden Sonne; möge es unsere Einsicht lenken; nahrungsbegierig bitten wir um die Gaben der glänzenden Sonne. Priester und Brahmanen, durch ihre Einsicht geleitet, ehren den Sonnengott durch Opfer und heiligen Gesang." 2)

Der hier genannte Sonnengott Savitri, zugleich Saura, Saurja (der Glänzende), ist der Erzeuger, auch Paushan (der Ernährer) genannt, indem die Sonne durch ihr Licht der irdische Erzeuger, Schöpfer und Ernährer ist und von der Sanskritwurzel su, erzeugen, ernähren, bei fast allen indogermanischen Völkern die Sonne (oder der Sonnengott) den Namen hat, z. B. im Gothischen sauil und sunno, im Lithauischen saule, im Lateinischen sol, im Altnordischen sol, im Slavischen slontze.3) - Allgemein richteten sich auch die Griechen, Römer und Deutschen beim Gebete nach Osten.4) - Wenn die Schüler oder Novizen der indischen Brahmanen in den Vedas unterrichtet werden, müssen sie das Gesicht nach Osten wenden.5) - Auch die Jezidis oder Teufelsanbeter im alten Assyrien sinken beim Sonnenaufgang anbetend auf die Kniee und

1) Lassen, a. a. O., I. S 78, Anm. 2
2) Dunker, a. a. O., II. S. 79.
3) Lassen, a. a. O., I. S. 761 u. 62.
4) Creuzer, Symbolik, I. S. 171, Anm. 291.
5) Dunker, a. a. O., II. S. 78.

Die Essäer und Therapeuten beteten gleichfalls bei der aufgehenden Sonne und flehten zu Gott um einen guten Tag, um einen wahrhaft guten Tag, dass nämlich ihre Seele mit einem himmlischen Lichte erfüllt werden möge. Ebenso kehren die Inder bei dem ersten Gebete das Gesicht der aufgehenden Sonne zu.1) Der indische Brahmane, nachdem er gebadet, die Zähne gewaschen und die Augen gesalbt hat, wiederholt lange Zeit hindurch, stehend in der Morgendämmerung, folgenden Hymnus an den Sonnengott oder Savitri aus dem Rig-veda:

„Ein neues, herrliches Loblied singen wir dir, strahlender, glänzender Sonnengott! Höre meine Anrufung, komme in meine begierige Seele, wie der Liebende zum Weibe. Der du Alles siehst und schaust, Sonnengott, sei unser Beschützer. Sinnen wir nach über das bewunderungswürdige Licht der glänzenden Sonne; möge es unsere Einsicht lenken; nahrungsbegierig bitten wir um die Gaben der glänzenden Sonne. Priester und Brahmanen, durch ihre Einsicht geleitet, ehren den Sonnengott durch Opfer und heiligen Gesang.“ 2)

Der hier genannte Sonnengott Savitri, zugleich Sûra, Sûrja (der Glänzende), ist der Erzeuger, auch Pûshan (der Ernährer) genannt, indem die Sonne durch ihr Licht der irdische Erzeuger, Schöpfer und Ernährer ist und von der Sanskritwurzel su, erzeugen, ernähren, bei fast allen indogermanischen Völkern die Sonne (oder der Sonnengott) den Namen hat, z. B. im Gothischen saúil und sunnô, im Lithauischen saulê, im Lateinischen sol, im Altnordischen sol, im Slavischen slontze.3) – Allgemein richteten sich auch die Griechen, Römer und Deutschen beim Gebete nach Osten.4) – Wenn die Schüler oder Novizen der indischen Brahmanen in den Vedas unterrichtet werden, müssen sie das Gesicht nach Osten wenden.5) – Auch die Jezidis oder Teufelsanbeter im alten Assyrien sinken beim Sonnenaufgang anbetend auf die Kniee und

