Sterne
sind seine Augen. Bei Varuna im Lande des Lichtes versammeln sich die Seligen zu ewigem Aufenthalt,
die der Inder mit dem Namen der Väter, Vorväter (Pitris, das lat. patres) belegt. "Gehe hin," ruft
man dem Sterberden zu, "auf den Pfaden, die unsere Väter vormals beschritten haben. Die hohen
Herrscher sollst du, Jama und Varuna, den Gott schauen." Die Sehnsucht nach dem Lande des Lichts und
der Seligen wird im Rig-Veda also ausgesprochen:
"Wo unvergängliches Licht ist, in der Welt, wo Sonnenglanz wohnt, Dahin bring' mich, o
Soma, in die unsterbliche, unverletzliche Welt. Wo Jama, der Wiwavatssohn als König gebietet,
wo das Innerste des Himmels ist, Wo jene grossen Wasser wohnen, dort lass mich unsterblich
sein! In des Dreihimmels Gewölbe, wo man sich regt und lebt nach Lust, Wo die lichtvollen
Räume sind, o dort lass mich unsterblich sein. Wo Wunsch und Sehnsucht verweilen, wo die
strahlende Sonne steht, Wo Seligkeit und Genüge ist, o dort lass mich unsterblich sein! Wo
Fröhlichkeit und Freude ist, wo die Lust und Entzücken herrscht, Wo alle Wünsche erfüllt sind,
o dort lass mich unsterblich sein!"
Wenn die Dahingeschiedenen in das Lichtreich eingehen, legen sie alles Irdische und
Unvollkommene ab, erhalten einen ätherischen Geisterleib, werden selbst Licht, weshalb der Rig-Veda
einen Verstorbenen ermahnt: "Gelange zu den Vätern, zu Jama, bei dem der Wünsche Genüge ist, im
höchsten Himmel. Geh' ein zur Heimath, alles Unvollkommene wieder ablegend, gelange (zu jener)
herrlich an Gestalt." Um zum Lande der Pitris zu gelangen, muss die Seele einen Luftstrom
überschreiten; damit die Seele über den Strom hinüberkomrne, wurde eine Kuh mit folgenden Worten
geopfert: "Am grausen Pfade zu Jama's Thor ist der grause Strom Vaitarani, ihn zu überschreiten
begehr' ich, darum geb' ich die schwarze Kuh Vaitarani." Dieser Luftstrom, welcher gleichmässig auch
bei den Germanen vorkommt, ist also der eigentliche und ursprüngliche Todtenstrom des Alterthums.
Auch die Milchstrasse und der Regenbogen (bei den Parsen die Brücke Tschinevad und bei den Germanen
die Brücke Bifröst) wurden bei den Indern und Germanen,1) sowie bei den
1) Menzel, Odin, S.
151.
Sterne
sind seine Augen. Bei Varuna im Lande des Lichtes versammeln sich die Seligen zu ewigem Aufenthalt,
die der Inder mit dem Namen der Väter, Vorväter (Pitris, das lat. patres) belegt. „Gehe hin,“ ruft
man dem Sterberden zu, „auf den Pfaden, die unsere Väter vormals beschritten haben. Die hohen
Herrscher sollst du, Jama und Varuna, den Gott schauen.“ Die Sehnsucht nach dem Lande des Lichts und
der Seligen wird im Rig-Veda also ausgesprochen:
„Wo unvergängliches Licht ist, in der Welt, wo Sonnenglanz wohnt, Dahin bring’ mich, o
Soma, in die unsterbliche, unverletzliche Welt. Wo Jama, der Wiwavatssohn als König gebietet,
wo das Innerste des Himmels ist, Wo jene grossen Wasser wohnen, dort lass mich unsterblich
sein! In des Dreihimmels Gewölbe, wo man sich regt und lebt nach Lust, Wo die lichtvollen
Räume sind, o dort lass mich unsterblich sein. Wo Wunsch und Sehnsucht verweilen, wo die
strahlende Sonne steht, Wo Seligkeit und Genüge ist, o dort lass mich unsterblich sein! Wo
Fröhlichkeit und Freude ist, wo die Lust und Entzücken herrscht, Wo alle Wünsche erfüllt sind,
o dort lass mich unsterblich sein!“
Wenn die Dahingeschiedenen in das Lichtreich eingehen, legen sie alles Irdische und
Unvollkommene ab, erhalten einen ätherischen Geisterleib, werden selbst Licht, weshalb der Rig-Veda
einen Verstorbenen ermahnt: „Gelange zu den Vätern, zu Jama, bei dem der Wünsche Genüge ist, im
höchsten Himmel. Geh’ ein zur Heimath, alles Unvollkommene wieder ablegend, gelange (zu jener)
herrlich an Gestalt.“ Um zum Lande der Pitris zu gelangen, muss die Seele einen Luftstrom
überschreiten; damit die Seele über den Strom hinüberkomrne, wurde eine Kuh mit folgenden Worten
geopfert: „Am grausen Pfade zu Jama’s Thor ist der grause Strom Vaitarani, ihn zu überschreiten
begehr’ ich, darum geb’ ich die schwarze Kuh Vaitarani.“ Dieser Luftstrom, welcher gleichmässig auch
bei den Germanen vorkommt, ist also der eigentliche und ursprüngliche Todtenstrom des Alterthums.
