Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.glauben zu verzehren. In Hessen wird an grösseren Orten am zweiten oder dritten Weihnachtsabend getanzt, wobei "Schottriebel," d. i. eine Mischung von Branntwein und Honigkuchen genossen wird.1) Zur Erntezeit werden in Baiern auch Gebäcke in Schweinsgestalt aufgetischt und am Allerseelentage wird daselbst von den Pathen den Kindern der gebackene Seelenzopf oder Seelenweck, Zellazopf geschenkt, welcher auch anderwärts in Deutschland vorkommt und den Quitzmann S. 249 für eine in alter Zeit der Frau Holla dargebrachte Opfergabe erkennt. Schmeller, baierisches Wörterbuch Thl. II. S. 513 sagt: Leblaib sei Brod, das zu Weihnachten mit eingemengten Klözen (gedörrten Birnen, Zwetschgen und Nüssen) gebacken werde; jedes Mädchen lade ihren Liebhaber, der Wein und Branntwein mitbringt, zum Anschneiden des Brodes ein; misslinge das Gebäck (der Leblaib), so müsse die Bäckerin das nachfolgende Jahr sterben, indem die Volksetymologie das Wort von leben ableite; der Lebzelten, Lebkuchen (labetum, libetum) sei vielleicht dem Worte und der Sache nach aus klösterlichen lateinischen Kuchen hervorgegangen, worüber man Adelungs Lebhonig und Lebkuchen vergleichen möge. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, bemerkt nur kurz: lebe-kuoche, löbe-zelte aus Honig und Pfeffer gemachter Kuchen. Schmid, schwäbisches Wörterbuch, erklärt Lebkuchen, Lebzelten einfach für Pfefferkuchen. Tobler, appenzellischer Sprachschatz, sagt, Leckerli, bair. Leckerl, schwäb. und elsäss. Leckerli, sei eine Art von Pfeffer- oder Honigkuchen, welche man gemeiniglich mit dem Meth geniesst. - Die volksetymologische Ableitung, welche Schmeller verwirft, möchte aber dennoch die richtige sein und jedenfalls sind die honigsüssen Lebkuchen, ähnlich und verwandt den Ostereiern und den Osterhasen, das Symbol des neuen natürlichen und geistigen Lebens, welches in der Wintersonnenwende, zur Julzeit, zur Weihnachtszeit mit der Geburt der neuen Sonne und des Christkindleins beginnt, wie dasselbe Symbol auch die auf den Bergen brennenden Weihnachtsfeuer 1) Mühlhause, die Urreligion des deutschen Volkes, S. 80 und 81; Quitzmann, die heidnische
Religion der Baiwaren, S. 83 u. 84.
glauben zu verzehren. In Hessen wird an grösseren Orten am zweiten oder dritten Weihnachtsabend getanzt, wobei „Schottriebel,“ d. i. eine Mischung von Branntwein und Honigkuchen genossen wird.1) Zur Erntezeit werden in Baiern auch Gebäcke in Schweinsgestalt aufgetischt und am Allerseelentage wird daselbst von den Pathen den Kindern der gebackene Seelenzopf oder Seelenweck, Zellazopf geschenkt, welcher auch anderwärts in Deutschland vorkommt und den Quitzmann S. 249 für eine in alter Zeit der Frau Holla dargebrachte Opfergabe erkennt. Schmeller, baierisches Wörterbuch Thl. II. S. 513 sagt: Leblaib sei Brod, das zu Weihnachten mit eingemengten Klözen (gedörrten Birnen, Zwetschgen und Nüssen) gebacken werde; jedes Mädchen lade ihren Liebhaber, der Wein und Branntwein mitbringt, zum Anschneiden des Brodes ein; misslinge das Gebäck (der Leblaib), so müsse die Bäckerin das nachfolgende Jahr sterben, indem die Volksetymologie das Wort von leben ableite; der Lebzelten, Lebkuchen (labetum, libetum) sei vielleicht dem Worte und der Sache nach aus klösterlichen lateinischen Kuchen hervorgegangen, worüber man Adelungs Lebhonig und Lebkuchen vergleichen möge. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, bemerkt nur kurz: lebe-kuoche, löbe-zelte aus Honig und Pfeffer gemachter Kuchen. Schmid, schwäbisches Wörterbuch, erklärt Lebkuchen, Lebzelten einfach für Pfefferkuchen. Tobler, appenzellischer Sprachschatz, sagt, Leckerli, bair. Leckerl, schwäb. und elsäss. Leckerli, sei eine Art von Pfeffer- oder Honigkuchen, welche man gemeiniglich mit dem Meth geniesst. – Die volksetymologische Ableitung, welche Schmeller verwirft, möchte aber dennoch die richtige sein und jedenfalls sind die honigsüssen Lebkuchen, ähnlich und verwandt den Ostereiern und den Osterhasen, das Symbol des neuen natürlichen und geistigen Lebens, welches in der Wintersonnenwende, zur Julzeit, zur Weihnachtszeit mit der Geburt der neuen Sonne und des Christkindleins beginnt, wie dasselbe Symbol auch die auf den Bergen brennenden Weihnachtsfeuer 1) Mühlhause, die Urreligion des deutschen Volkes, S. 80 und 81; Quitzmann, die heidnische
Religion der Baiwaren, S. 83 u. 84.
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glauben zu verzehren. In Hessen wird an grösseren Orten am zweiten oder dritten Weihnachtsabend getanzt, wobei „Schottriebel,“ d. i. eine Mischung von Branntwein und Honigkuchen genossen wird. 1) Zur Erntezeit werden in Baiern auch Gebäcke in Schweinsgestalt aufgetischt und am Allerseelentage wird daselbst von den Pathen den Kindern der gebackene Seelenzopf oder Seelenweck, Zellazopf geschenkt, welcher auch anderwärts in Deutschland vorkommt und den Quitzmann S. 249 für eine in alter Zeit der Frau Holla dargebrachte Opfergabe erkennt. Schmeller, baierisches Wörterbuch Thl. II. S. 513 sagt: Leblaib sei Brod, das zu Weihnachten mit eingemengten Klözen (gedörrten Birnen, Zwetschgen und Nüssen) gebacken werde; jedes Mädchen lade ihren Liebhaber, der Wein und Branntwein mitbringt, zum Anschneiden des Brodes ein; misslinge das Gebäck (der Leblaib), so müsse die Bäckerin das nachfolgende Jahr sterben, indem die Volksetymologie das Wort von leben ableite; der Lebzelten, Lebkuchen (labetum, libetum) sei vielleicht dem Worte und der Sache nach aus klösterlichen lateinischen Kuchen hervorgegangen, worüber man Adelungs Lebhonig und Lebkuchen vergleichen möge. Ziemann, mittelhochdeutsches Wörterbuch, bemerkt nur kurz: lebe-kuoche, löbe-zelte aus Honig und Pfeffer gemachter Kuchen. Schmid, schwäbisches Wörterbuch, erklärt Lebkuchen, Lebzelten einfach für Pfefferkuchen. Tobler, appenzellischer Sprachschatz, sagt, Leckerli, bair. Leckerl, schwäb. und elsäss. Leckerli, sei eine Art von Pfeffer- oder Honigkuchen, welche man gemeiniglich mit dem Meth geniesst. – Die volksetymologische Ableitung, welche Schmeller verwirft, möchte aber dennoch die richtige sein und jedenfalls sind die honigsüssen Lebkuchen, ähnlich und verwandt den Ostereiern und den Osterhasen, das Symbol des neuen natürlichen und geistigen Lebens, welches in der Wintersonnenwende, zur Julzeit, zur Weihnachtszeit mit der Geburt der neuen Sonne und des Christkindleins beginnt, wie dasselbe Symbol auch die auf den Bergen brennenden Weihnachtsfeuer
1) Mühlhause, die Urreligion des deutschen Volkes, S. 80 und 81; Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 83 u. 84.
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/416>, abgerufen am 16.02.2025. |