Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Schutzpatron der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale, letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der rechte Winkel, - das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3."

Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden.1) In dem maurerischen Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der Vorhöfe gesehen und gehört werden können.

In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen Logen2) haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule, welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren Jakin und

1) Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112, vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 242, Nr 20.

Schutzpatron der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale, letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der rechte Winkel, – das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3.“

Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden.1) In dem maurerischen Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der Vorhöfe gesehen und gehört werden können.

In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen Logen2) haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule, welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren Jakin und

1) Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112, vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff.
2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 242, Nr 20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="211"/>
Schutzpatron
 der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen
 und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale,
 letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der
 rechte Winkel, &#x2013; das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu
 deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3.&#x201C;</p>
        <p> Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich
 allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der
 Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende
 Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit
 schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien
 und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden
 Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von
 Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden.<note place="foot" n="1)">Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112,
 vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff.</note> In dem maurerischen
 Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung
 ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle
 morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der
 Vorhöfe gesehen und gehört werden können.</p>
        <p> In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen
 Logen<note place="foot" n="2)">Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 242, Nr 20.</note> haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule,
 welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren
 Jakin und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0227] Schutzpatron der Bauleute, gewidmet. Von den erwähnten Aufschriften steht Jakin auf der vordern Seite der einen und Boaz auf der innern Seite der andern Säule. Ersteres bedeutet das Aufrichtende, Vertikale, letzteres das Starke, Gewährende, Horizontale, und aus der Zusammenstellung beider entsteht der rechte Winkel, – das älteste Bild der Formationsgesetze. Das Verhältniss der Stärke der Säulen zu deren Höhe ist wie 1 zu 9, also die bedeutungsvolle Zahl 3 Mal 3.“ Diese Erklärung der Worte Jakin und Boaz ist gewiss zu künstlich und passt kaum zu dem ziemlich allgemeinen Gebrauche der beiden Säulen bei den Phöniciern. Jedenfalls darf man übrigens von der Beschaffenheit der beiden Säulen in dem Dome zu Würzburg, welche freistehende und nichtstragende Säulen sind, entgegen der von Einigen aufgestellten abweichenden Ansicht mit Bestimmtheit schliessen, dass auch die beiden Säulen des salomonischen Tempels freistehende Säulen gewesen seien und vor dem Tempel, nicht in der Vorhalle und dieselbe stützend gestanden haben, wie auch die beiden Säulen des Würzburger Domes ursprünglich an oder vor der Pforte des Doms standen und erst von Bischof Heinrich I. an ihre jetzige Stelle in dem von ihm erbauten Neumünster versetzt wurden. 1) In dem maurerischen Archive, herausgegeben von J. H. Bürmann, S. 177 ff., ist die ganz unhaltbare Vermuthung ausgesprochen worden, dass die salomonischen Säulen zu Kanzeln, oder zu Minarets, wie sie noch alle morgenländischen Tempel haben, gedient haben; der Redner habe auf ihnen von den drei Seiten der Vorhöfe gesehen und gehört werden können. In einzelnen Logen Deutschlands und der Schweiz und, wie es scheint, in allen englischen Logen 2) haben die beiden ersten Vorsteher zum Attribut eine kleine Säule, welche die beiden Säulen des salomonischen Tempels vorstellen sollen und von denen die des älteren Jakin und 1) Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Baukunst, Leipzig 1834, II. S. 112, vergl. mit Stieglitz, von altdeutscher Baukunst, Leipzig 1820, S. 186 ff. 2) Krause, Kunsturkunden, I. 1. S. 242, Nr 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/227
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/227>, abgerufen am 24.11.2024.