Auch die Milchstrasse und der Regenbogen (bei den Parsen die Brücke Tschinevad und bei den Germanen
die Brücke Bifröst) wurden bei den Indern und Germanen,1) sowie bei den
1) Menzel, Odin, S.
151.
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sind seine Augen. Bei Varuna im Lande des Lichtes versammeln sich die Seligen zu ewigem Aufenthalt,
die der Inder mit dem Namen der Väter, Vorväter (Pitris, das lat. patres) belegt. „Gehe hin,“ ruft
man dem Sterberden zu, „auf den Pfaden, die unsere Väter vormals beschritten haben. Die hohen
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Unvollkommene ab, erhalten einen ätherischen Geisterleib, werden selbst Licht, weshalb der Rig-Veda
einen Verstorbenen ermahnt: „Gelange zu den Vätern, zu Jama, bei dem der Wünsche Genüge ist, im
höchsten Himmel. Geh’ ein zur Heimath, alles Unvollkommene wieder ablegend, gelange (zu jener)
herrlich an Gestalt.“ Um zum Lande der Pitris zu gelangen, muss die Seele einen Luftstrom
überschreiten; damit die Seele über den Strom hinüberkomrne, wurde eine Kuh mit folgenden Worten
geopfert: „Am grausen Pfade zu Jama’s Thor ist der grause Strom Vaitarani, ihn zu überschreiten
begehr’ ich, darum geb’ ich die schwarze Kuh Vaitarani.“ Dieser Luftstrom, welcher gleichmässig auch
bei den Germanen vorkommt, ist also der eigentliche und ursprüngliche Todtenstrom des Alterthums.
Auch die Milchstrasse und der Regenbogen (bei den Parsen die Brücke Tschinevad und bei den Germanen
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Sterne sind seine Augen. Bei Varuna im Lande des Lichtes versammeln sich die Seligen zu ewigem Aufenthalt, die der Inder mit dem Namen der Väter, Vorväter (Pitris, das lat. patres) belegt. „Gehe hin,“ ruft man dem Sterberden zu, „auf den Pfaden, die unsere Väter vormals beschritten haben. Die hohen Herrscher sollst du, Jama und Varuna, den Gott schauen.“ Die Sehnsucht nach dem Lande des Lichts und der Seligen wird im Rig-Veda also ausgesprochen:
„Wo unvergängliches Licht ist, in der Welt, wo Sonnenglanz wohnt,
Dahin bring’ mich, o Soma, in die unsterbliche, unverletzliche Welt.
Wo Jama, der Wiwavatssohn als König gebietet, wo das Innerste des Himmels ist,
Wo jene grossen Wasser wohnen, dort lass mich unsterblich sein!
In des Dreihimmels Gewölbe, wo man sich regt und lebt nach Lust,
Wo die lichtvollen Räume sind, o dort lass mich unsterblich sein.
Wo Wunsch und Sehnsucht verweilen, wo die strahlende Sonne steht,
Wo Seligkeit und Genüge ist, o dort lass mich unsterblich sein!
Wo Fröhlichkeit und Freude ist, wo die Lust und Entzücken herrscht,
Wo alle Wünsche erfüllt sind, o dort lass mich unsterblich sein!“ Wenn die Dahingeschiedenen in das Lichtreich eingehen, legen sie alles Irdische und Unvollkommene ab, erhalten einen ätherischen Geisterleib, werden selbst Licht, weshalb der Rig-Veda einen Verstorbenen ermahnt: „Gelange zu den Vätern, zu Jama, bei dem der Wünsche Genüge ist, im höchsten Himmel. Geh’ ein zur Heimath, alles Unvollkommene wieder ablegend, gelange (zu jener) herrlich an Gestalt.“ Um zum Lande der Pitris zu gelangen, muss die Seele einen Luftstrom überschreiten; damit die Seele über den Strom hinüberkomrne, wurde eine Kuh mit folgenden Worten geopfert: „Am grausen Pfade zu Jama’s Thor ist der grause Strom Vaitarani, ihn zu überschreiten begehr’ ich, darum geb’ ich die schwarze Kuh Vaitarani.“ Dieser Luftstrom, welcher gleichmässig auch bei den Germanen vorkommt, ist also der eigentliche und ursprüngliche Todtenstrom des Alterthums. Auch die Milchstrasse und der Regenbogen (bei den Parsen die Brücke Tschinevad und bei den Germanen die Brücke Bifröst) wurden bei den Indern und Germanen, 1) sowie bei den
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/280>, abgerufen am 16.02.2025.
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