1) Lassen, a. a. O., I. S 78, Anm. 2
2) Dunker, a. a. O., II. S. 79.
3) Lassen, a. a. O., I. S. 761 u. 62.
4) Creuzer, Symbolik, I. S. 171, Anm. 291.
5) Dunker, a. a. O., II. S. 78.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0424" n="408"/>
Die Essäer und Therapeuten beteten
 gleichfalls bei der aufgehenden Sonne und flehten zu Gott um einen guten Tag, um einen wahrhaft
 guten Tag, dass nämlich ihre Seele mit einem himmlischen Lichte erfüllt werden möge. Ebenso kehren
 die Inder bei dem ersten Gebete das Gesicht der aufgehenden Sonne zu.<note place="foot" n="1)">Lassen, a. a. O., I. S 78, Anm. 2</note> Der indische Brahmane, nachdem er gebadet, die Zähne
 gewaschen und die Augen gesalbt hat, wiederholt lange Zeit hindurch, stehend in der Morgendämmerung,
 folgenden Hymnus an den Sonnengott oder Savitri aus dem Rig-veda:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote> &#x201E;Ein neues, herrliches Loblied singen wir dir, strahlender, glänzender Sonnengott! Höre
 meine Anrufung, komme in meine begierige Seele, wie der Liebende zum Weibe. Der du Alles siehst und
 schaust, Sonnengott, sei unser Beschützer. Sinnen wir nach über das bewunderungswürdige Licht der
 glänzenden Sonne; möge es unsere Einsicht lenken; nahrungsbegierig bitten wir um die Gaben der
 glänzenden Sonne. Priester und Brahmanen, durch ihre Einsicht geleitet, ehren den Sonnengott durch
 Opfer und heiligen Gesang.&#x201C; <note place="foot" n="2)">Dunker, a. a. O., II. S. 79.</note></quote>
        </cit>
        <p> Der hier genannte Sonnengott Savitri, zugleich Sûra, Sûrja (der Glänzende), ist der Erzeuger,
 auch Pûshan (der Ernährer) genannt, indem die Sonne durch ihr Licht der irdische Erzeuger, Schöpfer
 und Ernährer ist und von der Sanskritwurzel su, erzeugen, ernähren, bei fast allen indogermanischen
 Völkern die Sonne (oder der Sonnengott) den Namen hat, z. B. im Gothischen saúil und sunnô, im
 Lithauischen saulê, im Lateinischen sol, im Altnordischen sol, im Slavischen slontze.<note place="foot" n="3)">Lassen, a. a. O., I. S. 761 u. 62.</note> &#x2013; Allgemein richteten sich auch die
 Griechen, Römer und Deutschen beim Gebete nach Osten.<note place="foot" n="4)">Creuzer, Symbolik, I.
 S. 171, Anm. 291.</note> &#x2013; Wenn die Schüler oder Novizen der indischen Brahmanen in den Vedas
 unterrichtet werden, müssen sie das Gesicht nach Osten wenden.<note place="foot" n="5)">Dunker, a.
 a. O., II. S. 78. </note> &#x2013; Auch die Jezidis oder Teufelsanbeter im alten Assyrien sinken beim
 Sonnenaufgang anbetend auf die Kniee und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0424] Die Essäer und Therapeuten beteten gleichfalls bei der aufgehenden Sonne und flehten zu Gott um einen guten Tag, um einen wahrhaft guten Tag, dass nämlich ihre Seele mit einem himmlischen Lichte erfüllt werden möge. Ebenso kehren die Inder bei dem ersten Gebete das Gesicht der aufgehenden Sonne zu. 1) Der indische Brahmane, nachdem er gebadet, die Zähne gewaschen und die Augen gesalbt hat, wiederholt lange Zeit hindurch, stehend in der Morgendämmerung, folgenden Hymnus an den Sonnengott oder Savitri aus dem Rig-veda: „Ein neues, herrliches Loblied singen wir dir, strahlender, glänzender Sonnengott! Höre meine Anrufung, komme in meine begierige Seele, wie der Liebende zum Weibe. Der du Alles siehst und schaust, Sonnengott, sei unser Beschützer. Sinnen wir nach über das bewunderungswürdige Licht der glänzenden Sonne; möge es unsere Einsicht lenken; nahrungsbegierig bitten wir um die Gaben der glänzenden Sonne. Priester und Brahmanen, durch ihre Einsicht geleitet, ehren den Sonnengott durch Opfer und heiligen Gesang.“ 2) Der hier genannte Sonnengott Savitri, zugleich Sûra, Sûrja (der Glänzende), ist der Erzeuger, auch Pûshan (der Ernährer) genannt, indem die Sonne durch ihr Licht der irdische Erzeuger, Schöpfer und Ernährer ist und von der Sanskritwurzel su, erzeugen, ernähren, bei fast allen indogermanischen Völkern die Sonne (oder der Sonnengott) den Namen hat, z. B. im Gothischen saúil und sunnô, im Lithauischen saulê, im Lateinischen sol, im Altnordischen sol, im Slavischen slontze. 3) – Allgemein richteten sich auch die Griechen, Römer und Deutschen beim Gebete nach Osten. 4) – Wenn die Schüler oder Novizen der indischen Brahmanen in den Vedas unterrichtet werden, müssen sie das Gesicht nach Osten wenden. 5) – Auch die Jezidis oder Teufelsanbeter im alten Assyrien sinken beim Sonnenaufgang anbetend auf die Kniee und 1) Lassen, a. a. O., I. S 78, Anm. 2 2) Dunker, a. a. O., II. S. 79. 3) Lassen, a. a. O., I. S. 761 u. 62. 4) Creuzer, Symbolik, I. S. 171, Anm. 291. 5) Dunker, a. a. O., II. S. 78.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/424
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/424>, abgerufen am 25.11.2024.